Vermarktung von Bildrechten

Original-Tapete im Bild - Das wird teuer!

Burghart Klaußner als Fritz Bauer in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer" - links an der Wand: eine Tapete, die Le Corbusier geschaffen hat
Burghart Klaußner als Fritz Bauer in einer Szene des Kinofilms "Der Staat gegen Fritz Bauer" - links an der Wand: eine Tapete, die Le Corbusier geschaffen hat © picture alliance / dpa
Von Marietta Schwarz  · 13.01.2016
Echt sollte sie sein, die Szene. Um die Original-Tapete im Büro des Frankfurter Staatsanwalts Fritz Bauer zeigen zu dürfen, zahlte die Produktionsfirma Tausende Euros. Keine Seltenheit: Wer künstlerische Nachlässe in Bild oder Film nutzen möchte, muss oft tief in die Tasche greifen.
Wer den Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" gesehen hat, weiß: Der legendäre Staatsanwalt rauchte viel. Und: Er hatte eine Schwäche für modernes Design. In seinem Büro hängt eine auffällige Schwarz-Weiß-Tapete von Le Corbusier. Sehr schön. Aber für die Produktionsfirma ein kostspieliges Detail. Sie zahlte für diesen Hintergrund einen vierstelligen Betrag *) an die Verwertungsgesellschaft Bildkunst.
"Urheberrechtlich gesehen ist das ein kreatives Werk. Da gibt es Werke, die besonders hervorzuheben sind und es gibt reine Gebrauchsanwendungen."
Sagt Anke Schierholz, Justitiarin der VG Bildkunst. Die Corbusier-Tapete gehört zu diesen besonders hervorstechenden Werken, zumal sie nicht mehr produziert wird. Am Ende der Film-Produktion musste sie sogar verbrannt werden. Die Verwertungsgesellschaft verlangte als Nachweis ein Foto der Vernichtung. Das Geld reichte sie dann an die Rechteinhaber weiter. In diesem Fall die Le-Corbusier-Stiftung in Paris, die den Nachlass des Architekten verwaltet.
"Die Abbildungsrechte sind mehr oder weniger Beifang. Die großen Nachlässe nutzen die Erträge auch alle für ihre Werkpflege. Am Ende ist das Geld, um es mal zu ökonomisieren, eine Investition ins kulturelle Leben."
Über die Nutzungsgebühren entscheidet der Rechteinhaber selbst
Was die Juristin Schierholz sagt, klingt erst einmal plausibel: Stiftungen fordern Nutzungsgebühren, um ihre Nachlässe zu pflegen und auch öffentlich zugänglich zu machen. Also für uns alle. Doch die Sache hat gleich mehrere Haken:
Denn über die Höhe der Gebühren entscheidet jeder Rechteinhaber selbst. Und längst ist - auch im Bereich Architektur und Design – die juristisch komplizierte Rechtefrage zum einträglichen Geschäft geworden. Für Abmahnanwälte, die gegen Fotografen, Filmemacher und Redaktionen klagen. Und für die Nachlassverwalter, die inzwischen auch Eigentumsrechte in bares Geld verwandeln. Besonders gut funktioniert das bei Bauwerken, wenn sie fotografiert oder gefilmt werden sollten.
"Also es hat sich schon eingebürgert. Meines Erachtens in den letzten zehn Jahren ist es dazu gekommen, dass man immer mehr versucht, Räume aufzuschließen und damit Geld zu verdienen."
Beobachtet der Dokumentarfilmer Heinz Emigholz. Seit Jahrzehnten verfilmt er das Werk großer Architekten – Auguste Perret, Adolf Loos oder Le Corbusier. Mit unzähligen Kameraeinstellungen – Außen- und natürlich auch Innenansichten. Doch inzwischen hat er diese Arbeit weitgehend aufgegeben. Die Summen, die vor allem private Stiftungen von ihm für die Aufnahmen verlangen, seien so hoch, dass er mit dem Dreh gar nicht mehr anzufangen brauche. So forderte die schweizerische Barragán-Stiftung von ihm pauschal 30.000 Euro für den Zugang zu den Häusern des mexikanischen Architekten, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für seine farbenfrohen Bauten international bekannt wurde.
"Was für uns natürlich ein Witz war, weil wir haben so was gar nicht im Etat. Außerdem sollten wir mit den Bewohnern Kontakt aufnehmen, wie viel die noch haben wollen."
Emigholz realisierte seinen Film über das Gesamtwerk Luis Barragáns nicht. Er nennt es die Verhinderung einer künstlerischen Recherche. Der Zugang zu diesem architektonischen Erbe werde monopolisiert, und zwar auch auf der Bildebene.
"Es ist eine Kapitalisierung eines imaginären Raumes. Denn es handelt sich ja gar nicht um existierende Bilder, sondern zukünftige Bilder, die gemacht werden könnten von diesem Objekt. Und wenn jemand behauptet, du darfst kein Bild von diesem Objekt machen, ist das für mich in mehrfacher Hinsicht ein Skandal."
Wer sich vor Schloss Sansouci fotografieren lässt, braucht eine Genehmigung
Selbst öffentliche Stiftungen wenden das Eigentumsrecht inzwischen an, um Gelder zu generieren. Bekanntestes Beispiel: Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Wer sich vor Schloss Sanssouci fotografieren lässt und das veröffentlicht, braucht eine Genehmigung und muss zahlen. Dabei finanziert die Stiftung sich aus Steuern. Ob der umliegende Park nun öffentlicher Raum ist oder Privateigentum – darüber streitet die Fotografenagentur Ostkreuz seit zehn Jahren mit ihr vor Gericht.
"Die haben sich eine Satzung gegeben, und damit wollen sie kontrollieren, wer was fotografieren darf in den Anlagen. Das heißt nicht nur in den Schlössern, aber eben auch in den Gärten. Sie benehmen sich so, als seien sie privat. Und das ist ein Problem."
Der Fotograf Tobias Kruse gibt sich kämpferisch. Schließlich, sagt er, handele es sich bei all diesen Klagen, bei denen Persönlichkeits- und Eigentumsrechte reklamiert werden, um eine schleichende Privatisierung des öffentlichen Raumes. Und das müsse man verhindern:
"Für mich ist der öffentliche Raum halt die Bühne der Gesellschaft. Und wenn tatsächlich die äußeren Hüllen, die man auf der Straße sieht, nicht mehr abbildbar sind oder nur noch gegen Gebühr, gegen Erlaubnis usw. – dann wird es diese Bilder einfach nicht mehr geben."
Dass sich Rechteinhaber über Foto-Lizenzen überproportional bereichern, lässt sich kaum nachweisen, wird aber auch von Juristen nicht angezweifelt. "Die Rechtspraxis weitet parallele Schutzrechte im Bereich der Gegenstandsfotografie mehr und mehr aus", sagt ein Anwalt.
Darf ich fotografieren? Darf ich das online stellen? Wird es teuer? Gibt es Ärger mit dem Justitiar? Bei Fotografen, Filmemachern, in Redaktionen existiert bereits jetzt die Schere im Kopf. Wenn die Vermarktung von Bildrechten so weitergeht, stellt sich die Frage, wie mit dem Verschwinden visueller Vermittlung letztlich auch kulturelle Bildung beeinträchtigt wird.
*) Berichtigung: Der vierstellige Betrag ist insgesamt fällig, nicht pro angefangener Minute.
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