Verlorene Schätze

Liebermann inmitten seiner Kunst

Von Barbara Wiegand · 22.11.2013
Max Liebermann gehört zu den wichtigsten Malern seiner Epoche, war aber auch einer der bedeutendsten Berliner Kunstsammler. Eine Sonderausstellung in Liebermanns Villa am Wannsee rekonstruiert die Sammlung und ihr Schicksal nach 1933 - von der auch Spuren zur Gurlitt-Familie führen.
Trist und grau empfängt einen der Garten der Villa Liebermann am Wannsee an diesem Novembertag – jener Garten, den Max Liebermann so oft in blühenden Farben gemalt hat. Trist und grau, passend zu den schwarz-weißen Bildern, die jetzt im Kaminzimmer hängen. Als originalgroße Reproduktionen der Gemälde, die einst diesen Wohnraum zierten: Jagdszenen seines Lehrers Carl Steffeck, ein Fahnenträger nach Frans Hals, das Reiterbildnis des Ms Arnaud, den Édouard Manet 1875 ganz leger im Roten Rock auf seinem Fuchs sitzend malte.
"Wir haben das nachgestellt dadurch das wir Reproduktionen eins zu eins große Reproduktionen an die Wände im Kaminzimmer gehängt haben um dem Besucher einen Eindruck zu vermitteln – was hing ihr eigentlich – und was fehlt hier eigentlich.“
Erläutert Martin Faass, Leiter der Villa Liebermann. Hier am Wannsee begibt man sich nun auf die Spuren dieser verlorenen Schätze – gemeinsam mit der Historikerin Monika Tatzkow, die im Auftrag der Erben versucht, die Geschichte der einzigartigen Künstlersammlung zu rekonstruieren. Basierend auf älteren Forschungen konnte sie bisher 254 Werke als Teil der Sammlung Liebermann identifizieren – am Ende einer aufwendigen Recherche.
"Da gibt es seine Briefe, Interieurfotos, Fachliteratur. Und natürlich das beschlagnahmte Inventar von 1943 und Verzeichnisse, die die Familie angefertigt hat auf der Suche nach den verlorenen Bildern. Dann sind natürlich die Interieurfotos selber eine wichtige Grundlage gewesen. Und es ist bei Weitem nicht so, dass wir da alle Bilder identifiziert hätten, das haben wir bislang noch nicht geschafft.“
Denn manche dieser Interieurfotos geben Rätsel auf. Etwa das von Max Liebermann, wie er im Salon der Villa auf dem Sofa sitzt – auf dem Kopf einen hellen Sommerhut, hinter sich eine Wand voller Menzels. Manches Bild von Menzel ist schleierhaft, auf einem anderen sind nur Füße zu sehen. Anhand des daneben gehängten Originals kann man sie als die von Adolph Menzels Schwager Krigar erkennen, den der Berliner Künstler am Klavier skizziert hat.
Dicht an dicht gehängte Werke, vor allem von Manet
Andere Innenaufnahmen zeigen Liebermann in seiner Wohnung am Pariser Platz, im Musik- oder im Wohnzimmer, im Atelier. Immer inmitten seiner Kunst – zwischen Rembrandt und Frans Hals, vor dicht an dicht gehängten Impressionen von Degas und Cézanne, Werken von Monet und vor allem Manet. Nochmals Martin Faass:
"Er war ein begeisterter Sammler, der mit seiner Kunst lebte, auch Anregungen empfing. Deshalb ist es auch ganz typisch, dass er sich für Manet interessierte – unter einem künstlerischen Gesichtspunkt. Gerade das Skizzenhafte begeisterte ihn und so kaufte er aus dem Nachlass einige skizzenhafte Werke und hängte sie in sein Atelier um sich am großen Vorbild abarbeiten zu können und das eigene Werk vergleichen zu können.“
Die meisten der 18 Manets die er besaß, brachte Max Liebermann neben anderen Hauptwerken unmittelbar nach der Machtübernahme der Nazis außer Landes – von düsteren Vorahnungen bedrückt. Sie gelangten später in den Besitz von Liebermanns in die USA emigrierter Tochter Käthe. Ein großer Teil aber verblieb nach seinem Tod 1935 bei seiner Frau Martha. Aus diesem Nachlass verkaufte Martha Liebermann dann einige Werke – schlicht um zu überleben. Immer wieder taucht im Zusammenhang mit diesen Notverkäufen der Name Wolfgang Gurlitt auf, der Cousin des jetzt durch den Münchner Kunstfund in die Schlagzeilen geratenen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt.
Trennen musste sich die von den Nazis schikanierte Witwe auch von dem oben erwähnten Reiterbild Manets. Es hängt heute in der Nationalgalerie in Mailand. Georg Graf zu Castell-Castell, Anwalt der Familie Liebermann:
"Das Bild ist ja anders als bisher angegeben erst 36 aus dem Besitz von Martha Liebermann geraten, und nach den Rückerstattungsvorschriften – basierend auf der Washingtoner Erklärung – wäre das eigentlich ein Fall, über den man verhandeln müsste. Aber die Washingtoner Erklärung spricht ja lediglich Empfehlungen aus. Und Italien gehört bedauerlicher Weise zu einem der Länder, die die Empfehlung schlicht nicht umsetzen.“
So ist es das Verdienst dieser Schau, nicht nur diese faszinierende Künstler-Sammlung vorzustellen, sondern auch Licht auf das dunkle Kapitel Raubkunst zu werfen. Das ist spannend, erhellend – und bedrückend zugleich. Vor allem wenn man im letzten Raum Martha Liebermann begegnet, im Lehnstuhl sitzend. Es ist die schwarz-weiße Reproduktion jenes letzten Portraits, das ihr Mann 1930 von ihr malte. „Gemälde, Dame“, steht nüchtern auf einer Liste daneben. Eine Kopie der Liste jener Kunstwerke, die die Nazis in der Wohnung am Pariser Platz beschlagnahmten, nachdem sich Martha Liebermann aus Angst vor der drohenden Deportation das Leben genommen hatte. Das Original-Portrait befindet sich heute im von der Stadt Schweinfurt betriebenen Museum Schäfer und wird dort gern hergezeigt – ohne Hinweis auf seine traurige Herkunftsgeschichte.
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