Verhinderte Gerechtigkeit

Von Hartwig Tegeler · 08.09.2009
Hannah Maynard, Juristin beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, kann einen entscheidenden Augenzeugen gegen den Serben Goran Duric vorweisen, der für die Deportation, Ermordung und Vergewaltigung von bosnischen Zivilisten angeklagt ist. Doch der Zeuge lügt:
"Was immer Sie mir anvertrauen, kann ich nicht vor Gericht verwenden, aber vielleicht kann ich erfahren, warum Sie gelogen haben? Was von ihren Lügenmärchen ist wirklich wahr?."

Die Juristin sieht ihre Anklage wie eine Seifenblase zerplatzen:

"Sie haben es hier mit einem Gericht zu tun. Hier geht es nicht einfach um blinde Rache. Wir brauchen Fakten."

Dann passiert etwas gänzlich Unerwartetes. Hannah trifft die Schwester des Zeugen, Die Anklägerin schöpft Hoffnung, dass die junge Frau gegen Duric aussagen könnte:

"Wieso waren Sie nicht bei der Polizei?"
"Diesen Männern ist es völlig egal, die schicken einfach andere. Die Drahtzieher kriegt nie jemand zu fassen. War schon immer so."

Die junge Frau will von der Vergangenheit nichts mehr wissen.

"Sagen Sie aus, ich brauche Sie. Vor Gericht in Den Haag. Bitte!"

Mira lässt sich überreden. Aber bald wird klar, dass nicht sie, sondern die Anklägerin Hannah Maynard die Fronten und Realitäten falsch eingeschätzt hat. Ihr Satz

"Ich interessiere mich nicht für Politik. Ich bin hier für die Anwendung des geltenden Rechts verantwortlich."

... ist naiv. Sie muss erfahren, dass die Gegner einer Verurteilung von Goran Duric auch in ihren eigenen Reihen zu suchen sind. Hans-Christian Schmid zeichnet in seinem Politthriller "Sturm" ein komplexes Bild der Realität Europas und eines Kriegsverbrechertribunals, vor dem die Wahrheit zur Verhandlungssache wird, weil sie in einem Gewirr aus politischen, juristischen und bürokratischen Ränkespielen versandet. Obwohl Mira ihr Leben riskierte, um nach Den Haag zu kommen, soll sie schließlich die Geschichte ihres Leidens nicht erzählen dürfen.

"Ich weiß nicht, wie lange ich da war. Ich habe die Tage nicht gezählt."
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