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Sozialwohnungen in Tschechien

Wohnhäuser in der tschechischen Hauptstadt Prag
Wohnhäuser in der tschechischen Hauptstadt Prag © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Von Peter Lange · 10.10.2016
Die tschechische Republik hat wie viele mittel- und osteuropäische Länder in den 1990-ern ihre Wohnungsbestände massiv privatisiert. Deswegen gibt es jetzt nicht mehr genug preiswerten Wohnraum.
Eigentlich, findet Zuzka, hat sie mit ihrer jetzigen Unterkunft noch Glück gehabt. Sie teilt sich mit ihrer Partnerin und deren Tochter ein Zimmer von vielleicht 18 Quadratmetern:
"Es sind schrecklich viele Leute in einem Zimmer. Wir drei wollen ja zusammen sein. Aber wenn es drei Frauen sind, die sich nicht ausstehen können. Das ist dann die Hölle."
Zuzka ist 39, eine zierliche Frau mit blondem Pferdeschwanz, die Haare an den Seiten anrasiert. Sie hat schon auf der Straße gelebt, im Obdachlosenheim. Jetzt lebt sie in einer Ubytova, in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Das waren in Tschechien einmal Unterkünfte für ausländische Saisonarbeiter. Aber nun sind sie für 100.000 Menschen die letzte Bleibe vor dem Obdachlosenasyl. Rund 1200 solche Unterkünfte gibt es, heruntergekommene Behausungen, meistens von Privatleuten betrieben und über das Wohngeld indirekt vom Staat finanziert. Für die Inhaber eine Goldgrube:
"Die Preise sind überall gleich, erzählt Zuzka, umgerechnet 150 Euro pro Person im Monat. Wenn man das addiert: drei Personen pro Zimmer, dann kommt man auf 500 Euro. Dafür kann man sich eigentlich eine schöne normale Wohnung oder zumindest ein Apartment leisten."

Tschechien hat seine Wohnungsbestände privatisiert

Aber genau das ist das Problem. Es gibt es nicht mehr genügend preiswerten Wohnraum. Das hat historische Gründe, erläutert Vit Lesak von der Bürgerinitiative Plattform für soziales Wohnen:
"Die tschechische Republik hat wie viele mittel- und osteuropäische Länder in den 1990ern ihre Wohnungsbestände massiv privatisiert. Ohne strategisch zu überlegen, was mit den Menschen passiert, die zum Beispiel arbeits- oder obdachlos werden."
Städte und Gemeinden haben kaum so gut wie keine eigenen Wohnungen. Ein Fehler, wie inzwischen allgemein eingesehen wird. Denn weil die soziale Schere auch hier langsam aufgeht und die Mieten anziehen, haben es die Armen auf dem Wohnungsmarkt immer schwerer. Nun jedoch will die Regierung gegensteuern. Es soll ein Bestand an Sozialwohnungen aufgebaut werden. So sieht es ein Gesetzentwurf von Sozialministerin Michaela Marksova vor, das Ergebnis von fast 15 Jahren Diskussion.
"Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Gemeinden entscheiden, welche Wohnungen als Sozialwohnungen gebraucht werden. Und dafür wird dann Wohngeld gezahlt. Das Wohngeld soll viel stärker reguliert werden."

Wohngeldgesetze laden zum Missbrauch ein

Denn das ist das zweite Problem: Die Wohngeldgesetze laden zum Missbrauch ein. Vermieter schließen Verträge mit überhöhten Mieten ab und lassen sich das Wohngeld direkt überweisen.
"Wir zahlen als Staat jährlich riesengroße Summen an Wohngeld. Und meistens landet dieses Wohngeld bei privaten Besitzern."
Das Geld für soziales Wohnen wäre also da, es müsste nur anders eingesetzt werden. Und neue Wohnungen müssten nicht einmal gebaut werden. Denn es gibt hunderttausende leerstehende Wohnungen in Tschechien.
Die Schlüsselrolle liegt bei Städten und Gemeinden. Sie sollen den Bedarf ermitteln und Wohnungen entweder selbst erwerben oder Verträge mit gemeinnützigen Trägern, Kirchen oder privaten Vermietern schließen. Aber die Kommunen sind von den Plänen alles andere als begeistert.
"Für mich ist das absurd", sagt Bürgermeister Jiri Kovar aus dem kleinen Ort Bohuslavice in Mähren:
"Dieses Gesetz geht an der Realität vorbei. Denn unsere Gemeinde hat für den Bau von Sozialwohnungen mit Sicherheit kein Geld."

"Für die Gemeinden wird es nicht einfach"

Die Sozialministerin sieht das anders: "Die Angst vor zu hohen Ausgaben ist in meinen Augen nicht gerechtfertigt", entgegnet sie. "Der Staat trägt den Löwenanteil, nicht die Gemeinden."
Aber die Kommunen dürfen nicht allein gelassen werden, meint Vit Lesak von der Plattform für soziales Wohnen, und stimmt insoweit dem Bürgermeister zu:
"Für die Gemeinden wird es nicht einfach. Es muss deshalb dafür gesorgt werden, dass sie bei der Verwaltung unterstützt werden und dass die finanzielle Hilfe ausreicht."
Wenn alles gut geht, dann wird das Gesetz vielleicht noch in dieser Wahlperiode verabschiedet. Grund zu etwas Optimismus also für Zuzka, die die Hoffnung nicht aufgibt.

"Um es mal auf den Punkt zu bringen: Eine Wohnung wäre super."
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