Verfolgen und vertuschen

Von Alexander Budde · 08.10.2013
Die Journalistin Andrea Röpke recherchiert über die Umtriebe deutscher Neonazis und hat schon oft beklagt, dass der niedersächsische Verfassungsschutz zu wenig gegen Rechtsextremismus tut. Prompt wurde sie von der Behörde ausspioniert. Immer neue Enthüllungen kommen jetzt ans Licht.
Für ihre Recherchen geht Andrea Röpke an Orte, wohin ihr kaum jemand folgen mag: Dorthin, wo sich unser Land von seiner hässlichen Seite zeigt: Die 48-jährige freie Journalistin und Buchautorin beobachtet Kundgebungen und Aufmärsche von Neonazis.

Anfang Juni etwa fällt ein bundesweit mobilisiertes Aufgebot aus ergrauten Veteranen und jugendlich geifernden Kameraden in der Autostadt Wolfsburg ein. Man zieht durch ein ödes Industriegebiet. Polizisten wachen längs des Weges. Bürger bekunden lautstark ihre Abscheu. In stumpfen Parolen tönt es aus der Formation zurück: Ein Deutschland nur für Deutsche soll es sein.

Andrea Röpke ist eine gefragte Expertin, wenn es um rechtsextreme Strukturen geht. Die gelernte Politologin schreibt seit bald 20 Jahren für Zeitungen über die braune Szene, dokumentiert Demonstrationen auch für das Fernsehen. Neonazis bedrohten sie mit einem Steckbrief im Internet, jagten ihr auf der Straße nach, drängten sie mit dem Auto ab.

Die Detailkenntnis der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Fachjournalistin ist auch bei offiziellen Stellen bekannt. Im Februar vorigen Jahres lässt Andrea Röpke über ihren Rechtsanwalt Sven Adam beim niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz nachfragen, ob möglicherweise Informationen über sie gespeichert worden seien. Den Verdacht, dass man vom Geheimdienst beobachtet werden könnte, hatte es im überschaubaren Netzwerk der Kollegen, die systematisch die Aktivitäten von Rechtsextremisten dokumentieren, schon länger gegeben. Doch ein Sachbearbeiter teilt Röpke damals schriftlich mit, es gäbe über sie keinerlei Unterlagen.

"Eine Panne"?
Das war - gelinde gesagt - die Unwahrheit. Am Strand der Insel Rügen sei sie spazieren gewesen, erzählt Röpke, als am Mittwoch vorvergangener Woche ihr Telefon klingelte. Am anderen Ende: Maren Brandenburger. Die neue Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes berichtet, dass bei einer hausinternen stichprobenartigen Untersuchung der neuen Behördenleitung tatsächlich Hinweise auf eine unzulässige Speicherung von personenbezogenen Daten entdeckt worden seien.

Andrea Röpke: "Sie hat mir gesagt, dass bei ihnen eine Panne passiert sei, dass sie mir eine falsche Auskunft gegeben hätten. Ich hatte 2012 über meinen Anwalt um eine Aktenauskunft beim Verfassungsschutz ersucht – und damals wurde mir mitgeteilt, es gäbe da keine Akte, ich sei gar nicht im Visier des Verfassungsschutzes in Niedersachsen gewesen. Und beim Anruf jetzt auf Rügen erzählte Frau Brandenburger mir, dass es sehr wohl Beobachtungen gegeben hätte – von 2006 bis 2012 – und das man dort auch Daten über mich gesammelt hätte."

Andrea Röpke erinnert sich an den ebenso höflichen wie bedauernden Tonfall, in dem ihr Niedersachsens oberste Verfassungsschützerin sodann eröffnet habe, das in Rede stehende Dossier sei noch im Zuge des Auskunftsersuchens und wiederum heimlich gelöscht worden. Was da eigentlich mit welcher Absicht gesammelt wurde, wird sich möglicherweise kaum noch rekonstruieren lassen. So kann der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam vorerst nur spekulieren, wie seine Mandantin ins Visier des Nachrichtendienstes geraten sein könnte. Er sieht sie über jeglichen Verdacht extremistischer Umtriebe erhaben.

Sven Adam: "Es bleibt tatsächlich nur eine logische Erklärung: Und zwar, dass Frau Röpke als Rechtsextremismus-Expertin dem Verfassungsschutz in dem ein oder anderen Punkt einen Schritt voraus war und mehr wusste als der Verfassungsschutz. Und insbesondere 2006, als diese Überwachung anscheinend begonnen hat, die Recherche über die 'Heimattreue Deutsche Jugend' vorangetrieben hat. Und damit dafür verantwortlich war, dass dieser rechtsextreme Verein verboten werden konnte. Ich vermute in der Tat, dass der Grund für diese Überwachung darin liegt, dass man Informationen von Frau Röpke abschöpfen wollte."

Wurde ihr überhaupt zielgerichtet nachgestellt oder lediglich vermerkt, wenn sie irgendwo auftauchte? Sollte gar Material gesammelt werden, mit dem Ziel, eine unliebsame Kritikerin mundtot zu machen? Auch solche Fragen geht die so Gelobte nach. Denn auch einen politischen Hintergrund mag Andrea Röpke nicht ausschließen.

Andrea Röpke stellte Strafanzeige
Als eine der Sachverständigen im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung des NSU-Skandals hat Röpke immer wieder ihren Unmut über die Methoden der Nachrichtendienste, insbesondere deren Umgang mit bezahlten Informanten aus der Szene zum Ausdruck gebracht. Kaum zu kontrollieren sei der Apparat aus 16 Landesämtern samt Bundesbehörde. Der Aufwand stünde in keinerlei Verhältnis zu den Ergebnissen, tadelte sie.

Andrea Röpke: "Gerade 2006, als dann diese Akte anscheinend über mich angelegt wurde, da habe ich zur 'Heimattreuen Deutschen Jugend' recherchiert. Und in Niedersachsen waren sehr viele Lager von denen. Es war empörend und ich fand es auch skandalös, dass der niedersächsische Verfassungsschutz in seinen Jahresberichten nicht einmal die 'Heimattreue Deutsche Jugend' erwähnt hat. Und das habe ich natürlich auch in Medien geäußert und auch in Vorträgen. Der Verfassungsschutz hat meines Erachtens einfach zu wenig gegen Rechts getan in Niedersachsen. Und umso empörter bin ich natürlich, dass die, anstatt aufzuklären über die Neonazis, dann tatsächlich uns im Visier hatten, als Journalisten, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen."

Andrea Röpke und ihr Anwalt dringen auf Offenlegung sämtlicher noch verfügbarer Daten und haben Strafanzeige gestellt. Denn bei der offenkundig gelöschten Akte habe es sich nach dem Auskunftsbegehren um ein Dokument gehandelt, über das der Verfassungsschutz nicht mehr frei verfügen durfte.

Sven Adam: "Die Strafanzeige geht in Richtung der Staatsanwaltschaft Hannover, wo derzeit ermittelt wird, wegen Verdachts der Urkundenunterdrückung. Also, der Frage, wie weit die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes an dem Tag als diese Akte offensichtlich gelöscht worden ist, diese überhaupt hätten löschen dürfen, weil ja vorher schon unser Auskunftsersuchen da war. Wir hatten vorher schon angefragt, doch mal bitte mitzuteilen, was an personenbezogenen Daten dort gespeichert ist. Und offensichtlich haben die, nachdem sie diese Anfrage bekommen haben, kalte Füße gekriegt und haben das gelöscht und mir mitgeteilt, es gäbe nichts. Das ist natürlich ein Vertuschungsversuch, der auch möglicherweise strafbar ist und geahndet werden muss."

Mindestens sechs weitere Reporter beobachtet
Gleich im Anschluss an das Telefonat mit Röpke hatten Maren Brandenburger und Landesinnenminister Boris Pistorius von der SPD auf einer Pressekonferenz enthüllt, dass die Dossiers von mindestens sechs weiteren Reportern entdeckt worden seien. Auch diese Daten hätten in den Karteien des Dienstes gar nicht gespeichert werden dürfen, weil es für die Betroffenen keinen anderen Bezug zu Extremisten als den rein dienstlichen gegeben habe. Doch die Verfassungsschutzpräsidentin versichert auch:

Maren Brandenburger: "Wir stehen am Anfang der Aufklärung und der Untersuchung über diese Vorgänge. Eine Struktur ist da nicht erkennbar. Wir müssen das erst mal in Ruhe aufklären. Grundsätzlich gilt aber auch, es sind nicht Journalisten gezielt vom Verfassungsschutz beobachtet worden, und schon mal nicht in ihrer Eigenschaft als Journalist. Sondern es war eine Erhebung und Speicherung von Daten aufgrund verschiedener Erkenntnisse, dass der eine oder andere bei Veranstaltungen von extremistischen Organisationen dabei war oder sich da in dem Umfeld bewegt hat. Aber, um es noch mal ganz deutlich zu machen: Journalisten stehen nicht aufgrund ihrer Eigenschaft als Journalist im Fokus des Verfassungsschutzes."

Eine Aussage, die sich möglicherweise kaum mehr überprüfen lässt. Denn Brandenburger ließ viele der bislang beanstandeten Vorgänge löschen. Sie beruft sich dabei auf die einschlägigen Vorschriften im Verfassungsschutzgesetz des Landes.

"Wir haben in den zurückliegenden Monaten – und das hat der Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsens uns jetzt auch bestätigt – löschen müssen! In dem Moment, wo Informationen zu Unrecht erhoben und gespeichert werden, sind wir laut Gesetz verpflichtet gewesen, diese Daten zu löschen. Das ist so, das schreibt das Gesetz so vor. Es ist jetzt eine andere Situation, in der wir uns befinden. Wir haben durch das enorme öffentliche Interesse an dieser Fehlentwicklung eine Situation, wo auch der Landesdatenschutzbeauftragte davon ausgeht, dass aufgrund dieser besonderen Situation ein besonderes schutzwürdiges Interesse der Personen da ist, die möglicherweise zu Unrecht gespeichert wurden."

Der Dienst soll sich erneuern - im Geheimen
Die wohl bekannteste Affäre in der an Skandalen reichen Geschichte des niedersächsischen Verfassungsschutzes ist das so genannte "Celler Loch". 1978 wurde beim augenscheinlichen Versuch, den dort einsitzenden RAF-Terroristen Sigurd Debus zu befreien, ein klaffendes Loch in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt in Celle gesprengt. Jahre später kam ans Licht, dass die Geheimen hinter der Aktion steckten. Der Verfassungsschutz hatte damit versucht, einen Mitarbeiter in das engere Umfeld der RAF einzuschleusen. 1988 sickerte durch, dass offenbar auch Journalisten auf der Gehaltsliste der Behörde standen. Der Staat als Auftraggeber willfähriger Zuträger, die aus ihren Redaktionen berichteten und womöglich vertrauliche Informationen ausplauderten?

Gemessen daran fallen die Vorwürfe, über die in diesen Tagen im Lande gestritten wird, kaum ins Gewicht. Dass die Vorfälle überhaupt aufgedeckt wurden, liegt daran, dass der Dienst sich erneuern soll. Die neue rot-grüne Landesregierung ist mit dem erklärten Vorsatz angetreten, mehr Transparenz zu wagen. Eine Kommission soll neue Richtlinien für die Geheimen ausarbeiten. Innenminister Boris Pistorius, erst seit Februar im Amt, löste nach dem Machtwechsel Hans-Werner Wargel, den langjährigen Chef des Verfassungsschutzes, ab und übertrug Maren Brandenburger die Leitung der ihm unterstellten Behörde. Die gelernte Politologin hatte für Wargel die Öffentlichkeitsarbeit erledigt, nun gibt sie sich als Aufklärerin, die im Haus für Ordnung sorgt.

"Wir werden jetzt die Details aufzuklären haben, wir werden schauen müssen, wie ist es zu diesem fehlerhaften Speicherverhalten gekommen, welche Beweggründe lagen dem zugrunde? Und wir werden vor allen Dingen, und das ist wirklich mein Hauptanliegen in dieser ganzen Aufklärung, wir werden uns die Struktur, die Organisation, die Abläufe im Hause anzuschauen haben und müssen selbstverständlich Rückschlüsse ziehen. Wir werden schauen, dass es eben nicht einem Einzelnen obliegt, zu entscheiden, wie tief die Beteiligung in der extremistischen Szene ist, ob es nicht auch andere Gründe geben könnte, die eben belegen, das ist nicht extremistisch, sondern wir müssen uns jetzt die Entscheidungsabläufe anschauen, die Organisation des Hauses stärker anschauen, die Struktur. Wir haben es hier ja nicht mit Fehlern einzelner Personen nur zu tun, sondern es scheint ein Organisationsfehler vorzuliegen, ein Organisationsversagen, und darum muss es jetzt gehen, daraus sofort Rückschlüsse zu ziehen und sofort Veränderungen einzuführen."

Delikat: Auch Sven Adam hat vor wenigen Tagen ein Auskunftsersuchen in eigener Sache gestellt. Denn der Göttinger Rechtsanwalt, der nicht nur zwei der betroffenen Journalisten, sondern als Spezialist für Versammlungsrecht oft auch Mandanten aus der linken Szene vertritt, wird nach NDR-Informationen selbst vom Verfassungsschutz, konkret der Abteilung für Linksextremismus, beobachtet.

Empörung und Bestürzung
Anwälte zählen wie Journalisten zur verfassungsrechtlich besonders geschützten Gruppe der Berufsgeheimnisträger. Niedersachsens Verfassungsschutz hat jedoch mehrfach betont, dass der Beruf generell nicht davor schütze, in die Dateien des Nachrichtendienstes zu geraten, wenn es entsprechende Hinweise auf eine extremistische Betätigung gebe. Zu konkreten Einzelfällen aber könne sich die Behörde nicht äußern. Vom NDR mit den Enthüllungen konfrontiert, beteuert Sven Adam, er habe sich keine verfassungsfeindlichen Aussagen zu Schulden kommen lassen.

Sven Adam: "Ich kenne das Ausmaß noch nicht, ich bin bestürzt, ich bin empört. Ich bin sehr aktiv im versammlungsrechtlichen Bereich. Ich gebe da auch Fortbildungen in diesem Bereich. Da bleibt es nicht auf, dass ich mich auch in der Nähe von Versammlungen aufhalte. Ich bin im Rahmen von den größeren Castor-Einsätzen auch vor Ort gewesen, habe dort Mandanten vertreten. Auch im Rahmen von Protesten gegen rechtsextreme Aufmärsche."

Zuvor war bereits ans Licht gekommen, dass der niedersächsische Verfassungsschutz offenbar auch die Mitarbeiterin einer grünen Landtagsabgeordneten ins Visier genommen hatte. Noch ist völlig unklar, wer die Speicherung angeordnet oder auch nur geduldet haben könnte. Doch Helge Limburg ist sich längst sicher, dass zahlreiche Mitstreiter rechtswidrig vom Verfassungsschutz des Landes als Extremisten eingestuft und beobachtet worden sind. Der Innenexperte der grünen Landtagsfraktion in Hannover sieht den früheren Innenminister des Landes, Uwe Schünemann von der CDU, in der Verantwortung – und fordert eine Entschuldigung.

Helge Limburg: "Es handelt sich jeweils um Personen, die im politisch linken Spektrum aktiv waren, die zum Beispiel im Bereich Anti-Atom-Politik aktiv waren, die gegen Nazis aktiv waren, die gegen Gentrifizierung aktiv waren. Und es handelt sich jeweils um ausgewiesene Kritiker der Regierungspolitik zu Zeiten von Uwe Schünemann. Ich bin häufig auf den gleichen Veranstaltungen, auf den gleichen Demonstrationen, wie diese Personen, deshalb bin ich mir sehr sicher, dass das Label verfassungsfeindlich hier in keinem Fall zutrifft."

Es liegt in der Natur der Geheimen und ihrer Recherchen im Verborgenen, dass sie sich hervorragend zum Streiten eignen. Sozialdemokraten und Grüne äußern kaum verblümt den Verdacht, die schwarz-gelbe Vorgängerregierung habe den Dienst zu politischen Zwecken instrumentalisiert.

Boris Pistorius: "Ich bin – muss ich Ihnen ehrlich sagen - fast sprachlos über das Vorgehen in der Behörde. Und muss wirklich konstatieren, dass ich entsetzt bin über den Zustand, in dem die alte Landesregierung uns diese Behörde hinterlassen hat."

Kommentiert Landesinnenminister Pistorius die immer neuen Enthüllungen. Und kritisiert damit indirekt seinen Vorgänger Schünemann, der bis Januar 2013 im Amt war.

Futter für die Opposition in Niedersachsen
CDU und FDP gehen ihrerseits in die Offensive: In der Person der neuen Verfassungsschutz-Präsidentin meinen, sie den Skandal im Skandal gefunden zu haben. Die Anweisung zur Löschung zweifelhafter Datensätze angeblich über den Einspruch von Referatsleitern hinweg, sei eine dilettantische Eigenmächtigkeit gewesen, wettert die Opposition. Denn nun sei womöglich nicht mehr feststellbar, ob die Daten nicht vielleicht doch zu Recht festgehalten worden waren.

Rot-Grün habe den Skandal aufgebauscht, um das politische Comeback des als Hardliner verhassten Ex-Innenministers zu verhindern. Schünemann, der jegliche Kenntnis von der Datenspeicherung weit von sich weist, war am Sonntag als Landratskandidat bei der Stichwahl in Hameln-Pyrmont dem SPD-Favoriten Tjark Bartels deutlich unterlegen. Sein Nachfolger Pistorius hat nun eine so genannte "Taskforce" eingesetzt, die sämtliche rund 9000 personenbezogenen Datensätze im Archiv des Verfassungsschutzes zügig überprüfen soll.

Das Gremium soll auch klären, wer eigentlich im Landesamt mit seinen rund 280 Mitarbeitern davon wusste, was wann gespeichert werden sollte oder gelöscht werden musste. Gleichzeitig wurden Mitarbeiter der Behörde versetzt. Der Vize-Präsident und Leiter des Referats für Linksextremismus wird in eine andere Abteilung versetzt und zukünftig außerhalb des Verfassungsschutzes arbeiten. Und auch der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit ist ab jetzt für das Sozialministerium tätig. Signale für den Neuanfang, so verlautet es aus dem Innenministerium.

In der Tat muss irgendjemand beim Niedersächsischen Verfassungsschutz die Weisung erteilt haben – und das nicht zum ersten Mal: Bereits vor zwei Jahren hatte Kai Budler, Hörfunkjournalist in Göttingen und freier Fachjournalist im Bereich Rechtsextremismus, mit Hilfe seines Anwalts Sven Adam in Erfahrung gebracht, dass der niedersächsische Verfassungsschutz eine Akte über ihn geführt hatte, diese in der Folge des Auskunftsersuchens jedoch unwiderruflich gelöscht worden sei. Wurde er als Gehilfe abgeschöpft oder als Gegner verfolgt? Drüber ist sich Kai Budler bis heute im Unklaren. Das Verhältnis zu den Sicherheitsbehörden sei schon immer kompliziert gewesen:

Kai Budler: "Wir kennen das alle, diejenigen, die sich in dem Themenfeld bewegen und arbeiten: Man wird teilweise über alle Maße behindert, sich frei zu bewegen. Man wird teilweise in der Arbeit mit Platzverweisen belegt. Am schlimmsten ist es, wenn man bei Neonazi-Treffen ist, von der Polizei angegangen wird - und das vor den Augen der Neonazis. Was für sie wiederum eine Art Bestätigung ist. Da wird die vermeintlich die Journaille von der Polizei abgeräumt, während die Neonazis vor Ort bleiben können. Ich glaube diese Behörden haben ein Problem mit der Aufklärungsarbeit, wenn sie nicht von ihnen kommt."

Beide Varianten seien für die Arbeit des investigativen Journalisten fatal, sagt Kai Budler. Informanten würden es sich dreimal überlegen, den Kontakt mit ihm aufzunehmen, weil sie befürchten müssten, dass Informationen, die man austauscht, nicht mehr vertraulich blieben.

Kai Budler: "Ich weiß nicht, wie das in den Jahren, in den ich beobachtet worden bin - ich weiß nicht ob ich es jetzt noch werde - mit Telefon-Abhören gewesen ist. Ich weiß nicht, wie das mit sogenannten Spitzeln oder V-Leuten gewesen ist. Das ist mir alles völlig unklar. Und deshalb bleibt natürlich die Unwägbarkeit zu sagen: Was ist in dieser Zeit passiert? Was passiert heute eigentlich? Welche Informationen behalte ich für mich, wenn ich telefoniere? Und das geht natürlich auch in den privaten Bereich: Wer möchte, dass eine Behörde wie der Verfassungsschutz ganz private Gespräche mitkriegt, die man am Telefon führt?"
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