Verfassungsreferendum in Italien

Achselzucken am Schicksalstag

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi während der "Si"-Kampagne für ein weitreichendes Verfassungsreferendum.
Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wirbt für das Verfassungsreferendum. Nach Umfragen liegen Befürworter und Gegner nahezu gleichauf. © imago/ZUMA Press
Von Jan-Christoph Kitzler · 04.12.2016
In Italien stimmen die Bürger heute über eine weitreichende Verfassungsreform ab. Viele Zeitungen sprechen von einem Schicksalstag für Italien. Korrespondent Jan-Christoph Kitzler über das Achselzucken vieler Wähler und die Folgen eines Scheiterns der Reform für das Land.
Die Abstimmung für das Referendum in Italien läuft. Insgesamt fast 51 Millionen Italiener sind zur Wahl aufgerufen. Sie entscheiden über die größte Verfassungsreform der Nachkriegsgeschichte. 46 Artikel der italienischen Verfassung sollen umgeschrieben werden.
Ziel der Reform ist es, politische Entscheidungen zu beschleunigen, das Land regierbarer und reformierbarer zu machen. Weil dafür aber unter anderem die Befugnisse der zweiten Kammer des Parlaments, des Senats, stark eingeschränkt werden, befürchten Gegner der Reform einen Abbau von Demokratie.

Zuletzt redete Renzi nicht mehr von Rücktritt

Folgt das politische Chaos, wenn die Reform scheitert? Italiens Premierminister Matteo Renzi hatte mehrfach gesagt, er werde zurücktreten, wenn die Reform scheitert. "Ich bin mal gespannt, es wirklich so weit kommt. Davon war zuletzt nicht mehr die Rede", so Italien-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler. Aber natürlich würde er in seinem Amt als Regierungschef geschwächt.
"Auf der anderen Seite ist das ein politischer Zustand, an den Italien gewöhnt ist. Man hat 63 Regierungen nach dem Krieg gehabt. Es gab auch immer wieder Übergangsregierungen. Das Wahrscheinlichste Szenario, wenn Matteo Renzi zurücktritt, ist meiner Meinung nach eine Technokraten-Regierung, die dann die Amtsgeschäfte führt, bis im Frühjahr 2018 ohnehin gewählt werden muss."

Gerät die Bankenrettung in Gefahr?

Viele Zeitungen sprechen von einem Schicksalstag für Italien. Es gebe auch eindeutige Wahlempfehlungen in vielen Blättern, so Kitzler. Nur auf der Titelseite der römischen Zeitung "Il Tempo" gebe es neben dem "SI" und "NO" ein angekreuztes "BOH", also der Laut, den Italiener beim Achselzucken machen.
"Viele Italiener werden mit einem ziemlichen Achselzucken heute auch an die Wahlurne gehen", vermutet Kitzler. Das sei ziemlich gut getroffen.
Ein Nein zur Verfassungsreform könnte erhebliche Folgen für die Wirtschaftslage Italiens haben. Und dann gebe es auch noch das Thema der Bankenrettung.
"Also wenn das in Gefahr gerät, dann sind die Folgen noch gar nicht absehbar."
Die Entscheidung ist bindend, egal wie viele Italiener zur Wahl gehen. Der Ausgang ist völlig offen: Umfragen zufolge hatte das Lager der Gegner lange vorn gelegen, zuletzt konnten die Befürworter aber offenbar Boden gutmachen. Mit einer Entscheidung wird am frühen Montagmorgen gerechnet.
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