UN-Bericht

Starkes Wachstum, gutes Klima

Blick auf den East River mit Manhattan im Hintergrund, aufgenommen vom Ufer in Williamsburg, Brooklyn, New York am 22.06.2014
Der UN-Klima Gipfel in New York soll neuen Schwung in die Verhandlungen bringen © picture alliance / dpa / Alexandra Schuler
Moderation: Dieter Kassel · 23.09.2014
Müssen wir auf Wachstum verzichten, um einen Klimakollaps zu verhindern? Die Frage stellt sich anlässlich des beginnenden Weltklimagipfels in New York. Finanzexperte Caio Koch-Weser hat ein UN-Papier zum Thema mitverfasst - und gibt sich optimistisch.
Dieter Kassel: In sechs Stunden und 23 Minuten beginnt der Weltklimagipfel in New York. Ein Gipfel – ich habe es gerade erwähnt –, bei dem gar nicht vorgesehen ist, dass es am Ende große Beschlüsse gibt. Aber er soll dafür sorgen, dass es dann im Dezember beim nächsten regulären Weltklimagipfel solche Beschlüsse geben kann. Und diesem Zweck soll unter anderem auch ein Papier dienen, das Ban Ki Moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen bei insgesamt 60 Experten in Auftrag gegeben hat, ein Papier, das nachweisen soll, dass die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes nicht unbedingt ein Ende des wirtschaftlichen Wachstums bedeuten muss.
Einer der Experten, die dieses Papier verfasst haben, ist Caio Koch-Weser, er ist Aufsichtsratsvorsitzender der European Climate Foundation und Mitglied der Global Commission on the Economy and Climate. Er ist jetzt schon in New York, deswegen habe ich vor der Sendung mit ihm gesprochen und ihn gefragt, ob er denn, wenn zum Beispiel der Vertreter eines Entwicklungslandes vor ihm steht und sagt, er könne einer Vereinbarung über deutliche CO2-Reduktion nicht zustimmen, weil die das Wirtschaftswachstum in seinem Land behindern würden, ob er ihm dann wirklich glaubhaft sagen kann, dass diese Annahme falsch ist?
Caio Koch-Weser: Die Kernbotschaft des Berichtes ist in der Tat: Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind miteinander vereinbar. Und wenn richtig angegangen, können sie sich auch gegenseitig verstärken, und das bereits in den nächsten 15 Jahren. In den Entwicklungsländern geht es natürlich dann auch vor allen Dingen darum, dass man diese Transformationsprozesse unterstützt, indem man in großem Umfang die Kapitalzuströme für solche Projekte, für solche Länder erhöht.
Die Frage ist dann natürlich, was sind denn die Hebel hierfür? Und hier nur ganz kurz: Einmal die richtigen Anreize für Innovationen – gibt es ja zum Teil schon –, die richtigen Anreize für Ressourceneffizienz. Das heißt zum Beispiel auch, dass die richtigen Subventionen erteilt werden und nicht die falschen. Wir sagen in dem Bericht, dass in den nächsten 15 Jahren 90 Billionen Dollar weltweit in Infrastruktur investiert wird. Wenn man diese Investition mit den richtigen Anreizen nachhaltig macht, sind wir auf dem Weg schon sehr viel weiter. Und das Dritte, was ich immer wieder Regierungen auch sage: verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die sich nicht ändern, damit die langfristigen Unternehmensentscheidungen zum Beispiel von einem CO2-Preis gesteuert werden, der stark, verlässlich und voraussehbar ist.
Anreize für Ressourceneffizienz schaffen
Kassel: Sie haben gerade so ganz nebenher gesagt: Das sage ich immer wieder, unter anderem auch Regierungsvertretern, wenn ich mit denen rede. Das sind ja alles keine brandneuen Erkenntnisse, es gab – 2006 war das, ich glaube, im Oktober, also vor rund acht Jahren – ja schon mal den sogenannten Stern-Report, damals im Auftrag der britischen Regierung, der – ich glaube, da können Sie mir zustimmen – ungefähr das Gleiche tun sollte wie Sie und Ihre Kollegen diesmal. Und das hat er ja auch gemacht, er hat ja damals im Grunde genommen schon gesagt: Wirtschaftswachstum und CO2-Reduzierung sind machbar, sind vereinbar. Mein Gefühl ist: Das hat dann aber damals nichts verändert, oder?
Koch-Weser: Es hat damals wenig verändert, das Debakel von Kopenhagen folgte ja. Aber es war nicht die gleiche Aussage. Ich glaube, hier hat sich das Denken und die Erfahrung sehr weiterentwickelt, weil wir gelernt haben – nehmen wir mal die erneuerbaren Energien –, wie konkurrenzfähig die heute in vielen Ländern der Welt sind mit fossilen Energieträgern, aufgrund der gewaltigen Kostenreduktion für Fotovoltaik vor allen Dingen und für Onshore-Wind. Nehmen wir die Erfahrung der Energieeffizienz auch in Amerika, in Kalifornien, wie weit man hier gekommen ist, wie weit man Energie einsparen kann. Nehmen wir den Finanzierungssektor, die Finanzen, mit denen ich vertraut bin, wie Modalitäten entwickelt wurden mit Risk Sharing, Risikoverteilung auf verschiedene Finanziers. Es gibt auch jetzt sehr viele Unternehmen, die sozusagen einen Plan B in der Schublade haben, die haben durchaus durchdacht, was künftige Klimapolitik, was künftige Risiken beinhalten für ihre langfristigen Investitionen und den Erhalt des Wertes für diese Investitionen. Aber da die Verlässlichkeit des wirtschaftspolitischen Rahmens nicht gegeben ist, sind viele dieser Unternehmen immer noch sehr auf dem Pfad A. Also letztlich business as usual, so weitermachen wie gehabt. Und deswegen ist es so wichtig, verlässliche, langfristige Rahmenbedingungen zu setzen.
Kassel: Das ist natürlich, wenn überhaupt, nur zu einem kleinen Teil die Aufgabe von Klimakonferenzen, das müssen ja Regierungen auch international, aber auch auf nationaler Ebene tun. Machen wir es doch mal konkret: Was erwarten Sie denn diesbezüglich oder verlangen vielleicht sogar von der Bundesregierung?
Koch-Weser: Bundesregierung ist Vorreiter beim Klimaschutz
Koch-Weser: Ja, einmal dass die Bundesregierung aufgrund der im Ganzen ja ganz beachtlichen Fortschritte, die wir in diesem Lande gemacht haben, durchaus ein Vorreiter in der Welt ist. Wir haben unsere Probleme mit der Energiewende, das ist klar, hier sind Korrekturen erforderlich, aber wir sind auf dem Weg und da schließe ich auch viele andere Länder in Europa ein, durchaus voraus. Also diese Vorreiterrolle beizubehalten, auch durch den Oktobergipfel in Brüssel. Das Paket 2030 – 40 Prozent Reduktion von CO2 bis 2030, Energieeffizienz – durchzubringen, ist eine ganz wichtige Aufgabe, wo die Bundesregierung mit anderen zusammen führend sein kann.
Und bei dem Klimagipfel: Es wird sicher kein Top-down-Abkommen geben, wie man noch vor Kopenhagen dachte, dass man sozusagen die Quoten international verteilt, sondern es wird mehr ein Bottom-up-Prozess sein, wo man aufbaut auf den Selbstverpflichtungen dieser Länder, sie dann aber fordert, diese auf der Zeitschiene zu verbessern. Und dass einige Länder vorausgehen, um ein gutes Beispiel zu setzen, und dass man das Ganze natürlich auch strikt überwacht.
Kassel: Das kennen Sie ja auch aus Ihrer jahrelangen Arbeit: Es wird viel verhandelt, viel konferiert, ...
Koch-Weser: Richtig.
Kassel: Das große Ziel, das notwendige Ziel aus Sicht von Wissenschaftlern ist und bleibt, dafür zu sorgen, dass die Klimaerwärmung zwei Grad nicht übersteigt. Halten Sie das tatsächlich noch für realistisch?
Koch-Weser: Tja, das ist eine schwierige Antwort. Es ist möglich. Ob es bei dem jetzigen politischen Umfeld noch möglich ist – denn das Zeitfenster schließt sich ja in den nächsten zehn, 15 Jahren –, habe ich Zweifel. Aber dass wir es auf nahezu zwei Grad Celsius begrenzen und es nicht am Ende nachher vier und mehr Grad sind, macht einen ganz gewaltigen Unterschied.
Kassel: Caio Koch-Weser, Aufsichtsratsvorsitzender der European Climate Foundation, eines der Mitglieder der Expertengruppe, die das Papier "Better Growth, Better Climate" im Auftrag des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon zusammengestellt hat. Herr Koch-Weser, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Koch-Weser: Ich danke Ihnen, Herr Kassel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema