Verbrauchertäuschung bei Toilettenpapier

"Mehr Luft im Hohlraum der Röhre"

Nahaufnahme einer leeren Toilettenpapierrolle in einem Hotel
Toilettenpapierrollen sind in den USA heute oft dünner als früher und deshalb schneller aufgebraucht. © picture alliance / Andreas Keuchel
Von Martin Ganslmeier · 02.04.2015
Handtrockner, Stoffhandtücher, kaum noch Papierservietten in Restaurants - die Papierindustrie in den USA erlebt Einbußen. Die versucht sie durch heimliche Einsparungen bei krisenfesten Produkten wieder einzufahren, zum Beispiel beim Klopapier.
Zunächst waren es nur einige aufmerksame Verbraucher, die sich in Internet-Foren und in den sozialen Medien beklagten. So wie William Mount, der seine eben im Supermarkt erworbene Klopapierrolle neben eine ältere der gleichen Marke stellte: "Schaut Euch das an: Unser Toilettenpapier ist geschrumpft. Das ist empörend!"
Donna Can hat sogar nachgemessen und festgestellt: Die neuen Rollen sind fast zwei Zentimeter kleiner!
Längst haben auch die US-Medien das Thema aufgegriffen. Ein dreister Fall von Verbrauchertäuschung, meint der Papier- und Holzexperte Steven Chercover im Radiosender NPR. Anfangs habe er seiner Frau vorgeworfen, dass die Klopapierrollen immer so schnell verbraucht sind. Aber dann habe er eine neue und eine ältere Rolle verglichen. Und siehe da:
"Das ist eine versteckte Preiserhöhung! Sie haben zwar den Preis nicht verändert, aber Du bekommst weniger für Dein Geld. Und damit nicht auffällt, dass die normale Rolle jetzt kleiner ist, verkaufen sie zwei Rollen im Doppelpack."
"Mehr Luft im Hohlraum der Röhre"
Der Marktführer Charmin hat das Schrumpfen seiner Klopapierrollen mittlerweile zugegeben. War das typische Blatt Toilettenpapier früher 12 Zentimeter mal 12 Zentimeter groß, sind es jetzt nur noch 10 mal 12 Zentimeter. Ein anderer Hersteller hat sogar auf 8 mal 10 Zentimeter verkleinert. Und noch etwas hat Fachmann Steven Chercover entdeckt: die Pappröhre in der Mitte der Rolle ist größer geworden, es gibt jetzt also "mehr Luft im Hohlraum der Röhre".
Alles in allem bekomme der amerikanische Kunde heute für das gleiche Geld 20 Prozent weniger Klopapier als noch vor einem halben Jahr. Dafür sei die Papierqualität besser geworden, rechtfertigt sich Marktführer Charmin. Wenig glaubwürdig, findet das Steven Chercover. Die wahre Ursache liege woanders. Die Hersteller versuchten damit erhebliche Absatzrückgänge bei anderen Papierprodukten wettzumachen:
"In Einkaufszentren oder Bürogebäuden überwiegen heute Handtrockner oder Stoffhandtücher, und in Restaurants gibt es kaum mehr Papier-Servietten."
Allein bei Papierservietten ist der Absatz in den vergangenen fünf Jahren um sieben Prozent eingebrochen. Was gut für die Wälder ist, macht der Papierindustrie Sorgen. Und deshalb haben wohl einige Hersteller versucht, diese Verluste bei krisenfesteren Produkten auszugleichen. Denn anders als auf Papierservietten und Papier-Handtücher möchte kein Amerikaner auf sein Toilettenpapier verzichten.
Mehr zum Thema