Verbraucherschützer: Sinkende Strompreise durch Atomausstieg

Aribert Peters im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 18.05.2011
Durch den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien werden für den Verbraucher die Energiepreise langfristig sinken, glaubt der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters.
Jörg Degenhardt: Stellen Sie sich vor: Deutschland macht die Energiewende, und die Strompreise – sie fallen, trotz des Ausstiegs aus der Atomenergie. Das ist erst mal natürlich reines Wunschdenken, denn wahrscheinlich werden wir künftig mehr bezahlen müssen – noch mehr – für das, was aus der Steckdose kommt, so, wie das die letzten Jahre ohnehin schon der Fall war. Die Bundesregierung will nicht nur den Atomausstieg wahrscheinlich eher später als früher nach dem gestrigen Stresstestbericht, sie will aber auch die Strompreise genau im Blick behalten. Die Preise müssen sozial bleiben für die Verbraucher und wettbewerbsfähig für die Industrie, sagt etwa Herr Röttgen, der Bundesumweltminister. Die Preise und die Regierung wird Dr. Aribert Peters genau im Blick behalten, er ist Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Peters!

Aribert Peters: Guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Wie teuer kommt der Ausstieg aus der Atomenergie, wie teuer kommt die damit verbundene Energiewende den Verbraucher? Haben Sie das schon mal durchgerechnet?

Peters: Nein, also die Strompreise sind in den letzten Jahren gestiegen, weil die Gewinne einfach der Konzerne gestiegen sind, und die wirtschaftlichen Vorteile der Kernenergie, die haben ja die Konzerne für sich eingestrichen. Also ich denke, die Preise für die fossilen Energien und die der Atomenergie, die steigen ja in Zukunft. Wenn wir also auf Erneuerbare umsteigen möglichst schnell, dann kommt uns das als Verbraucher vor allen Dingen billiger. Wir haben zwar jetzt so eine Phase, wo es etwas teurer wird, aber dann haben wir gewaltige Kostenersparnisse durch den Ausstieg, durch den Abschied von der Atomenergie und auch von fossilen Energien.

Degenhardt: Welche Erklärung gibt es dafür?

Peters: Ja, die Stromkonzerne konnten die Strompreise so hoch setzen, weil die auch ein Monopol auf dem Erzeugungsmarkt haben. Das war auch eben vor allen Dingen bedingt durch die Atomenergie, die sozusagen andere Kraftwerke unwirtschaftlich gemacht hat. Wenn jetzt die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, dann können andere Kraftwerke entstehen, dann bricht das Monopol auf dem Erzeugermarkt zusammen, und dort gibt es auch dann mehr Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt, was auch den Verbrauchern dann zugutekommt, und die Strompreise können dadurch nach unten gehen.

Degenhardt: War das bisher das Handicap des deutschen Strommarktes, dass der praktisch unter den vier Großen aufgeteilt war?

Peters: Richtig, trotzdem wir als Verbraucher natürlich den Anbieter wechseln konnten – auf den Stromhandelsgroßmärkten hatten die vier Großen das Sagen durch die Atomkraftwerke, und das wird sich eben jetzt ändern. Deshalb müssen die Strompreise nicht unbedingt steigen durch den Ausstieg. Die Atomkonzerne wollen natürlich die Verbraucher hier als Geiseln nehmen, wollen den Verbrauchern Angst machen, dass der Ausstieg sie teuer zu stehen kommt. Das entspricht aber nicht den Tatsachen.

Degenhardt: Dann machen Sie uns doch ein bisschen mehr Hoffnung: Wenn jetzt also die Macht der vier Großen gebrochen wird, dann könnten sich die Strompreise also in der Tat nach unten bewegen? Das wäre ja erst mal etwas ganz Neues, verglichen mit den Strompreiserhöhungen der letzten Jahre.

Peters: Wir hatten ja in den vergangenen Jahren Jahr für Jahr Strompreissteigerungen, ohne dass es dafür irgendeinen vernünftigen Grund gab. Die Gewinne der Konzerne haben sich vervierfacht, es sind gigantische Mengen von Gewinnen eingefahren worden, die wesentlich höher waren als das, was wir in erneuerbare Energien investiert haben. Und genau um diese überhöhten Gewinne geht es, um die fürchten jetzt die Konzerne, und damit ist jetzt natürlich auch durch den Ausstieg Schluss.

Degenhardt: Sie haben die erneuerbaren Energien angesprochen. Wenn deren Anteil sich erhöht insgesamt am Energiepaket – das muss nicht automatisch bedeuten, dass dann doch die Preise steigen?

Peters: Nein. Die erneuerbaren Energien – jetzt nicht nur im Strombereich, sondern auch im Wärmebereich – werden dazu führen, dass wir unabhängig werden auch von dem Import fossiler Energien, und die Gefahr geht ja nicht nur von der Atomenergie aus, sondern auch von der Verknappung der fossilen Energien insgesamt. Sie haben ja 75 Prozent Import fossiler Energien, und das kann natürlich auf Dauer nicht so weitergehen. Wenn wir also möglichst schnell von fossilen Energien uns verabschieden, dann verabschieden wir uns auch von dem damit verbundenen Preisrisiko. Und das wird in den kommenden Jahrzehnten zu gigantischen Einsparungen führen, Geld, was wir ansonsten eben für überteuerte fossile Energien ausgeben müssten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir begreifen, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir die Energiewende brauchen, und zwar bezüglich Atomenergie, aber bezüglich auch dem Ausstieg aus fossilen Energien.

Degenhardt: Wir brauchen die Energiewende, das heißt aber auch, wir müssen uns um die Energiepreise, um die Strompreise – wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Peters – gar keine Sorgen machen?

Peters: Wir müssen schon auf die Strompreise natürlich achten, wir müssen sie im Auge behalten. Verbraucher können zum Beispiel den Stromanbieter natürlich auch wechseln, das ist die alte Geschichte, dass der Strommarkt natürlich auch daran – und der Gasmarkt – krankt, dass der Verbraucher ihre Wechselmöglichkeiten, ihre Freiheit zu wenig gebrauchen. Also wenn mehr Verbraucher umsteigen, dann kommt auch der Markt stärker in Gang, und dann sinken natürlich auch die Preise. Aber natürlich: Der Umstieg aus den fossilen Energien raus in erneuerbare Energien ist natürlich ein Unternehmen, was kostspielig ist und was auch Verbraucher belastet. Da können wir natürlich die Augen nicht davor verschließen. Aber diese Aufgabe, die steht vor uns, und vor der können wir gar nicht ausweichen.

Degenhardt: In welchem Maße haben denn die Verbraucher von ihrer Möglichkeit bisher Gebrauch gemacht, eben den Anbieter zu wechseln, den Energieanbieter?

Peters: Also wir wissen, dass nur 10 Prozent aus dem Strombereich überhaupt den Anbieter gewechselt haben, und das ist natürlich beschämend wenig, wenn man bedenkt, dass man bei dem Wechsel eben doch erheblich Geld sparen kann.

Degenhardt: Woran liegt das?

Peters: Die Verbraucher haben Angst, die Verbraucher wissen nicht, wie es geht, und die Verbraucher wissen auch nicht richtig, wie es geht, also hier ist Aufklärung angesagt, hier ist mehr Mut angebracht, aber hier ist eben auch angebracht, dass zum Beispiel es eine Schiedsstelle entsteht, die die Verbraucherrechte stärker im Auge halt. Da gibt es jetzt gesetzliche Regelungen vonseiten der EU, dass auch derjenige, der eben mit dem Versorger Ärger hat, nicht vor Gericht gehen muss, sondern über eine Schiedsstelle die Möglichkeit hat, sein Recht zu bekommen.

Degenhardt: Herr Peters, aus Ihrer Sicht: Haben die Parteien in Berlin verstanden, dass die Energiewende sozial verantwortlich gestaltet werden muss und dass es nicht nur darum gehen kann, die energieintensive Industrie zu schonen?

Peters: Ich glaube, diese Botschaft ist in Berlin angekommen, allerdings müssen wir als Verbraucher eben auch begreifen, dass damit gewaltige Aufgaben, auch Verhaltensänderungen verbunden sind, denn wir können natürlich nicht so weiterleben und gleichzeitig auf fossile Energien verzichten. Das geht nicht. Der Verzicht auf fossile Energien wird einen tiefgreifenden Wandel für uns alle bedeuten. Aber der ist unausweichlich aus meiner Sicht.

Degenhardt: Sagt Dr. Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, zur Energiewende und den Kosten, die auf uns, die Verbraucher, zukommen könnten.
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