Verborgene Spuren

Von Peter Kaiser · 23.10.2009
Osnabrück würdigte den Sohn ihrer Stadt, den jüdischen Maler Felix Nussbaum, 1998 mit einem Gebäude. Das Felix-Nussbaum-Haus zeigt über 200 seiner Bilder und ist zugleich Begegnungsstätte für jüdische Künstler. Nussbaum starb 1944 in Auschwitz.
Inge Jaehner: "Wir sind grade durch den Haupteingang in das Felix-Nussbaum-Haus gegangen, durch zwei schwere Türen, und befinden uns jetzt im Foyer des Felix-Nussbaum-Hauses."

Wohl nur selten ist die Ideal-Verbindung einer Form mit der Idee so gelungen Gestalt, sprich: Raum geworden, wie im Osnabrücker Felix-Nussbaum-Haus. Denn die drei großen Lebensstationen des 1904 in Osnabrück geborenen Künstlers sind zugleich auch die Hauptelemente dieses Gebäudes. Inge Jaehner, die Direktorin:

"Das ist einmal das Felix Nussbaum-Haus, das ist ein mit Holz verkleidetes Element, das eine Richtung aufnimmt, die auf die Synagoge von Osnabrück verweist, und den Bezug zur Kindheit und Jugend hat. Und dann gibt es den Felix-Nussbaum-Gang, aus Sichtbeton aufgebaut, er weist in Richtung der Schlikkerschen Villa, die auf dem Museumsgelände steht, ab '33 war dies die Parteizentrale der NSDAP. (…) Und ( ... ) das dritte Element, eine mit Zinkblech verkleidete Brücke, die beide Elemente durchschneidet, ist der Weg in den Tod. (...) Und wir folgen, wenn wir diesen Weg gehen, den Lebensabschnitten Nussbaums."

Das erste Lebens- und Hauselement für die Zeit bis 1930 - Felix Nussbaum wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf, wo seine Begabung erkannt und gefördert wurde – zeigt in einem großen grauwändigen Raum verspielte Bilder, die an van Goghs und Rousseaus Arbeiten erinnern. Zugleich aber ist Nussbaum auch ein von Ängsten geplagter Mensch, der, wie ein Künstlerfreund über ihn sagte:

Er hatte manchmal schlimme Tage, er musste dann ins Atelier, um sich die Angst von der Seele zu malen.

Wohl ab jetzt hat der Besucher begonnen, nicht nur den Lebensweg Nussbaums mit seinen Bilder der ersten Schaffenszeit zu verfolgen. Denn der Gast bewegt sich in dem "Museum ohne Ausgang", wie der Architekt formulierte, und geht dabei der Frage nach, ob das Schaffen Nussbaums und anderer jüdischer Künstler in den Werken der Generationen danach Spuren hinterlassen hat.

Inge Jaehner: "Also wie verarbeiten sie die Erfahrung ( ... ) der Diaspora in der Kunst? Wir wollten auf gar keinen Fall ... also das ist natürlich immer eine Diskussion, die sich entfalten wird ... gibt es jüdische Kunst oder gibt es sie nicht?"

Auch wenn die jüdische Tradition mehr oder weniger wichtig war, ein jüdischer Künstler wollte Nussbaum nie sein. Sein Bild von 1931 mit dem Titel "Maler im Atelier" zeigt sein Verhältnis zum Judentum. Am Sabbat-Abend arbeitet er im Atelier und lässt sich auch von Juden in Sabbat-Gewändern, die hereinkommen wollen, nicht beirren. Wie Nussbaum wollte auch Max Liebermann kein jüdischer Künstler sein. Und Meret Meyer, die Enkelin Marc Chagalls sagt von ihrem Großvater:

Dass er nicht der jüdische Künstler sein wollte, sondern eindeutig ( ... ) er hat die Kunst zu seiner Religion erklärt.

1932 erhält Felix Nussbaum ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Im "Museum ohne Ausgang" - in dem man nicht nur sieht, sondern vor allem hier, wie zum Gegensatz der Einsamkeit Nussbaums, auch die anderen Besucher überall und immer hört ... ist diese Zeit der Steg zur Osnabrücker NSDAP-Zentrale. Nussbaum wurde 1933 schnell klar, dass er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren würde. Und er kehrte nicht zurück.

Inge Jaehner: "Er entschließt sich nach Ostende zu gehen, weil dort James Endsor, mit dem ihn eine Freundschaft verbindet, auch dort Startbedingungen schafft."

Mit seiner Frau Felka lebte Felix Nussbaum ab da in Brüssel. Er arbeitete besessen, arbeitete wie einer, der weiß, dass die Zeit knapp ist, weil überall jetzt Verfolgung ist, Gewalt, Tod. Im Haus ist es der große Saal mit dem wohl berühmtesten Bild Nussbaums.

Inge Jaehner: "… das Selbstbildnis mit dem Judenpass, das eigentlich zu einer Ikone geworden ist."

Und dann geht man weiter, beklommen, in den letzten Raum. Vorbei an Bildern, die entstanden sind in einer Mansarde, in die sich Felix Nussbaum vom Juni '42 bis Juni '43 zurückziehen musste.

Inge Jaehner: "Felix Nussbaum wird danach, wenige Wochen, am 20. Juni bei der letzten Verhaftungswelle in Brüssel nach Mechelen deportiert, und am 30. Juli 1944 von Mechelen aus nach Auschwitz. Er ist 39, als er in den Gaskammern umgebracht wird. Wie seine Frau Felka, die ihn begleitet"

Felix Nussbaum und andere, die dem Tod nicht haben entgehen können, leben weiter. In den Werken von Mark Rothko etwa, oder dem 2004 entstandenen Bild "Felix-Pile" von Larry Abramson. Aber auch Rebecca Horn verarbeitet die Shoah, und Lucien Freud, Man Ray, Frank Auerbach, Barnett Newmann ... und ... und ... Im "Museum ohne Ausgang" mit den seltsamen Räumen, dem Holz, Glas und Beton ist sein Leben präsent, sind seine Bilder lebendig, dessen Spuren in die Gegenwartskunst nachvollziehbar. Und so ist wahr geworden, was Felix Nussbaum einst verzweifelt forderte:

"Wenn ich untergehe, lasst meine Bilder nicht sterben."