Ver.di und die Nadelstiche

Von Birgid Becker · 27.03.2012
Wenn es einen Wettbewerb gegeben haben sollte in der Disziplin "Wer quält Flugreisende am effizientesten?", dann liegt die große Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit der kleinen Gewerkschaft der Flugsicherung gleichauf, nein, nicht gleichauf.
Ver.di kann´s besser, besser quälen, denn die Warnstreiks im Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes haben ja nicht nur, wie zuvor, die Flugreisenden in Frankfurt mattgesetzt, nein, ver.dis warnstreikendes Bodenpersonal hat ja neben Frankfurt auch gleich München und Düsseldorf, Berlin, Köln-Bonn und so weiter und so fort aus dem Tritt gebracht.

Wenn man nun in aller Harmlosigkeit anmerkt, dass der Streik der kleinen Flugsicherungsgewerkschaft gegen den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport vom Februar nichts, aber auch gar nichts, mit der heutigen ver.di-Aktion zu tun hat, dann hat man natürlich formal recht - und liegt doch völlig daneben.

Denn natürlich musste es die große ver.di-Gewerkschaft fuchsen, dass aus dem kleinen Tarifkonflikt für gerade mal 200 Beschäftigte auf dem sogenannten Vorfeld im Februar ein so massives Störpotential erwachsen konnte, und deshalb wollten die Streik-Dramaturgen in der ver.di-Zentrale natürlich zeigen, dass man ebenso viel Druck erzeugen kann, nein, nicht eben so viel, sondern deutlich mehr. Gewerkschaftliches Konkurrenzdenken hat sicherlich eine Rolle gespielt bei der Entscheidung, auf dem sensiblen Streik-Terrain Flughafen so massiv aufzumarschieren.

Aber sind ver.dis Warnstreiks deshalb gleich unangemessen, wie es der Bundesinnenminister sagt? Nein, das ist nicht unbedingt der Fall. Sicher, ver.di hat in diesem Tarifkonflikt ungewöhnlich früh, noch vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde, eine ungewöhnlich harte Gangart eingeschlagen.

Kluge Arbeitgeber aber hätten dies vorhersehen können. Allzu klar war schon zum Start dieser Tarifrunde, dass ver.di entschlossen sein würde, sich vom Forderungsniveau der Industriegewerkschaften nicht abhängen zu lassen. Kluge Arbeitgeber hätten deshalb ein intelligenteres und verlockendes Angebot gemacht, als das, was die Verhandlungsführer aus Bund und Kommunen in der zweiten Runde auf den Tisch gelegt haben.

Frustrierte Flugreisende, gestresste Eltern vor geschlossenen Kitas oder Anwohner mit vollen Mülltonnen dürfen sich deshalb auch bei den öffentlichen Arbeitgebern bedanken.

Und überhaupt, unangemessener Streik. Wann wäre denn ein Streik angemessen, dann, wenn ihn keiner bemerkt?