Vatikan

Lammfrommer Papst vergisst die Ostukraine

Papst Franziskus während einer Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes
Papst Franziskus in der Basilika des Petersdomes: Sollte er politischer sein? © picture alliance / dpa / EPA / GIORGIO ONORATI
Von Beata Bielecka · 15.05.2015
Klare Worte gegen den Krieg in der Ostukraine wünscht sich unsere Autorin Beata Bielecka nicht nur von Politikern, sondern auch von der katholischen Kirche. Papst Franziskus aber belässt es bei allgemeinen Friedensappellen. Warum diese Rücksicht?
Manchmal wünsche ich Johannes Paul II. zurück. Der polnische Papst hat mit mutigen Worten dazu beigetragen, den Kommunismus in Europa zu Fall zu bringen. Kompromisslos nannte er das Böse beim Namen. Uns, die in seiner Heimat lebten, hat er damals ermuntert, selbst Geschichte zu machen, sie zu beeinflussen.
Auch heute wäre Karol Wojtyła, der frühere Erzbischof von Krakau, gut und wichtig, nicht nur für die katholische Kirche in Polen, sondern ebenso in Rom. Wo ist ein Kirchenmann mit einer solchen Entschlossenheit? Sogar der argentinische Papst Franziskus reicht da nicht heran. Obwohl er aus seiner lateinamerikanischen Erfahrung einen "wilden Kapitalismus" scharf attackiert, appelliert er im Fall der Ukraine nur lammfromm an alle Konfliktparteien, den Waffenstillstand einzuhalten.
Das ist völlig unzureichend, auch angesichts dessen, wie sich die russisch-orthodoxe Kirche verhält. Im Fernsehen sah ich den Moskauer Patriarchen Kyrill Panzer segnen, die für den Einsatz in der Ost-Ukraine bestimmt waren. Da kann sich Polens römisch-katholische Kirche nicht aufs Beten für den Frieden beschränken.
Kirchenpolitische Rücksicht auf das Moskauer Patriarchat?
Ich frage mich, warum sich Primas und Bischofskonferenz diplomatisch zurückhalten? Nehmen sie kirchenpolitisch Rücksicht auf das Moskauer Patriarchat, mit dem sie seit langem eine ökumenische Annäherung suchen?
Egel wie die Antwort ausfällt, mir missfällt die Haltung der katholischen Kirche, deren Mitglied ich bin. Laut mischt sie sich ein in die ethische Debatte über die Methode der "In-vitro-Befruchtung" und wirft Befürwortern Mord an Ungeborenen vor. Und dann verschließt sie die Augen vor dem Geschehen in der Ostukraine. Sie vergisst, dass bereits Geborene in den Kellern von Donezk oder Lugansk leben, für die sie sich ebenfalls einsetzen müsste.
UNICEF schätzt, dass rund 1,7 Millionen Kinder unter diesem Krieg leiden. Vielen von ihnen hat er die Eltern genommen. Ich kann nicht wegschauen, wenn ich solche Statistiken lese. Warum nennt Polens katholische Kirche, meine Kirche, nicht den Aggressor beim Namen, so wie es Johannes Paul II. getan hätte.
Die Gabe, das Gewissen der Menschen zu wecken
Er hatte die wunderbare Gabe, das Gewissen der Menschen zu wecken. Im Juni 1979 sagte er auf dem Marschall-Józef-Piłsudski-Platz in Warschau während seiner ersten Reise als Papst nach Polen jene berühmten Worte: "Dein Geist soll hinabsteigen und das wahre Antlitz der Erde, unserer Erde, erneuern."
Er sagte es, als wir unter der Vorherrschaft der Sowjetunion litten und nur davon träumen konnten, Polen zu erneuern. Und doch: Was unvorstellbar war, erwies sich schließlich als möglich! Eine Autorität will Karol Wojtyła gibt es heute in Polen nicht, schon gar nicht in der katholischen Kirche. Ich hoffe sehr, dass Franziskus in Rom letztlich den Weg seines langjährigen Vorgängers einschlägt.
Moskau begegnet uns mit alter autoritärer Großmachtpolitik, früher in eine kommunistische, heute in eine orthodox-konservative Ideologie verpackt. Wer anders als eine Kirche von internationalem Rang könnte sie als das entlarven, was sie ist: menschenfeindlich, undemokratisch und überhaupt nicht christlich.
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska", der größten regionalen Tageszeitung Polens an der deutsch-polnischen Grenze. Lebt und arbeitet in Slubice, von wo aus sie seit 20 Jahren über den Alltag im Grenzgebiet berichtet. Hat 1996 gemeinsam mit Dietrich Schröder (Märkische Oderzeitung) den "Wächter-Preis der deutschen Tagespresse" verliehen bekommen: für eine Artikelreihe über Regelverstöße bei der Grenzpolizei. Ist 2014 nominiert für den deutsch-polnischen Journalistenpreis "Tadeusz-Mazowiecki".
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska"
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska"© privat
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