Vater der südafrikanischen Fotografie ist Berliner

Ute Welty im Gespräch mit Jürgen Schadeberg · 14.02.2013
Seine Fotos dokumentieren die Zeit der Apartheid in Südafrika. Er hat den ersten schwarzen Präsidenten des Landes, Nelson Mandela, mehrfach porträtiert. Die Bilder des Berliner Fotografen Jürgen Schadeberg sind in der Münchner Ausstellung "Aufstieg und Fall der Apartheid - Fotografie und Bürokratie des täglichen Lebens" zu sehen.
Ute Welty: Zu Gast ist der Vater der südafrikanischen Fotografie, und der ist – wie sollte es anders sein – Berliner. Guten Morgen, Jürgen Schadeberg!

Jürgen Schadeberg: Guten Morgen!

Welty: Und die Kamera haben Sie auch gleich mitgebracht?

Schadeberg: Ja genau.

Welty: Gehen Sie aus dem Haus ohne?

Schadeberg: Ohne sehr selten. Das ist genauso wie ein Schreiber oder ein Journalist, der hat immer ein Papier und einen Stift dabei und dann hört er mal was, und das ist genau dasselbe. Manchmal, wenn ich die Kamera nicht bei mir habe, dann kommt mir das Bild vor die Nase und vor die Augen und ich habe keine Kamera, also die muss immer dabei sein.

Welty: Sie sind bereits 1950 nach Südafrika emigriert, haben dort lange gelebt, immer wieder gelebt, Mentor vieler südafrikanischer Fotografen, und natürlich haben Sie auch selbst die Veränderung des Landes dokumentiert. Und einige Ihrer Bilder sind jetzt Teil einer großen Ausstellung in München, die einen etwas abstrakten Titel trägt: "Aufstieg und Fall der Apartheid - Fotografie und Bürokratie des täglichen Lebens" – ein Stück Alltag eben, den Sie selbst auch erlebt haben. Kann man sich das heute noch vorstellen, dass Rassentrennung etwas Alltägliches ist?

Schadeberg: Ja das Schwierige dabei zu verstehen war in der Zeit, in den 50er-Jahren, als ich in Südafrika ankam, in der Zeit, wo die ganze deutsche Rassenideologie bekämpft war, da haben sie gerade angefangen. Das war so dumm, wie die Apartheid-Regierung sich benahm, dass wir immer in der ersten Zeit darüber lachen mussten. Wir haben das dann gar nicht ernst genommen und wir dachten, das wird ja nicht lange dauern, bis es vorbei ist, die können das nicht schaffen, das geht nicht.

Welty: Die können das nicht ernst meinen?

Schadeberg: Nein, das kann man nicht ernst nehmen.

Welty: In der Ausstellung findet sich ja nicht nur Ihre Arbeit, sondern eben auch die vieler südafrikanischer Fotografen natürlich wie Peter Magobane. Gibt es da so etwas wie eine Binnensicht und eine Außensicht? Unterscheiden sich Ihre Bilder von denen südafrikanischer Fotografen, oder sind Sie da doch mehr Südafrikaner denn Deutscher?

Schadeberg: Also da sind 60 Fotografen in der Ausstellung. Jeder hat seinen eigenen Charakter, Persönlichkeit in den Bildern. Irgendwie passen sie zusammen, die Bilder.

Welty: Symbolfigur des ganzen Prozesses ist natürlich Nelson Mandela, der erste schwarze Präsident Südafrikas, ausgezeichnet für seinen Kampf gegen Rassentrennung mit dem Friedensnobelpreis, den Sie auch fotografiert haben. Haben Sie schon bei der ersten Begegnung gespürt, dieser Mann ist etwas ganz besonderes?

Schadeberg: Ja ich habe Nelson Mandela das erste Mal getroffen 1951 in Bloemfontein während einer ANC-Konferenz. Er war in der Zeit sehr zurückhaltend, er war nicht die Person, die auf dem Podium stand und viele große Reden gehalten hat. Ich fand ihn sehr imponierend, sehr interessant und er hat immer auch sehr viel Humor gehabt.

Welty: In welcher Situation haben Sie das gemerkt? Wann haben Sie zusammen gelacht, oder wann haben Sie über ihn gelacht?

Schadeberg: Ja zum Beispiel, wenn er Reden gehalten hat. Als er fertig war, hat er seine Brille abgenommen und hat "of the paff", wie man sagt, gesprochen, und dann kam der Humor dabei heraus. 1952 – wir waren bei einer Druckerei, die "Posters and Pamphlets" druckten. Nelson Mandela war dabei und die Druckerei war eine ehemalige Bäckerei, und in dem Ofen waren die Flaschen von Brandy, also Brandy-Flaschen, und die haben wir mit der Schaufel rausgeholt. Es war nämlich in der Zeit gegen das Gesetz, dass Afrikaner, also Schwarze, Alkohol besaßen oder tranken. Und einmal haben wir alle diskutiert, wer würde was, welche Position haben im neuen Kabinett. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was Nelson Mandela vorgeschlagen wurde, was er sein würde. Mir haben sie vorgeschlagen, ich wäre Minister of Entertainment.

Welty: Der Unterhaltungsminister?

Schadeberg: Der Unterhaltungsminister, ja.

Welty: Wenn man einer solchen Person wie Mandela gegenübersteht als Fotograf und man merkt, dieser Mann hat eine Aura, der hat eine Bedeutung, macht es das für das Foto leichter oder schwieriger?

Schadeberg: Ich würde sagen leichter. Er ist relaxed, er ist nicht verspannt und voller Angst, also germanische Angst hauptsächlich, und die gibt es hier viel in Berlin. Nein, er ist vollkommen relaxed. Und das Interessante dabei war auch, wenn er in ein Zimmer rein kam, wo viele Menschen drin waren und die Kameraleute und so: Er kam rein und hat mit jedem die Hand geschüttelt, nach dem Namen gefragt und wie geht’s und so weiter.

Welty: Ein Ausflug nach Südafrika – der Fotograf Jürgen Schadeberg zu Gast bei Deutschlandradio Kultur. Dafür danke ich herzlich und ich wünsche für die Ausstellung viel Erfolg.

Schadeberg: Vielen Dank.

Welty: "Aufstieg und Fall der Apartheid"– zu sehen in München im Haus der Kunst, und zwar bis zum 26. Mai.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Hier geht es zur Internetseite der Ausstellung.

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