Vater der modernen Filmmusik

30.01.2013
Filmmusik ist eine Erfindung Hollywoods. Erst seit den 1930er-Jahren werden Kinoproduktionen durch Kompositionen und Klänge psychologisch und emotional aufgeladen. Ein Pionier dieses Genres war der Wiener Max Steiner.
Ein Film ohne Musik ist selten. Nur wenige Regisseure verzichten auf die emotionale und auch psychologische Wirkung der Musik. Schon in den Stummfilmzeiten begleiteten Musiker die Handlung und als der Film dann sprechen lernte, lernte er auch das Singen. 1928 machte Al Jolson zwar als "Jazzsänger" Furore. Doch erst mit Max Steiner, dem Wiener Komponisten in Hollywood, wurde die Filmmusik zu Beginn der 30er-Jahre zu dem, was sie heute noch ist. Er gilt als der Vater der modernen Filmkomponisten und bis heute wandeln alle - von John Williams bis zu Hans Zimmer - in seinen Spuren.

Der Jazzpianist, Komponist und Arrangeur Peter Wegele ist dem Schaffen des Komponisten auf den Grund gegangen. Und das mit Akribie. Doch wer nun eine der üblichen Biografien erwartet, sieht sich schnell getäuscht. Nur auf knapp 15 Seiten erfahren wir etwas über dessen Kindheit, die mehr als nur spannend gewesen war. In ihr wurden die Grundlagen gelegt für Steiners späteren Weg. Der Großvater Intendant des "Theater an der Wien" und enger Freund des Walzer- und Operettenkönigs Johann Strauß, jr., sein Vater, ein gefeierter Impresario und verantwortlich für den Bau des Riesenrads im Prater, der Komponist Richard Strauss sein Patenonkel, Gustav Mahler einer seiner privaten Lehrer: Kein Wunder also, das Max Steiner seine Ausbildung an der Kaiserlichen Akademie für Musik bereits nach einem und nicht erst vier Jahren abschloss. Im Alter von zwölf dirigierte er seine erste Operette, mit 15 hatte er eine komponiert. Der Weg in die Welt wurde ihm geöffnet und über Venedig und London landete der junge Steiner dann 1914 in den USA. AM New Yorker Broadway lernte er das amerikanische Musikgeschäft als Arrangeur, Orchestrator und Dirigent dann von der harten Seite kennen, er machte Erfahrungen, die ihm später im Filmgeschäft nützlich wurden.

Gut ein Viertel des Buchs verwendet Peter Wegele um seine Leser in die Geschichte und Entwicklung, die Eigenarten und Besonderheiten der Filmmusik einzuführen. Er erklärt Begriffe wie Mickey Mousing, Cues und Clicks, handelt das Leitmotiv ab, setzt sich mit dem Musiktheater auseinander - und das alles mit hoher fachlicher Kompetenz. Doch gerade diese Kompetenz dürfte es vielen schwer machen sich Max Steiner und seiner Musik zu nähern. Einmal abgesehen von den zahlreichen Zitaten, die leider nicht ins Deutsche übersetzt wurden, verlangt der Autor von seinen Lesern auch mehr als nur musikalisches Grundwissen und Notenkenntnisse. Die Auseinandersetzung des Wagner-Kenners Steiner mit dessen Leitmotivik und deren Verarbeitung in der Filmmusik nimmt einen breiten Raum ein, unzählige Notenbeispiele belegen dabei seine Arbeits- und Sichtweise. Wer es also nicht gelernt hat Klavierauszüge zu lesen, dem bleibt nur ein großes Fragezeichen.

Steiners erster großer Erfolg, die Musik zu "King Kong und die weiße Frau" wird nur am Rande gestreift, ebenso wie "Vom Winde verweht". "Casablanca" steht bei Wegele im Mittelpunkt und da könnte man sich trefflich darüber streiten, ob gerade dieser Film exemplarisch für den Viel-Komponisten Steiner ist. Ein kurzer Anhang mit Vergleichen von Steiners Arbeit mit der seiner Mitstreiter in Hollywood, wie Erich Wolfgang Korngold oder Alfred Newman, rundet das Buch ab. Wer sich bis hier vorgearbeitet hat, wer alles verstanden hat, der wird seinen Nutzen daraus ziehen. Doch macht das Buch eher den Eindruck einer veröffentlichten Doktorarbeit, denn der eines Buches über Max Steiner. Im wahrsten Sinn des Wortes ist dies ein Fachbuch für Fachleute.

Besprochen von Uwe Golz

Peter Wegele: Der Filmkomponist Max Steiner (1888 - 1971)
exil.arte-Schriften Band 2, Böhlau Verlag, Wien - Köln - Weimar 2012
300 Seiten, 39 Euro