US-Regisseur Todd Solondz

"Was wäre, wenn uns Aliens füttern würden?"

Regisseur Todd Solondz beim Sundance Film Festival im Jahr 2016.
Regisseur Todd Solondz beim Sundance Film Festival im Jahr 2016. © imago/ZUMA Press
Todd Solondz im Gespräch mit Susanne Burg · 23.07.2016
Todd Solondz' neuer Film "Wiener Dog" erzählt die Abgründe der menschlichen Existenz aus der Sicht eines Dackels. Mit uns spricht der US-Regisseur über das eigenartige Verhältnis von Menschen und Tieren.
Susanne Burg: Todd Solondz ist auf den Hund gekommen. Ein Dackel ist der Star seines neuen Films "Wiener Dog", der am Donnerstag in die Kinos kommt. Episodisch erzählt der US-amerikanische Regisseur von dem Hündchen, das von Besitzer zu Besitzer weitergereicht wird – von Tierarztassistentin zu gescheitertem Drehbuchautor zur missmutigen alten Dame. Auf diese Weise erleben wir die Abgründe der menschlichen Existenz und der US-amerikanischen Vorstadt aus der Sicht eines Dackels.
Der Regisseur lässt dabei auch Figuren aus alten Filmen auftauchen, wie zum Beispiel Dawn Wiener aus "Willkommen im Tollhaus", die inzwischen kein kleines Mädchen mehr ist, sondern erwachsen, aber immer noch eine altmodische Brille trägt und etwas unbeholfen ist. Dawn Wiener, gespielt von Greta Gerwig, trifft an einer Tankstelle zufällig auf ihren alten Highschool-Schwarm.
Sie reisen dann eine Weile mit dem Hund zusammen durch die amerikanische Provinz – bis Wiener Dog erneut zu einem anderen Besitzer kommt. Auch Todd Solondz' neuer Film ist wieder merkwürdig – im guten Sinne: verwirrend, verstörend, sonderbar. Zynisch wird der Mann für die Psychopathologie des amerikanischen Alltagslebens häufig genannt. Und als ich ihn getroffen habe, wollte ich wissen, ob er versteht, woher diese Einschätzung kommt.

"Ich sehe mich nicht als Zyniker"

Todd Solondz: Nun, ich glaube, diejenigen sind zynisch, die mich einen Zyniker nennen, denn ich sehe mich eigentlich überhaupt nicht als Zyniker. Ich glaube, ich würde überhaupt nicht so viele Gefühle in meine Figuren investieren und ich würde mir dieses Leiden mit meinen Filmen gar nicht antun, wenn ich so zynisch wäre.
Burg: Ihr neuer Film "Wiener Dog", da steht ein Hund im Zentrum, der wechselt im Laufe des Films mehrfach den Besitzer. Am Anfang ist er als Wiener Dog bei einer Familie mit einem circa neunjährigen Jungen – die Eltern haben so ein bisschen merkwürdige Erziehungsmethoden. Sie erzählen sehr bildhaft ihrem Sohn gegenüber von der Vergewaltigung ihres alten Hundes, von der Einäscherung, sehr, sehr brutal. Also sie versuchen auch, den Jungen dadurch so ein bisschen zu kontrollieren, sehr überzeichnet. Wie schaffen Sie diese fiesen Figuren?

Was wäre, wenn uns Aliens plötzlich füttern würden?

Solondz: Also ich glaube, die Eltern des kleinen Jungen, die sind jetzt nicht von Natur aus bösartig, sie sind nur ein bisschen fehlgeleitet, wenn es darum geht, welche Verantwortung sie als Eltern haben. Sie wollen nicht wirklich grausam sein, und der Junge stellt eigentlich ganz einfache Fragen, die ein Kind eben so stellt. Das öffnet dann Türen, und die Eltern wissen nicht, wie sie darauf antworten sollen.
Kinder hinterfragen ja immer die Dinge, die für Erwachsene ganz normal sind, beispielsweise wenn es darum geht, dass sein Hund sterilisiert wird. Es ist seltsam, wie wir mit unseren Haustieren umgehen. Wir behaupten immer, der Hund sei der beste Freund des Menschen, und dann sterilisieren wir ihn.
Ich frage mich immer, was würde geschehen, wenn Aliens auf die Erde kämen, die uns weit überlegen sind, und dann würden sie uns Menschen irgendwie süß finden. Wie würden wir damit umgehen, wenn wir dann plötzlich gefüttert werden würden? Würden wir das Gefühl haben, wir sind der beste Freund der Aliens?

"Wir Menschen, wir sind so selbstbezogen"

Burg: Zeigt sich vielleicht auch die wahre Natur von Menschen in ihrem Verhältnis mit einem Tier, also wie sie das Tier behandeln?
Solondz: Wir Menschen, wir sind so selbstbezogen, und wir neigen dazu, bei Hunden oder bei Haustieren sie zu vermenschlichen. Und so ein kleiner, süßer Hund, wenn ihm etwas zustößt, das nimmt uns dann sehr mit. Wir projizieren unsere eigenen Hoffnungen und Träume auf dieses kleine, unschuldige Tier, weil so ein süßer Hund, da reagieren wir ganz anders drauf, als wenn beispielsweise uns Menschen etwas zustößt.
Burg: Ihre Filme sind häufig sehr, sehr episodisch erzählt. Glauben Sie nicht an ein einziges Narrativ?
Solondz: Nun ja, ich hab ja in meiner Karriere beides gemacht, ich hab ja durchaus auch Filme gedreht, die sehr konventioneller waren, wo ein Protagonist oder eine Protagonistin durch die ganze Geschichte gehen, beispielsweise mein vorletzter Film "Dark Horse" oder aber "Willkommen im Tollhaus".
Ich hab schon auch mit Strukturen gespielt, aber ich habe mich an diesem Film von Bresson "Zum Beispiel Balthazar", den ich vor einigen Jahren gesehen hatte, und der hat mich doch sehr beeinflusst, weil er irgendwie doch sehr schräg erzählt ist. Und dann fühlte ich mich eigentlich frei mal für eine andere Struktur und wollte hier, dass der Hund immer den Besitzer wechselt und wir so die Geschichte weiterverfolgen.

"Meine Filme geben eine Antwort auf das Leben"

Burg: Es gibt auch eine andere Figur, den Drehbuchautor Professor Schmerz, gespielt von Danny DeVito, der unterrichtet Film an einer Universität. Er ist nicht beliebt, die Studenten finden ihn langweilig, ein junger Kollege macht sich lustig über ihn, sein Agent ruft nicht zurück, weil er hat ein Drehbuch geschrieben schon vor langer Zeit. Sie, Todd Solondz, stellen der Filmindustrie keine guten Noten aus – wie viel Todd Solondz steckt da drin?
Solondz: Nun, diese Figur, die Danny DeVito spielt, ist ja nicht wirklich ein Teil der Filmindustrie, sondern er ist ein Lehrer, er unterrichtet an einer Filmhochschule. Ich persönlich unterrichte zum Beispiel gerne und ich mag auch meine Filmstudenten und hab auch wirklich tolle Kollegen. Und im Gegensatz dazu, wenn ich einen Film drehe, beim Unterrichten habe ich überhaupt keinen Stress, und ich mag es, mit wie viel Hoffnung diese jungen Leute da vor mir setzen und was für Ambitionen sie noch haben.
Und dabei weiß ich, dass sie es einmal sehr, sehr schwer haben werden und wie hart es sein wird, dann wirklich auch mal Filme zu machen. Aber ich unterrichte an einer Institution, an der NYU, der New York University, die unglaublich korrupt und inkompetent ist, und daher dann eine gewisse Satire auch in meinem Film.
Burg: In dem Film spielt sehr viel in Kleinstädten oder in Vorstädten. Inwieweit interessieren Sie sich für die Ränder Amerikas und inwieweit arbeiten Sie sich auch immer noch an den USA ab?
Solondz: Alle meine Filme geben eine Antwort auf das Leben und auf die Welt, wie ich sie erfahre. Ich lebe nun einmal in den USA und ich beobachte gewisse Dinge, und meine Filme sind auch eine Antwort auf das, was bedeutet es, Mensch zu sein in dieser Welt. Wir leben nun einmal in Zeiten, wo Politiker wie Trump gewisse Dinge sagen, und deswegen bin ich sehr froh, dass es in meinem Film eben Mexikaner gibt, die einen totalen Gegenentwurf zu dem bilden, was er da sagt, was ein gewisser politischer Diskurs in den Medien zurzeit ist.

Menschen zum Lachen bringen

Burg: Was müsste man über Ihren Film sagen, dass Sie es als Kompliment empfinden?
Solondz: Nun, ich fände es schön, wenn Sie bewegt wären von den Geschichten, die ich erzähle, wenn Sie lachen können, und wenn Ihnen das hilft, sich ein bisschen weniger einsam und isoliert zu fühlen. Wenn mir das gelänge, dann fände ich, das wäre schon eine Leistung.
Burg: Todd Solondz, vielen Dank, thank you very much!
Solondz: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das Gespräch wurde von Jörg Taszman übersetzt.