US-Infrastruktur

Wer kann all die Reparaturen noch zahlen?

Wirr verknotete Stromkabel führen in den USA häufig überirdisch von A nach B - Blick auf eine Kreuzung.
Wirr verknotete Stromkabel führen in den USA häufig überirdisch von A nach B - Blick auf eine Kreuzung. © Deutschlandradio / Nana Brink
Von Nana Brink · 24.10.2016
Straßen, Stromleitungen und Schienen verfallen und niemand kommt für die Reparaturen auf - und das in den Vereinigten Staaten. Im internationalen Vergleich liegen die USA in puncto Infrastruktur weit abgeschlagen hinter Deutschland, Frankreich und Japan.
"Infrastructure it's all roads, bridges, dams, airports – basically anything that can be destroyed… And if it's not destroyed by Bruce Wilis, we'll find it a bit boring … - infrastructure is not sexy."
Der bekannte amerikanische Entertainer John Oliver bringt es in seiner Last Week Tonight Show auf den Punkt: Wenn nicht gerade Bruce Willis in einem Actionfilm eine Brücke zerstört, finden wir das Thema Infrastruktur überhaupt nicht "sexy".
Das Publikum lacht - um dann am nächsten Tag im Fernsehen zu erfahren: "Explodierende Gasleitung verwandelt einen Vorort von San Francisco in ein Inferno!" – oder "Einstürzende Brücke im Bundesstaat Washington reißt dutzende Autos in die Tiefe!". Diese Schlagzeilen sind Alltag in Amerikas Medien. Das Fundament der Weltmacht bröckelt.

"Wir sind Nummer 16, völlig abgehängt"

"Amerika war immer Nummer Eins beim Thema Infrastruktur. Wir haben die Golden Gate Bridge gebaut, den Hoover Damm, die Autobahnen zwischen den Staaten in 50 Jahren. Aber wir sind es nicht mehr, wir sind Nummer 16, völlig abgehängt."
Roy La Hood, Verkehrsminister während der ersten Amtszeit von Präsident Obama, bringt eine bittere Wahrheit auf den Punkt: Die USA gelten als Land mit der schlechtesten Infrastruktur unter den westlichen Industrienationen. Alle vier Jahre verteilt die Vereinigung der Ingenieure in den USA Noten – wie in der Schule, nach dem amerikanischen System von A wie 1 bis F wie 6. Die Lebensadern der Weltmacht – Straßen, Brücken, Stromnetze, Gas- und Wasserleitungen – bekommen nicht mehr als ein D: mangelhaft.
"Wir haben zu viele Straßen, die nicht sicher sind. Wir können das besser!",
beklagt der amerikanische Präsident das marode Straßensystem. Wer jemals auf einem amerikanischen Highway gefahren ist, fühlt sich auf die Transitstrecken in der DDR zurückversetzt. Mehr als die Hälfte des Highway-Netzes wurde in den 1950er- oder 60er-Jahren gebaut. Von der Hitze aufgerissener Asphalt oder metertiefe Löcher sind keine Seltenheit. Jegliche Sanierung hängt am "Trust Highway Fund", der die Mittel für Straßen, Autobahnen, Brücken und Tunnel bereithält.

Steuererhöhungen sind schwer durchzusetzen

Finanziert wird er aus den Steuern für Benzin und Diesel. Die liegen traditionell niedrig, bei 18,4 bis 24,5 Cent pro Gallone. Jährlich kommen so rund 35 Milliarden Dollar zusammen. Viel Geld - jedoch gerade mal ein Bruchteil dessen, was die Sanierung kosten würde. Die Vereinigung der Ingenieure hat ausgerechnet, dass die USA bis 2020 über 3,6 Billionen Dollar investieren müsste.
Wir müssen die Benzinsteuer erhöhen, sagt Ed Rendell, ehemaliger Gouverneur von Pennsylvania. Zum letzten Mal wurde sie 1993 unter Bill Clinton erhöhte. Ein Indiz dafür, wie unpopulär Steuererhöhungen in den USA sind und wie schwer politisch durchzusetzen. Der Politikwissenschaftler Jackson Janes von der Johns Hopkins University sieht darin das größte Hemmnis.
"Das ist für jeden Politiker gefährlich, weil da kommt jemand und sagt: Ah Steuergelder! Die Bereitschaft, etwas zu machen, kommt leider erst durch ein Desaster, etwa Katrina, oder ein Hurrikan an der Küste - und sogar dann war es schwer, einen Konsens herzustellen, weil die Ideologisierung im Kongress, wo Leute sagen, ihr kommt immer wieder an mit Steuererhöhung, das ist nicht die Lösung. "

Sturmausfälle kosten 150 Milliarden Dollar im Jahr

Da der Kongress seit Jahren durch parteipolitisches Gezänk blockiert ist, scheint es unwahrscheinlich, dass die 60.000 baufälligen Brücken in absehbarer Zeit erneuert werden. Auch das Stromnetz ist in vielen Teilen der USA über 50 Jahre alt. Selbst in der Hauptstadt – außer im Regierungsviertel - hangeln sich die Stromkabel oft wild verknotet von Mast zu Mast. Ein Sturm genügt und Teile Washingtons sind für mehrere Stunden offline. Nicht nur ein privates Missvergnügen: Die Stromausfälle kosten die amerikanische Wirtschaft jährlich über 150 Milliarden Dollar. Änderung: nicht in Sicht.
"Es ist letztendlich eine Frage des politischen Willens, für viele Leute, die in der Politik stecken, sagen, was kann ich tun, um zu gewährleisten, dass ich wieder gewählt werde, und die Bereitschaft, Geld einzusetzen, um einen neuen Flughafen zu bauen oder eine neue Brücke oder die Gleise von New York nach Washington wieder zu reparieren, setzt zwei Dinge voraus: Erstens, dass der politische Wille da ist, und dann auch die Frage, in wieweit ist man abhängig von den Quellen, die das bezahlen. Und das kommt meistens vom Bund - und dann kommt man wieder dahin, dass ein Kongress so fragmentiert ist, dass man so etwas nicht bewilligen kann."
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