US-Außenpolitik der Zukunft

Einmischen oder heraushalten?

US-Außenminister John Kerry bei seiner Ankunft am Flughafen Wien/Österreich vor dem Beginn der internationalen Gespräche zum Syrien-Konflikt. Delegationen der USA, Russlands und der Türkei treffen auf Repräsentanten Saudi-Arabiens, angeführt von dessen Außenminister Adel Al-Jubeir.
Ist es Zeit für eine Loslösung von der Verantwortung sämtlicher Probleme auf der Welt? © picture alliance / dpa / EPA/ROLAND SCHLAGER
Rezensiert von Sabina Matthay · 16.01.2016
In welche Richtung sollte die Außen- und Sicherheitspolitik der USA künftig gehen? Sabina Matthay hat drei Bücher amerikanischer Autoren gelesen, die in den Vereinigten Staaten Aufsehen erregen und eine kontrovers geführte Debatte befeuern.
In seinem jüngsten Buch "Superpower. Three Choices for America's Role in the World" wirft Ian Bremmer zunächst einen Blick zurück auf die Obama-Jahre und stellt fest, der aktuelle Präsident habe ebenso wenig wie seine Vorgänger Bush und Clinton eine erkennbare außenpolitische Doktrin entwickelt:
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Cover - Ian Bremmer: "Superpower: Three Choices for America’s Role in the World" © Portfolio/Penguin
"Egal, wessen Fehler das war, fest steht, dass Amerikas nächster Präsident eine Außenpolitik ohne Strategie erbt".
Diese Nicht-Strategie sei im Grunde identisch mit der Vorstellung von einem "unverzichtbaren Amerika", das seit dem Ende des Kalten Krieges mit breit angelegtem internationalem Engagement die globale Ordnung garantiert. Diese Haltung verkörpert für Bremmer eine von drei möglichen außenpolitischen Optionen für die USA.
Die zweite Strategie nennt Bremmer nach einer in den USA populären Lotterie:
"Moneyball Amerika" würde sich selektiv engagieren, und zwar stets so, dass geringer Einsatz hohen Gewinn einspielt. Weil die amerikanische Öffentlichkeit die erste Option angeblich nicht mehr unterstützt, die zweite aber den Abschied von einem werte-orientierten Handeln bedeuten würde, plädiert Bremmer für ein "unabhängiges Amerika", das seine internationalen Verpflichtungen eng begrenzt und sich ansonsten ganz auf innenpolitische Aufgaben konzentriert:
"Es ist Zeit für eine Unabhängigkeitserklärung - eine Loslösung von der Verantwortung für die Beilegung sämtlicher Probleme auf der Welt."
Strategie der außenpolitischen Zurückhaltung
Barry R. Posen kommt auf andere Weise zu einem ähnlichen Schluss: "Restraint" – Zurückhaltung – empfiehlt der Politologe als Motto einer neuen amerikanischen Sicherheitsstrategie. Posen definiert Amerikas Sicherheitsinteressen in klassisch realpolitischer Manier: Sie sollten sich auf den Erhalt von Souveränität, territorialer Integrität und innerer Sicherheit beschränken.
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Cover - Barry R. Posen: "Restraint: A New Foundation for U.S. Grand Strategy" © Cornell University Press
Republikaner und Demokraten in den USA würden dagegen seit Jahrzehnten in einer Politik der "liberalen Hegemonie" amerikanische Macht demonstrieren und überall auf der Welt intervenieren, um Stabilität zu schaffen und Werte wie Demokratie, Pressefreiheit, Markwirtschaft und Rechtsstaat zu etablieren. Posen verweist auf Irak und Afghanistan: "Nation building" sei teuer, kontraproduktiv und deshalb auf Dauer nicht durchzuhalten.
Washington solle sich daher darauf beschränken, das Gleichgewicht der Kräfte in Eurasien zu erhalten, die Verbreitung von Atomwaffen zu managen und Terroristen zu bekämpfen, wenn diese den USA gefährlich werden. Ziele, die sich als utopisch erwiesen hätten, müssten aufgegeben werden, darunter "die erzwungene Reform und politische Neugestaltung anderer Länder". - Verbündete sollten fürderhin für ihre eigene Verteidigung aufkommen.
Die USA als globale Ordnungsmacht
Joseph S. Nye rät dagegen dringend von Neo-Isolationismus ab. Ein "Rückzug aus der Welt oder nationalistische und protektionistische Schritte" seien nicht weniger schädlich als ein Auftrumpfen wie unter George W. Bush. In großen Krisen müsse Amerika weiterhin intervenieren und ordnend eingreifen sowie seinen Einfluss als Führungsnation der freien Welt am besten im Rahmen internationaler Institutionen ausüben. So empfiehlt Nye – ein prominenten Vertreter der neoliberalen Schule der internationalen Beziehungen - in seinem Buch "Soft Power: The Means To Success In World Politics".
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Cover - Joseph S. Nye: "Soft Power: The Means To Success In World Politics" © Public Affairs
Den Auguren des angeblichen Niedergangs der USA erteilt Nye eine Absage: Das "amerikanische Jahrhundert" sei längst nicht vorbei, auch in 25 Jahren werde Washington noch von zentraler Bedeutung für das globale Spiel der Mächte sein. Und das sei auch gut so, resümiert Nye unter dem Stichwort "Führung der freien Welt". Nicht Japan oder Russland, weder Indien, Brasilien oder die EU hätten das Zeug zur nächsten Hypermacht – in diese Rolle könnte nur China schlüpfen. Doch selbst das hält Nye für fraglich. In militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht werde Peking vielleicht auf absehbare Zeit zu Washington aufschließen, jedoch nicht beim Thema "soft power": Die kulturelle und ideologische Anziehungskraft der USA sei genau das Plus, das dem Land seien globalen Vorsprung sichere.
Eine Gefahr für Amerikas globalen Führungsanspruch lokalisiert der Autor eher im Innern: Bei Bildung und Ausbildung hinken junge Amerikaner international hinterher, viele Bürger sind enttäuscht von der dysfunktionalen Regierung in Washington. Doch immer noch halten die allermeisten ihre Heimat für das beste Land der Welt, so Joseph Nye.

Ian Bremmer: "Superpower: Three Choices for America's Role in the World"
Portfolio/Penguin, 2015
240 Seiten, auch als E-Book erhältlich

Barry R. Posen: "Restraint: A New Foundation for U.S. Grand Strategy"
Cornell University Press, 2015
256 Seiten, auch als E-Book erhältlich

Joseph S. Nye: Soft Power: The Means To Success In World Politics
Public Affairs, 2015, 208 Seiten, auch als E-Book erhältlich

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