Ursula von der Leyen: Sparpaket wahrt soziale Balance

Ursula von der Leyen im Gespräch mit Marietta Schwarz · 08.06.2010
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat das Sparpaket der Regierung verteidigt: "Die Hälfte des Bundeshaushaltes liegt im Arbeits- und Sozialministerium. Wenn wir dann nur ein Drittel der Sparmaßnahmen beitragen müssen, reicht das schon, dass hier auf die soziale Balance geachtet worden ist", sagte die CDU-Politikerin.
Marietta Schwarz: Mehr als 16 Stunden hat die Bundesregierung über ihrem Sparpaket gebrütet, und am Ende fiel es dann gewaltiger aus als erwartet. 81 Millionen Euro, Milliarden Euro sollen in den kommenden vier Jahren eingespart werden – eine historische Zahl, die da gestern verkündet worden ist. Betroffen vor allem der Bereich Arbeit und Soziales, das Elterngeld wird gekürzt, für Hartz-IV-Empfänger komplett gestrichen, ebenso fallen Zuschläge für Langzeitarbeitslose und deren Beiträge zur Rentenversicherung weg.

Wohngeldempfänger müssen künftig auf den Heizkostenzuschuss verzichten. Ein dicker Brocken in einem Ressort, das allerdings auch die größten Summen des Gesamtetats verschlingt. Ist das gerecht, ist das sinnvoll, ist das zukunftsweisend? Darüber spreche ich mit der Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen. Guten Morgen!

Ursula von der Leyen: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Frau von der Leyen, der Aufruhr der Opposition ist ja gewaltig, Sigmar Gabriel spricht von einem Schongang für die Besserverdienenden und dem Schleudergang für die sozial Schwachen. Warum werden die, die genug haben, geschont?

von der Leyen: Nun, das Sparpaket betrifft ja den großen Bundeshaushalt, und wie Sie bereits richtig anmoderiert haben, die Hälfte des Bundeshaushaltes liegt im Arbeits- und Sozialministerium. Wenn wir dann nur ein Drittel der Sparmaßnahmen beitragen müssen, zeigt das schon, dass hier auf die soziale Balance geachtet worden ist.

Es gibt einen großen Anteil, den die Wirtschaft zahlen muss, der Staat spart da bei sich selber. Aber wenn man genau schaut in meinen Etat, dann ist die Situation so, dass ich ja nicht nur für die Langzeitarbeitslosen und die Arbeitslosen an sich zuständig bin, sondern eben auch für die Rentner, für die Witwen und Waisen, für die Behinderten.

Wir haben ganz, ganz hart verhandelt, aber ich musste Prioritäten und Schwerpunkte setzen, und da war meine Überlegung, bei denen, die im Augenblick in ihrer Lebenssituation nichts mehr ändern können – das ist zum Beispiel eine Rentnerin oder eine Witwe –, mich schützend davor zu stellen, es wird nicht angerührt an die Rente zum Beispiel, aber hinzuschauen bei denen, die aus ihrer Situation noch was machen können, die ihr Leben noch in die Hand nehmen können und was verändern können, gerade das Thema Arbeitslose, da konsequent auch zu sagen, wie können wir besser werden in der Vermittlung in Arbeit, wie können wir die Anreize setzen für Arbeit. Und genau das spiegelt sich in dem Paket wider.

Schwarz: Nun das stimmt ja nur bedingt. Schauen wir zum Beispiel mal auf das Elterngeld. Für die Besserverdienenden wird es um zwei Prozent, für die Leistungsbezieher dagegen um 100 Prozent gekürzt, da geht es dann um satte 300 Euro weniger im Monat. Nennen Sie das eine gerechte Verteilung?

von der Leyen: Ja, das ist genau ein Beispiel, wo man es noch mal zeigen kann. Erst mal, das Elterngeld, das bekommen junge Familien, die haben typischerweise kleine Einkommen, das muss man deutlich auch sagen. Sie kennen alle, jeder weiß aus der Erfahrung, diejenigen, die kleine Kinder haben, die sind weiß Gott nicht auf Rosen gebettet.

Das sind die Familien, die aus eigener Kraft ihr Einkommen verdienen, und die nehmen sich Zeit für Kinder. Und deshalb gibt es in der Zeit, wo sie aus dem Beruf aussteigen, für ein Neugeborenes das Elterngeld. Bei den Langzeitarbeitslosen zahlt der Staat das gesamte Einkommen, auch übrigens dann für das neugeborene Kind den Lebensunterhalt. Es ist richtig, wir nehmen da was weg, das stimmt.

Schwarz: Eine ganze Menge.

von der Leyen: ... Elterngeld, aber der Lebensunterhalt ist gedeckt vom Staat durchgehend. Auf der anderen Seite – und das war mir wichtig – geben wir für meine Begriffe auch gezielter eine noch sehr viel größere Summe genau da wieder hin, nämlich dass bei dem ganzen Sparpaket, bei den 80 Milliarden, ein Bereich ausgenommen ist, nämlich Bildung, Bildung insbesondere für Kinder aus Hartz-IV-Familien.

Da werden Milliarden reinfließen, das wird in diesem Jahr umgesetzt. Wir sagen nur, wir möchten direkt, dass die Leistung zum Kind kommt. Also gerade bei diesem Punkt: Wir nehmen an einer Seite was weg, aber an der anderen Seite kommt etwas gezielt wieder, eine Investition in die Bildung dieser Kinder. Und ich glaube, das ist das beste Startpaket fürs Leben, das sie haben können.

Schwarz: Dennoch, Frau von der Leyen, nicht nur die Opposition kritisiert ja die Beschlüsse, sondern auch Ihre Kollegen von der Union, Peter Müller, Peter Weiß, Karl-Josef Laumann, das sind nur einige Namen. Wäre zum Beispiel eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie sie selbst der CDU-Wirtschaftsrat befürwortet hätte, nicht ein wichtiges Signal des sozialen Ausgleichs und damit auch für das Vertrauen in die Regierung gewesen?

von der Leyen: Ja, sehen Sie, die Grundüberlegung war, dass wir keine Steuern erhöhen wollen, denn wenn man damit anfängt, dann hat man sofort die Debatte, wo kann man die Einnahmen verbessern, und es geht nach innen verloren auch der Druck für uns alle, genau zu gucken – also uns alle Ministerinnen und Minister im Kabinett – zu gucken, wo kann der Staat effizienter werden, wirksamer werden, tut er all das, was er tut, ist das notwendig.

Und dieser Druck auch, sich zu konzentrieren, zu bündeln, als Staat auch schlanker zu werden, der ist meines Erachtens der erste Schritt, der gegangen werden muss, und nicht als Erstes gucken, wo können wir noch mehr Geld einnehmen und somit eine Zwiebelschale nach der anderen noch mal anlegen. Das war die Ausgangs ...

Schwarz: Dann reden wir mal von dem Staat.

von der Leyen: ... situation, und genau deshalb ist diese Entscheidung so gefallen.

Schwarz: Die Anreize, wieder in ein Arbeitsverhältnis zu kommen, die sollen ja vergrößert werden, sagt die Bundeskanzlerin. Wie kann das denn mit den gefassten Beschlüssen funktionieren?

von der Leyen: Also, wir haben ein gestuftes Vorgehen. Zunächst einmal wird die Arbeitsvermittlung reformiert, dieser Prozess ist fast abgeschlossen, die Jobcenter-Reform, das ist der Ort, wo Vermittlung stattfindet. Da brauchen wir Menschen, also die Vermittler, die mit den Arbeitslosen so arbeiten können, dass sie sagen vor Ort, ich brauche für eine Alleinerziehende einen Kitaplatz, ich brauche für jemand, der einen Riesenschuldenberg hat, eine Schuldenberatung, ich brauche für jemand, der ein Drogenproblem hat, eine Suchtberatung, oder wer keinen Schulabschluss hat, der muss den Hauptschulabschluss machen.

Und dann die Lehre, Sie hören schon, das sind alles Menschen, die langzeitarbeitslos sind, aber die ganz, ganz unterschiedliche Hindernisse haben. Wir haben deshalb gesagt, wir reformieren jetzt dieses sehr starre Korsett der Arbeitsvermittlung, das bisher so war, dass überall in Deutschland grundsätzlich immer dasselbe getan werden musste, und sagen, lasst es uns flexibler machen, wir geben mehr Freiheit in die Jobcenter, damit vor Ort entschieden werden kann für die Person, die raus will aus der Langzeitarbeitslosigkeit, was ist die richtige Maßnahme.

Dahinter steht ein großes Reformwerk, was in diesem Jahr und im nächsten Jahr umgesetzt wird. Aber das ist meines Erachtens genau der richtige Weg, nämlich immer gucken, was bringt in Arbeit und was verhindert, dass Langzeitarbeitslosigkeit zementiert wird.

Schwarz: Wird der Beitrag steigen zur Arbeitslosenversicherung?

von der Leyen: Im nächsten Jahr wird er, wie das im Gesetz festgelegt ist, bei drei Prozent liegen. Das ist mir auch wichtig, denn der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung betrifft nicht nur den einzelnen Menschen, der ihn zahlt, sondern ist auch eine Frage, wie teuer oder wie hoch sind die Lohnnebenkosten auf einem Arbeitsplatz, also wie teuer ist Arbeit in Deutschland.

Und wir kommen gerade aus der Wirtschaftskrise raus, der Arbeitsmarkt hat sich sehr stabil gehalten, und das Wichtigste ist jetzt, diesen Weg nach draußen, raus aus der Krise, den zu zeichnen, ohne jetzt Arbeit zu belasten. Wir brauchen die Menschen auf den Arbeitsplätzen, damit Deutschland auch mit seiner Kraft am internationalen Wirtschaftsleben seine starke Position behält.

Schwarz: Ursula von der Leyen, Arbeits- und Sozialministerin, ich danke Ihnen für das Gespräch!

von der Leyen: Ich danke!