Ursprüngliche Emotionen

Von Malgorzata Jedruch-Wlodarczyk, Übersetzung: Jakub Kukla · 12.05.2011
"Le Sacre du Printemps" von Igor Strawinsky gehört zu den berühmtesten Werken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Uraufführung im Jahre 1913 löste eine Welle heftiger Emotionen aus und sorgte für Kontroversen. Was für uns heute wie eine Offenbarung eines musikalischen Genies klingt, empörte vor hundert Jahren das Publikum.
Es gab aber auch sehr positive Rezensionen (Claude Debussy, Maurice Ravel, Jean Cocteau). Die roh aggressive, zugleich aber auch sehr bunte Musik von Strawinsky hatte alle überrascht. Der russische Komponist schuf mit "Le Sacre du Printemps" eine neue, moderne Musiksprache. Die Dissonanzen wurden befreit, die bisherige Tonalität durch Polytonalität und Polyrhythmik ersetzt. Der Rhythmus avancierte zu einem der wichtigsten Elemente der Musik. Mit immer selbstbewussteren Experimenten in der Instrumentation wurden die Möglichkeiten der Orchesterbehandlung erweitert.

Als ein Ballett geplant, fand das Werk bald Eingang in die Konzertsäle.

In den 1960er Jahren unternahm Alexander Tamir (geboren 1931, in Vilnius/Litauen als Alexander Wolkovsky, Leiter der Klavierklasse an der Musikakademie in Jerusalem) den Versuch, den "Sacre du Printemps" für ein Klavierduo zu bearbeiten. Im Jahre 1969 akzeptierte Strawinsky die Bearbeitung, stellte jedoch eine wichtige Bedingung – das Aufführungsrecht für den "Sacre" in der Klavierversion sollte einzig und allein beim Klavierduo Alexander Tamir und Bracha Eden verbleiben.

Während ihres Aufenthaltes in Jerusalem haben sich die beiden Kwadrofonik-Pianisten mehrmals mit Professor Tamir getroffen. Der Meister ermöglichte den jungen Musikern Zugang zu seinem Archiv, in dem sich auch die Aufnahme des bearbeiteten "Sacre du Printemps" befand. Es sei Zeit, das Werk anderen Interpreten zu übergeben, meinte Tamir. Zusammen mit der anderen Hälfte des Quartetts haben die Pianisten Strawinskys Werk für zwei Klaviere (Tamirs Version blieb fast unverändert) und eine gewaltige Zahl von Schlaginstrumenten umgeschrieben. Ihre Idee wurde von Alexander Tamir vollkommen akzeptiert.

Somit haben wir es mit einer dritten, sehr suggestiven und originellen Version des "Sacre du Printemps" zu tun. Die Bearbeitung ist zweifellos eine neue Qualität, bleibt dem Original jedoch in vieler Hinsicht treu. In der Kammerversion für zwei Klaviere und Schlaginstrumente verliert Strawinskys Werk keineswegs seine Intensität – ganz im Gegenteil, gerade dessen expressiven, instinktiven und begeisternden Eigenschaften werden von den Musikern hervorgehoben.
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