Urheberstreit

Tauziehen ums Triadische Ballett

In der aktuellen Dessauer Bauhaus-Ausstellung "Mensch-Raum-Maschine", in der 18 Kostüme zu sehen sind, die sich auf Figurinen des berühmten Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmers beziehen.
In der aktuellen Dessauer Bauhaus-Ausstellung "Mensch-Raum-Maschine" sind Kostüme zu sehen, die sich auf Figurinen des berühmten Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmers beziehen. © picture alliance / dpa / Foto: Peter Endig
Von Christoph Richter · 27.01.2014
70 Jahre nach dem Tod des Baushaus-Künstlers Oskar Schlemmer ist das Urheberrecht erloschen. Doch sein Erbe Raman Schlemmer zeigt sich klagefreudig. Eine einstweilige Verfügung gegen die Ausstellung "Mensch – Raum – Maschine" hat das Landgericht Dessau aber zurückgenommen.
Einer der größten Künstler Deutschlands ist Oskar Schlemmer. 1920 wurde er an das Bauhaus berufen, doch dessen Werk ist bis heute vielen so gut wie unbekannt. Was an dem streitlustigen – derzeit in Italien lebenden - Enkel Raman Schlemmer liegt. Seit Jahren versucht er Kuratoren, Museumsdirektoren oder Galeristen mit Klagen zu überziehen, wenn sie versuchten, sein Werk zu zeigen. Heute hat der Enkel Schlemmers allerdings eine Schlappe erlitten. Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt zeigte sich nach der Entscheidung geradezu erleichtert:
"Letztendlich kann man nie wissen, wie ein Gericht entscheidet und insofern war es keine Selbstverständlichkeit. Wir sind froh, dass wir wieder zu unserer Sacharbeit zurück kehren können. Und das die Ausstellung weiterhin so gezeigt werden kann, wie bislang."
Konkret geht es um 18 Kostüme, die brasilianische Studenten in Anlehnung an Schlemmers Werk erarbeitet hatten. Sie seien in der Ausstellung nicht ausreichend als Kopien gekennzeichnet, würden das Werk Schlemmers karikieren, verzerren; den Besucher der Ausstellung geradezu in die Irre leiten. Raman Schlemmer sieht das Persönlichkeitsrecht seines Großvaters verletzt. Diesem Antrag ist das Landgericht Dessau jedoch nicht gefolgt und hat die einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Pascal Decker, der Anwalt des Schlemmer-Erben sieht es sportlich.
"Das der Antrag zurückgewiesen wurde, verwundert mich insoweit nicht, als dass hier ja eine grundsätzlich neue Frage entschieden werden muss. Nämlich ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht über die Schutzfrist des Urheberrechts hinaus wirksam werden kann. Dazu gibt es bis jetzt keine obergerichtliche Rechtsprechung. Und da ist es nicht erstaunlich, dass sich dann vielleicht ein Landgericht auch sagt, soweit wollen wir uns in dieser Instanz nicht aus dem Fenster lehnen."
Im Klartext heißt das: Das Urheberrecht ist zwar seit Anfang diesen Jahres – also 70 Jahre nach dem Tod Oskar Schlemmers - abgelaufen. Dennoch will man eine Fristverlängerung erstreiten. Denn das Werk Schlemmers sei in seiner Bedeutung so herausragend, argumentiert der Anwalt Pascal Decker, dass die urheberrechtliche Schutzfrist länger als 70 Jahre wirken müsse.
"Inhaltlich glaube ich, dass unser Antrag gute Chancen hat in einer weiteren Instanz vielleicht durchzugehen. Denn es geht um den historischen Oskar Schlemmer, um eine historische Ausstellung. Und das ist auch etwas, was historisch authentisch dargestellt werden muss."
Zwischen den Zeilen kann man es deutlich heraushören, eine Berufung am Oberlandesgericht in Naumburg wird vom Schlemmer-Erben Raman Schlemmer ernsthaft in Erwägung gezogen. Selbst sieht er sich als den einzigen Bewahrer des Oeuvres von Oskar Schlemmer.
Beobachter sehen in der Klage von Raman Schlemmer ein letztes juristisches Scheingefecht, um die Werke seines Großvaters Oskar Schlemmer weiter unter Verschluss zu halten. Der Dessauer Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt hat den Enkel Schlemmers bereits einige Male erlebt.
Seit Jahrzehnten gab es keine Aufführung des Triadischen Balletts
"'Herr Schlemmer was wollen sie eigentlich, was wollen sie eigentlich erreichen?' Das hat er mir nicht beantwortet. Das ist tatsächlich dieser Widerspruch, den ich nicht verstehen kann. Wenn es ihm wirklich um die Arbeit seines Großvaters geht, dürfte er eigentlich nicht so agieren, wie er agiert."
Denn seit Jahrzehnten gab es keine Aufführung des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer. Eine experimentelle Tanzaufführung und sowas wie DER Bauhaus-Tanz, bestehend aus staksigen, streng verfremdeten Figuren, die sich zu monotoner Musik – maschinengleich - leicht hysterisch bewegen.
Nirgends waren hierzulande Werkschauen oder Retrospektiven zu sehen, alle Versuche wurden verhindert. Lediglich kleine Ausstellungen im Ausland konnten bewerkstelligt werden, wie in Madrid, London oder Marseille.
"Er beschwert sich immer, dass die Arbeit von Oskar Schlemmer nicht genügend gewürdigt ist. Und er hat aber alles getan, um die Situation genau dahin zu bringen. Durch sein Agieren in den letzten Jahren, Jahrzehnten ist tatsächlich Oskar Schlemmer nicht hinreichend gewürdigt worden, weil er halt Ausstellungen, Tänze, Performances, Publikationen, Forschung verhindert hat."
Doch dass soll sich dieses Jahr ändern. Denn in München an der Bayerischen Staatsoper soll das Triadische Ballett wieder aufgeführt werden und anschließend auf Tour gehen. Die Staatsgalerie Stuttgart bereitet eine Retrospektive vor.
Doch das Ganze ist nicht nur ein juristisches Tauziehen um Schlemmer. Mehr noch: Es ist ein Familiendrama, das hier in aller Öffentlichkeit aufgeführt wird. Denn während der eine Enkel jeden verklagt, der die Werke des Großvaters Oskar Schlemmer zeigt, ist seine Cousine und Miterbin Janine Schlemmer mehr als unglücklich, über das Vorgehen ihres Cousins. Erzählt Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt. So soll Raman Schlemmer einzelne Werke geradezu versteckt haben, nur damit Janine Schlemmer ja keinen Zugriff auf den Nachlass hat.
"Dass alles ist für sie sehr bitter: Ihr wird ja in dem ungeteilten Erbe, das Erbe nach wie vor, vorenthalten. Es geht nicht nur um das ideelle Erbe des Copyrights, der Persönlichkeitsrechte, sondern es gibt ja auch ein physisches Erbe; Kunstwerke, Dokumente, die Janine genauso zustehen wie Raman. Es gibt ein Gerichtsurteil, das Janine erwirkt hat, zur Beschlagnahmung in Deutschland. Aber solche Urteile wirken nicht europäisch, schon gar nicht weltweit. Und diese Dinge befinden sich an einem unbekannten Ort, können deswegen in Deutschland auch nicht gezeigt werden. Denn sobald das Raman nach Deutschland bringen würde, würde es beschlagnahmt werden."
Während man sich um das künstlerische Erbe Oskar Schlemmers streitet - jenen Künstler, Lehrer und Meister der das Bauhaus aus der Stahlrohrstuhl-Ecke herausgeholt und als Ideenlabor entscheidend mit verortet und etabliert hat – verfällt an anderer Stelle still und heimlich ein echtes Juwel. Das eigens von Oskar Schlemmer entworfene Wohnhaus im Südschwarzwald in Sehringen bei Badenweiler. Aber das ist eine andere Geschichte. Denn hiermit lässt sich für die Erben anscheinend wenig Geld rausholen, weshalb sie es einfach verfallen lassen.