Urbane Imkerei liegt im Trend

Von Dieter Jandt · 19.08.2012
Immer mehr Hobbyimker stellen in Hinterhöfen, auf Dächern und Balkonen Bienenstöcke auf, mitten in der Stadt. Dort haben Bienen ein vielfältigeres Nahrungsangebot als auf dem Land. Dabei leistet urbane Imkerei einen wichtigen Beitrag, dem weltweiten Bienensterben entgegen zu wirken.
Und nicht nur das: Bienen sorgen zu einem beträchtlichen Teil für unsere Ernährung.

"Ich hab die Bienenvölker hab ich jetzt mal hier grade aufgemacht, weil man kann anhand des Drohnenrähmchens sehen, wie der Zustand des Bienenvolkes ist, ob die unter Umständen in Schwarmstimmung sind oder nicht."

Der Friedhofsgärtner Alfred Luchten zieht einen Holzrahmen mitsamt Wabe aus einem seiner Bienenstöcke. Er hat einen Imkerhut mit Schleier aufgesetzt, weiße Handschuhe übergestreift und prüft nun eine Wabe der Drohnen. Das sind die männlichen Bienen, die aufgeregt an den Wabenzellen summen.

Alfred Luchten will sehen, ob die Bienen die Absicht haben, ein neues Volk zu bilden. Dazu legen die weiblichen Bienen am Rand des Rahmens Schwarmzellen an, um darin Königinnen heranzuziehen. Dieses Anlegen der Zellen ist für Imker ein Zeichen, dass die Bienen mitsamt Königin ausschwärmen wollen, was nicht nur einen Verlust bedeutet, sondern auch unangenehm für Anwohner werden kann.

"Wenn das Drohnenrähmchen nicht mehr ausgebaut wird, dann ist im Volk was nicht in Ordnung, dann haben die Bienenvölker eigentlich das Schwärmen mehr im Kopf als auszubauen, weil die dann das Ausbauen der Drohnenwabe einstellen."

Der Düsseldorfer Südfriedhof liegt zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen unweit des Rheins. In einer Ecke des Friedhofs hält Alfred Luchten 35 Bienenvölker, das sind rund zwei Millionen Tiere. Er hat sich mit der Friedhofsverwaltung verständigt und seine Bienenvölker beim Veterinäramt angemeldet.

Dazu ist er verpflichtet, damit die Behörde bei einem Virenbefall möglichst schnell reagieren und Anweisungen an die Imker des Kreises geben kann, um eine weitere Verbreitung der Viren zu vermeiden. Alfred Luchten schaut sich den nächsten Bienenstock an, der kommt ihm nicht geheuer vor. Er zeigt auf das kleine Flugloch, die Verbindung zum Inneren des Kastens.

"Es kann sein, dass da ein Virus bei den Bienen ist, deswegen sitzen da relativ viele Bienen vor dem Flugloch, die fallen dann auch einfach runter, die können dann nicht mehr hochfliegen."

Trotz dieser Probleme erfährt die Imkerei deutlich Zulauf. Urbane Bienenhaltung liegt im Trend, auch dort, wo man sie gar nicht vermutet - wo sie aber Sinn macht. Auf den meisten Friedhöfen Düsseldorfs werden Bienen gehalten. Sie haben es besser als ihre Artgenossen auf dem Land.

"Weil mittlerweile auf dem Land die ganzen Äcker, sind ja alle die Bäume, die Randbepflanzungen sind ja weggekommen, damit die Äcker immer größer werden, und deswegen finden die Bienen eigentlich nicht mehr so viel wie hier in der Stadt.

Hier blüht viel mehr, der Baumbestand ist erheblich größer, und dadurch können die Bienen in einer Stadt erheblich mehr Nektar eintragen."

Und weil das so ist, hat Alfred Luchten so etwas wie eine kleine Filiale für weitere Bienen eingerichtet.

Ortswechsel.

Alfred Luchten auf dem Dach des Hyatt-Hotels in der Nähe des Düsseldorfer Landtags, in 65 Meter Höhe. Unter den Schächten der Belüftungsanlage stehen zwei Bienenstöcke in der Ecke.

"Den Bienen macht das nichts, die gehen jetzt von hier oben, fliegen die runter vom 19. Stock nach unten und können Nektar eintragen, der Ertrag ist etwas geringer, das hängt aber damit zusammen, dass die natürlich wieder hoch fliegen müssen, und dementsprechend auch wieder den Nektar, den sie ja eingesammelt haben während des Fluges, auch wieder verbrauchen."

Bundesweit werben Hotels mit Frühstückshonig aus eigener Produktion. Ein befreundeter Imker hat Alfred Luchten auf die Möglichkeit hingewiesen, Bienen auf dem Dach des Hyatt-Hotels zu halten.

Regelmäßig fährt er mit dem Lift hinauf und schaut nach, wie weit die Bienen mit dem Honig sind. Zwanzig Kilogramm erntet Alfred Luchten jährlich allein von diesen beiden Völkern. Nun zieht er aus dem Bienenstock eine Zarge, die den Honigraum einrahmt.

Der wiederum ist vom Brutraum getrennt und hat so kleine Gitterabstände, dass nur Arbeitsbienen hindurchpassen. Die Königin würde Eier im Honigraum ablegen, die aber haben bei der späteren Ernte dort nichts zu suchen.

"Nehme jetzt eine Wabe einfach mal zur Seite, und ziehe die ein bisschen nach hinten, dann sieht man hier, wie die Bienen den Nektar eingetragen haben, er ist jetzt noch nicht verdeckelt, das ist immer ein Zeichen, dass der Honig noch nicht so reif ist, da müssen wir noch ein bisschen warten, dann kann man den später rausnehmen und auch schleudern."

Die Bienen umschließen mit einer dünnen Wachsschicht neue, befruchtete Eizellen in der Wabe. Die Imker nennen das "verdeckeln". Das geschieht, damit sich in diesen Zellen weitere Larven heranbilden. Nach etwa drei Wochen schlüpfen die neuen Insekten aus und produzieren fortan ebenfalls Honig. Der wird Wochen später mit einer speziellen Maschine und Zentrifugalkraft aus den Waben geschleudert.
Da Berufsimker sehr an Nachwuchs interessiert sind, besteht allemal die Möglichkeit, die Waben bei ihnen schleudern zu lassen und so den Honig zu ernten. Das Angebot wird genutzt: In fast allen Großstädten halten Hobbyimker in Hinterhöfen, auf Dächern und Balkonen Bienen.

Allein in Berlin gibt es 600 Imker, auch viele Kleingärtner sind darunter.
"Das ist, weil einfach, ich sag mal, die jungen Generationen mehr jetzt aufgeweckt sind, auch durch Zeitungen und Fernsehen, dass die Bienenvölker aussterben und junge Leute doch teilweise auch sehr naturbewusst sind, und dann auch Bienen halten wollen, damit es einfach in der Natur immer weiter geht.

Die sehen, aha, es gibt ja gar keine Bienen, wir haben unsere Apfelbäume, unsere Kirschbäume, da ist ja gar keine Bestäubung, und dementsprechend interessieren die sich dafür, und schaffen sich dann teilweise Bienenvölker an, um dann auch den eigenen Baumbestand, die Früchte wieder besser ernten zu können."

Ursachen für Bienensterben gibt es viele. Da sind einmal die Varroamilben, die vor rund 40 Jahren aus Asien ihren Weg nach Europa fanden. Sie dringen in Brutzellen ein und ernähren sich vom Blut der Bienenlarven, die daraufhin von den Viren der Milben befallen werden.

Ein weiterer Grund für das weltweite Bienensterben ist der vermehrte Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, die sich auf Monokulturen beschränkt und so den Bienen zu wenig Auswahl an Nahrung und Möglichkeiten der Bestäubung lässt. Bienen nehmen an einer Blüte Pollen auf, fliegen zur nächsten Pflanze und lassen dort etwas von dem Staub der vorigen auf die neue Blüte fallen, weitere Samen und Früchte bilden sich heran.

Kleingärtner versichern, dass Obstbäume, die von Bienen befruchtet werden, bis zu 50 Prozent höhere Ernteerträge erzielen. Genau das ist der natürliche Beitrag der Bienen auch zu unserer Ernährung. Biologen schätzen, dass jeder dritte Bissen, den die Menschheit zu sich nimmt, der Bestäubungsleistung von Honigbienen zu verdanken ist. Forscher warnen vor einem massiven Rückgang der Lebensmittelproduktion.

Das weiß auch Ingo Dolle. Der Mann betrieb schon urbane Bienenhaltung, als es den Begriff noch gar nicht gab. Er hat in einer Reihenhaussiedlung im Düsseldorfer Stadtteil Rath einige Bienenstöcke in seinen Garten gestellt. Gehwegplatten führen an einem kleinen Springbrunnen vorbei.

"Da ist jetzt eine frische, begattete Königin drin, die werde ich jetzt raussuchen und mit einem Farbmarkierungsstift den Rückenschild davon zeichnen."

Ingo Dolle bereitet sich auf das nächste Jahr vor. Er hat aus einem seiner Bienenvölker einen Ableger gezüchtet. Das musste er tun, weil sich die Bienen im Laufe des Jahres sehr schnell vermehren und der Bienenstock zu eng wird. Also legen die Imker einen neuen Bienenstock an. Ingo Dolle hat eine Wabe herausgezogen.

Die Königin ist bald gefunden. Sie unterscheidet sich allein durch ihre Körpergröße von den anderen Tieren. Denn die führen der Königin noch im Larvenstadium aus ihren Kopfdrüsen einen sehr eiweißhaltigen Saft zu. Ingo Dolle steht gebeugt mit dem Markierstift in der Hand über dem Bienenstock.

"Hier sind 30.000 Bienen drin und eine sitzt neben der anderen, und die Königin die ist mittendrin, dann kann man die mit einem gelben oder mit dem roten Punkt im nächsten Jahr besser finden, hier ist sie, schauen Sie hier, da ist sie und jetzt nehme ich den Stift, und jetzt fixiere ich die kurz mit der Hand, dann kriegt sie den Punkt auf den Rücken drauf."

Bienenhaltung ist ein sehr komplexes Hobby, wenngleich es relativ wenig Aufwand bedeutet, wenn man sich auf ein, zwei Bienenstöcke beschränkt. Imkerverbände rechnen pro Bienenvolk und Jahr mit etwa zehn Stunden Arbeit.

Die angehenden Hobbyimker haben in allen Städten die Möglichkeit, bei Imkerverbänden praktische Erfahrung zu sammeln. Wartezeiten für entsprechende Kurse betragen bis zu einem Jahr.

"So, kippen, jetzt reinräuchern, jawohl, da könnt ihr auch was Schönes sehen, wunderbar ..."

Die Biologin Pia Aumeier leitet im Garten des Duisburger Bienenmuseums ein Seminar. Sie hat eine Wabe halb aus einem Bienenstock gezogen und mit einem Smoker Rauch darüber gesprüht.

Das treibt die nervösen Tiere zurück ins Innere des Gehäuses. Etwa 25 Nachwuchsimker zwischen 30 und 45 Jahren drängen sich bei Regen unter einer großen Markise.

Drei Kurse gibt Pia Aumeier allein an diesem Samstag. Heute steht die Aufzucht neuer Königinnen im Mittelpunkt. Die Kursteilnehmer eint der Wille, selbst etwas für eine intakte Umwelt zu tun. Ansonsten sind ihre Motive doch recht unterschiedlich:

"- Unser Honig der ist halt frei von Pestiziden und von allen möglichen Schadstoffen, wir machen`s halt vernünftig."

- "Weil ich auch gerne Honig esse, und auch gerne Met trinke."

- "Ich bin mal in einem Imkerhandel gelandet in Bochum und war so fasziniert davon, wie Bienen sich innerhalb von drei Tagen ihre Aufgabenbereiche zuteilen, ja."

Alexandra Dejerolamo will ihren Bienenstock im Hinterhof ihrer Wohnung aufstellen und muss nun erst einmal investieren: Ein Jungvolk kostet etwa 50 Euro, eine Grundausstattung rund 1.000 Euro. Im Übrigen gibt es eine Reihe sanftmütiger Arten wie die Kärtner Biene. Die sind für unerfahrene Imker geeignet - und auch für die Nachbarn.
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