Unvorhersehbare Entwicklung

07.01.2012
Felix Eikenberg, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, hält die Entwicklung in Ägypten nach dem Wahlsieg der islamischen und islamistischen Parteien für völlig unvorhersehbar. Die staatstragenden Kräfte hielten es offenbar für gefährlich, wenn demokratische Kräfte gestärkt würden.
Nicht nur die koptischen Christen seien besorgt, "sondern auch viele andere Menschen, denen es wichtig ist, dass Ägypten ein demokratisches Land wird, in dem auch Minderheiten ihre Rechte haben und geschützt werden", sagte Eikenberg am Samstag, dem Weihnachtstag orthodoxer Christen, im Deutschlandradio Kultur.

Islamische und islamistische Parteien würden zwar möglicherweise mehr als zwei Drittel aller Abgeordneten im Parlament stellen, doch sei nicht klar, wie viel Einfluss das Parlament überhaupt haben werde, so Eikenberg. Dies hänge auch davon ab, wie viel Einfluss die zukünftige Verfassung dem Militär einräumen werde.

Im Gegensatz zur Konrad-Adenauer-Stiftung sei die Friedrich-Ebert-Stiftung in Kairo nicht vom Militärrat an ihrer Arbeit gehindert worden: "Wir als Friedrich-Ebert-Stiftung haben bisher keinerlei Probleme dieser Art bekommen." Für die Zukunft könne er aber nichts ausschließen, sagte Eikenberg. Islamistische Kräfte hätten mit der Durchsuchung der Büros von ägyptischen und ausländischen Organisationen allerdings nichts zu tun:

"Es liegt eben daran, dass einige offensichtlich im Staatsapparat es als gefährlich ansehen, wenn demokratische Kräfte gestärkt werden, wenn Ägypter politisch gebildet werden."

Seit Beginn der Proteste in Ägypten vor einem Jahr habe er beobachtet, dass viele Menschen politisch viel offener geworden seien und mehr über Politik redeten, "selbst bei Menschen, wo man vielleicht nicht sofort vermuten würde, dass sie politisch interessiert sind", sagte Eikenberg. Viele Ägypter hätten das Gefühl, sie hätten etwas bewirkt und könnte auch in Zukunft noch Großes bewirken, "wenn sie zusammenstehen und wenn sie sich nicht einschüchtern lassen. Das ist eine sehr positive Erfahrung."

Gleichzeitig steige aber auch die Frustration, weil sich noch nicht so viel geändert habe, wie viele gehofft hätten. Dennoch unterstütze eine Mehrheit der Ägypter seiner Einschätzung nach nicht die Todesstrafe für den früheren Staatspräsidenten, wie von der Staatsanwaltschaft im Prozess gegen Hosni Mubarak gefordert, sagte Eikenberg.

Das vollständige Gespräch können Sie mindestens bis zum 7.6.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.


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