Unternehmer

"Vertrauen ist motivierend"

Der Unternehmer Claus Hipp
Claus Hipp führt die Geschäfte des gleichnamigen Babykostherstellers. © imago / Eibner
Claus Hipp im Gespräch mit Nana Brink · 10.03.2015
Auch in Zeiten flacher werdender Hierarchien kommen Unternehmen nicht ohne "Letztentscheider" aus, meint der Familienunternehmer Claus Hipp. Aber diese müssten den Mitarbeitern entsprechende Freiheiten gewähren und ihre Leistungen wertschätzen.
Seit vielen Jahren führt Claus Hipp die Geschäfte des Babykostherstellers Hipp und ist einer der profiliertesten Familienunternehmer des Landes. Im Rahmen der Reihe "Besser arbeiten" im Deutschlandradio Kultur skizziert er seine Vorstellungen von Führung im Unternehmen: Erfolg hätten nur Firmen mit einem "Letztentscheider", der auch die nötige Freiheit genieße. Gleichzeitig müsse im Unternehmen das Subsidiaritätsprinzip gewahrt sein. "Jeder soll all das selbst machen dürfen, wozu er in der Lage ist", sagte Hipp. "Wenn alles nur ganz eng nach oben orientiert ist und der Einzelne keine Freiheit hat, dann wird er auch nicht so motiviert sein."
Außerdem sei es wichtig für einen Unternehmer, die Verbindung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu halten. "Einerseits sollen die sehen, dass der Chef auch da ist, in der Früh schon, und der Chef soll auch wissen, wie die Arbeitsplätze sind", so Hipp.
"Man kann einen Betrieb nicht nur mit Krawattenträgern führen."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Wäre das nicht schön, unsere Arbeit würde sich unserem Leben anpassen und nicht umgekehrt, wie es ja eigentlich meistens der Fall ist, und wir könnten mehr mitbestimmen, wo und wie wir arbeiten? Diese Fragen stellen sich gerade immer mehr Menschen, nicht nur kleine Angestellte, auch Chefs von großen Firmen. Seit gestern beschäftigen wir uns hier in „Studio 9" mit diesen Fragen, die sich ja viele stellen, zum Beispiel: Wie soll ein Chef sein?
Frau: Der Autoritätsunternehmer, der hat ausgedient, meines Erachtens. Man muss das Potenzial seiner Mitarbeiter sehen und es ist sehr, sehr hoch. Wenn man das rauskitzelt, profitiert man nur davon und das ist ja schön für alle. Und das kann man auch nur im Team machen.
Mann: Was ich gelernt habe, ist zum einen, dass sich geändert hat, dass man heute nicht mehr so problemorientiert ist, sondern eher lösungsorientiert. Das heißt also vom Typ her, dass man offen kommuniziert, dass man mit seinem Team kommuniziert, dass man nicht mehr selber glaubt, dass man alles besser weiß oder dass man alles steuern kann, sondern dass die Wahrheit meistens in der Mitte liegt oder im Team, und das merkt man jetzt insbesondere jetzt hier im Umfeld, dass es nicht mehr so den klassischen Geschäftsführer gibt, sondern dass es eine Teamentscheidungsfindung immer ist.
Der Vater als Vorbild
Brink: Sieht also so der ideale Chef aus? Ist das wirklich realistisch? Wer könnte das besser beantworten als Claus Hipp, kein Baby ist wohl ohne seine Gläschenmöhren aufgewachsen, er hat den Betrieb von seinem Vater übernommen und hat viel Aufmerksamkeit bekommen für sein Buch „Achtung Anstand! – Vom Wert eines respektvollen Miteinanders". Guten Morgen, Herr Hipp!
Claus Hipp: Guten Morgen!
Brink: Wollten Sie immer Unternehmer werden?
Hipp: Der Vater war für mich schon ein Vorbild und ich bin im Unternehmen groß geworden. Ich hatte natürlich auch später mal alle möglichen anderen Ideen, aber schlussendlich bin ich auf diese Position hin erzogen worden und bin es mit Begeisterung geworden.
Brink: Was hatten Sie denn für Ideen?
Hipp: Na, ich wollte mal Musiker werden, ich wollte Schauspieler werden, ich wollte Maler werden, also alle möglichen anderen Dinge. Und mein Vater, der sehr klug war, hat gesagt: „Ob du da so gut wärst, dass die Welt auf dich wartet, das weißt du nicht. Aber hier hast du ein gutes Unternehmen, und mache die anderen Dinge, die dich erfreuen, nebenher, so gut du kannst, aber kümmere dich um die Firma." Und so habe ich es dann auch gemacht und Gott sei Dank habe ich es so gemacht.
Brink: Sind das keine schlechten Voraussetzungen, um ein guter Unternehmer zu werden?
Hipp: Voraussetzung, ein guter Unternehmer zu werden, ist sicher, dass ein Mensch von klein auf erzogen wird, für die Menschen da zu sein und nicht zu schauen, möglichst viel Geld zusammenzutragen – später müssen wir mal Rechenschaft geben, was wir damit gemacht haben. Das war bei uns in der Erziehung schon ganz wichtig, immer für die anderen da zu sein und da eben die Position zu sehen.
Keine Angst vor Fehlentscheidungen
Brink: Und haben Sie von Ihrem Vater dann gelernt, was Führung ist? Also hat er Sie geprägt in dieser Beziehung?
Hipp: Ja, der Vater hat natürlich sehr stark geführt. Damals war die Zeit auch noch anders. Heute könnte man das in der Form nicht mehr machen, aber er hat es sehr gut gemacht. Heute ist es so, dass wir im Unternehmen ähnlich wie ein Spielführer in einer Mannschaft jemanden brauchen, der vorne steht, aber ohne Mannschaft kann er nichts machen. Aber eine Mannschaft ohne Spielführer wird auch nicht erfolgreich sein.
Brink: Nun ist das ja so ein Geben und Nehmen. Ich will noch mal ein bisschen auf Ihre Anfangsjahre zurückgehen in den 60er-Jahren: Da hat sich ja seitdem viel verändert. Haben Sie das lernen müssen im Laufe der Zeit, weil Sie jetzt sagen, Sie sind ein Teamplayer?
Hipp: Das war ich eigentlich schon von Anfang an gewesen, aber trotzdem immer wissend, dass einer das letzte Wort haben muss, das schnell entschieden werden muss, und wenn eine Entscheidung schlecht ist, dass sie schnell wieder korrigiert werden muss. Das erfordert dann auch ein bisschen Demut und Bescheidenheit, zu sagen: Ich habe einen Fehler gemacht. Wer schnell entscheidet und korrigiert, ist sicher besser als einer, der nur zögert und keine Fehler machen will. Dann macht er nämlich gar nichts.
Brink: Aber es muss einer am Ende entscheiden, das sagen Sie schon? Also der Chef an sich als der Entscheider, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auf den kann man nicht verzichten?
Hipp: Der Letztentscheider ist notwendig und wenn wir schauen: Erfolg haben immer nur Firmen mit einem entsprechenden Letztentscheider, der auch die nötige Freiheit hat. Und wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät, dann ruft man auch nach der starken Hand und nach dem Letztentscheider. Aber er muss es so machen, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert sind, dass sie selbst auch unternehmerisch denken und dass das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird. Also jeder soll all das selbst machen dürfen, wozu er in der Lage ist.
"Vertrauen wächst in dem Maß, in dem es geschenkt wird"
Brink: Da würde ich ganz gern noch mal einhaken, denn in Ihrem Buch, das habe ich schon zitiert, „Achtung Anstand!", schreiben Sie: „Wesentlicher als ein angemessener Lohn ist, dass Mitarbeiter wertgeschätzt werden und ihre Leistungen anerkannt werden." Wie zeigen Sie das denn oder auch das Führungspersonal in Ihrem Unternehmen Ihren Mitarbeitern?
Hipp: Es ist sicher wichtig, mehr zu loben als zu tadeln und Freiheiten zu geben, Vertrauen zu schenken. Vertrauen wächst in dem Maß, in dem es geschenkt wird. Das ist motivierend. Wenn alles nur ganz eng nach oben orientiert ist und der Einzelne keine Freiheit hat, dann wird er auch nicht so motiviert sein.
Brink: Das heißt aber doch eigentlich, dass Sie Ihre Mitarbeiter – und ich überlege mir das jetzt gerade bei Ihnen, das sind ja über 2.000 – doch eigentlich sehr genau kennen müssen, um dann auch einzuschätzen: Was können die alleine und was können sie nicht alleine?
Hipp: Ich kenne meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zu einem gewissen Grad, und der Einzelne kann ja beweisen, was er kann und was er nicht kann. Wenn er also was nicht kann, dann war er eben am falschen Platz eingesetzt, vielleicht kann er dafür was anderes umso besser. Aber das gehört zur Führung, jeden nach seinen Fähigkeiten, nach seinem Können so einzusetzen, dass es halt passt. Das ist ähnlich wie im Sport.
Brink: Aber ich fand das ganz interessant, in Ihrem Buch erwähnen Sie ja auch: Den meisten Managern und Unternehmern ist die Bodenhaftung heutzutage abhandengekommen, das heißt, die wissen gar nicht mehr, wie ihre Mitarbeiter ticken, die kennen die Lagerhalle nicht mehr, die wissen gar nicht wirklich, was sie tun.
Hipp: Das ist sehr wichtig, die Verbindung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu halten. Einerseits sollen die sehen, dass der Chef auch da ist, in der Früh schon, und der Chef soll auch wissen, wie die Arbeitsplätze sind. Ich habe als Kind hier schon im Betrieb gespielt, bin hier groß geworden: Ich kenne das natürlich alles. Und meine Kinder haben auch Lehrzeit gemacht nach dem Studium. Die Beziehung zur praktischen Arbeit, die ist von großer Bedeutung. Man kann einen Betrieb nicht nur mit Krawattenträgern führen und man kann ihn nicht ohne die Menschen führen, die die praktische Arbeit machen.
Ein Unternehmer muss seine Mitarbeiter mögen
Brink: Aber wenn wir jetzt immer dieses Shareholder-Value-Prinzip eigentlich noch vor Augen haben, dann spricht ja alles dafür, dass es doch große Unterschiede gibt, ob man sein eigenes Unternehmen führt wie Sie oder als Manager angestellt ist.
Hipp: Sicher hat das Führen des eigenen Unternehmens gewisse Vorteile. Ich kann langfristig denken. Ich kann zu Hause entscheiden: Wir verzichten auf einen Teil des Ertrags, weil wir langfristig dann rechnen, dass es besser wird, wenn wir andere Dinge investieren. Wenn ich aber beurteilt werde nach dem Aktienkurs alle vier Wochen, dann werde ich zwangsläufig kurzfristig denken müssen. Und das kann zulasten des Unternehmens gehen.
Brink: Also wenn Sie noch mal einen Blick in die Zukunft werfen: Wie muss der Unternehmer der Zukunft aussehen im 21. Jahrhundert?
Hipp: Unternehmer ist immer eigentlich das Gleiche, da wird sich nichts ändern: Er muss Verantwortung tragen, er muss vorausschauen, er muss seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gern haben und muss mit ihnen zusammenarbeiten, und vor allem die Menschen schätzen und immer auch jeden so behandeln, wie er selbst behandelt werden will. Dann werden die großen Fehler vermieden.
Brink: Der Unternehmer Claus Hipp. Danke, Herr Hipp, für Ihre Zeit!
Hipp: Gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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