Unterhaltsam, wirkungssicher, konventionell

Von Hartmut Krug · 08.11.2012
Daniel Kehlmanns Wiener Auftragsstück "Der Mentor" war mit großen Erwartungen beschwert. Beinahe wäre die Uraufführung geplatzt, weil Hauptdarsteller Michael Degen erkrankte. Der Regisseur Herbert Föttinger, zugleich Intendant des "Theaters in der Josefstadt", sprang ein.
Zuerst wird dem alten, berühmten Schriftsteller Benjamin Rubin die Bühne bereitet. Er ist als Mentor für den jungen Autor Martin Wegner von einer Stiftung für eine Woche und ein vierstelliges Honorar in ein Landhaus eingeladen. Hier soll er mit Wagner über dessen neuestes Werk diskutieren, soll ihm Anregungen vermitteln.

Eitel und anspruchsvoll, seine Bonmots mehrfach wiederholend, so überrollt die Schriftstellerlegende Rubin den Organisationsfunktionär der Stiftung. Mit ihrem fast kabarettistischen Witz gibt die erste Szene das Klima des Stückes vor, das sich als pointenreiches Sprechstück mit Schriftstellerdasein und –bewusstsein auseinander setzt.

Als der junge Kollege mit seiner Frau eintrifft, ist von Beginn an klar: Es wird nicht gut gehen mit den Schriftstellern, sondern zum Kampf kommen. Nachdem Rubin Wegners neues Werk "Namenlos" gelesen hat, verklausuliert er seine kategorische Kritik zunächst, aber dann wird er deutlich: Das ganze Werk des erfolgreichen Jungkollegen tauge nichts, denn "reiner Blödsinn macht noch kein Geheimnis."

Das Problem: Rubin war einst erfolgreich, Wagner aber ist es im Augenblick. Rubins Erfolgsstück "Der lange Weg", das er vor langer Zeit im Alter von 24 Jahren schrieb, ist nur noch im Reclam-Band statt im öffentlichen Bewusstsein oder auf der Bühne vorhanden, und ähnlich Bedeutendes hat Rubin nie wieder geschrieben. Während Wegner auf viel Erfolg bei der aktuellen Kritik verweisen kann, - in einer wird er sogar als "Die Stimme einer Generation" bezeichnet.

Auf leerer, kiesbestreuter offener Bühne, vor einigen an die Rückwand gelehnten Resten alter Requisiten, arrangieren sich die vier Protagonisten nun zum Kampfspiel über Probleme der Kunstproduktion und des Künstlerlebens. Der Stiftungsfunktionär betätigt sich selbst künstlerisch und präsentiert seine Malereien auf dem iPod während die attraktive Frau des Jungautors, die als fest im Nationalmuseum angestellte Kunsthistorikerin das Geld in die Ehe bringt, seit Jugendzeiten von Rubins "Der lange Weg" schwärmt. Als der vom selbstbewusst und böse bramabarsierenden Rubin verunsicherte Wegner seine Frau direkt fragt, wie sie seine Arbeiten findet, kommt zur künstlerischen Bewusstseins- auch noch die Ehekrise hinzu. Künstlerischer Schaffensdruck gegen Kinderwunsch, Alltag mit schmutzigem Geschirr gegen den sich abschottenden Egoismus des Autors, und ausweichende bis skeptische Sätze der Frau zum Werk ihres Mannes, - all das führt nach dem heftigen Streit mit Rubin über Realismus und Phantasie zum Desaster.

Wegner reist wütend ab, zerstört sein Werk "Namenlos" auf dem Papier und in allen Sticks "Namenlos", während sich seine zurückbleibende Frau von Rubins Sprüchen zu Wunsch und Wirklichkeit, Traum und Realität zu einem Seitensprung verleiten läßt. Was allerdings wenig überzeugt, gibt Ruth Brauer-Kvam, auch wenn sie ihre körperliche Attraktivität ausgiebig ausstellt, dieser jungen Frau zugleich eine selbstbewusste Intelligenz mitgibt. Warum sie auf den Sprüche klopfenden alten Dichter hereinfällt, den der für die Rolle zu junge Herbert Föttinger nur als attraktiven Bonvivant gibt, statt ihm Echtheit mit Selbst- und Schaffenszweifeln zuzugestehen, das ist nur mit dem bewussten Boulevardcharakter des Stückes zu erklären. Denn wenn Wegner (Florian Teichtmeister gibt ihn schön zwischen Selbstbewusstsein und Zweifeln zerrissen) mit Resten seines Manuskriptes zurückkommt, kann er allein anerkennende Anmerkungen Rubins auf dem Manuskript vorweisen. Und die Ahnung kommt auf, dass Rubins abwertende Anmerkungen wohl ein Manöver waren, um der jungen Frau zu gefallen.

Daniel Kehlmann hat ein wirkungssicheres, konventionelles "well made play" geschrieben. Das von seinen Pointen und seinen vier pointierten Rollen lebt, nicht etwa von neuen Erkenntnissen über den Kulturbetrieb und schriftstellerische Schaffensweisen. Die Wiener Uraufführung dieses etwas dünnen Stückes bewies immerhin, dass Kehlmanns "Der Mentor" durchaus boulevardesken Unterhaltungswert besitzt.

Der Mentor
Theaterstück von Daniel Kehlmann
Regie: Herbert Föttinger
Theater in der Josefstadt in Wien

Halbszenische Gespenstersonate - Daniel Kehlmanns erstes Theaterstück wurde bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, (DKultur, Fazit)
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