Unkrautvernichtungsmittel im Naturschutzgebiet

09.12.2011
Bei Stabeshöhe, einem kleinen Dorf nordöstlich von Berlin, wurden erhöhte Pestizidwerte gemessen - und das in einem Naturschutzgebiet. Die Einwohner machen einen Landwirt dafür verantwortlich, der in der Umgebung Mais anbaut.
Der Wind rauscht durch die Baumwipfel in Stabeshöhe, einem kleinen Dorf etwa 100 Kilometer nordöstlich von Berlin. Gelbe Schilder mit schwarzem Eulensymbol weisen auf das Naturschutzgebiet hin. Ein Idyll, das es aber in sich hat:

"Da ist mein kleiner Sohn, noch im Herbst hat er gesagt: `Mensch, da kann ich doch baden gehen, da sind ja gar keine Pflanzen drin. Das ist so schön weiß alles, das ist ja wie am Strand.’ Und dann ist er da reingegangen und hat so komische Schaumbildung gegeben. Und dann hat er so komisch gerochen. Und dann habe ich gesagt, ‚Jasper, Du musst da sofort rausgehen, aus diesem Bach, das sieht überhaupt nicht gesund aus,`"

klagt Willi Kellers. Die Nachbarn ließen das Wasser analysieren und begutachten. Ergebnis: Simazin, ein Gift, das EU-weit seit 2004 nicht mehr ausgebracht werden darf und weitere acht Pestizide wurden gefunden. Sechs von ihnen lagen deutlich über den Grenzwerten für Trink- und Grundwasser. Bei Terbuthylazin wurden die Grenzwerte sogar um das 117-fache überschritten. Der Stoff wird im Boden nur sehr langsam abgebaut und ist hochgiftig.Und der Soll war voll mit Glyphosat, ein Unkrautvernichtungsmittel, das weltweit beim Maisanbau eingesetzt wird. Frank Sturm sitzt in seinem Wintergarten und zeigt aus dem Fenster zu dem kleinen Gewässer:

"Ja, in diese Richtung ist der Soll, umstanden noch von Gräsern, etwas sumpfig auch und am Ende dieses Solls gibt es einen breiten Betonring, wo dann das Wasser abgeht unterirdisch bis zum Naturschutzgebiet."

Dass da etwas nicht stimmt, merkten die Stabeshöher, weil in ihrer Umgebung außer ein paar Elstern kaum noch Tiere zu finden waren. Die früher häufigen Schmetterlinge, Vögel und Insekten und Frösche waren verschwunden. Der Imker klagte über den Verlust mehrerer Bienenvölker. Sie ahnten auch, wo das Gift her kommt: von den umliegenden Feldern:

"Wir haben natürlich einen Verdacht. Das ist ja sind ja Wirkstoffe, die mit der Landwirtschaft zu tun haben. Und dadurch, dass hier viele Jahre hintereinander Mais angebaut wurde, ohne Fruchtwechsel, konnten wir uns das ziemlich gut erklären."

Der verantwortliche Landwirt ist Stefan Fürstenau aus dem Nachbarort Jakobshagen. Er redet auch gar nicht lange drum herum:

"Ick sag mal ‚Ja’, da wir Flächennutzer und auch Flächeneigentümer sind, und die Flächen dementsprechend auch bewirtschaften, sind wir da erst mal die Schuldigen an dem Pflanzenschutzeintrag."

Das brandenburgische ‚Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung’ hat den Fall untersucht. Die amtlichen Messungen bestätigten die Pestizidbelastungen. Frank Sturm zitiert aus dem Abschlussbericht:

"'Dort wird zum Beispiel gesagt, dass drei Wirkstoffe konnten in sehr geringen Konzentrationen im Warthesee nachgewiesen werden. Konnten also noch im Oktober im Warthesee nachgewiesen werden, was also bedeutet, dass im Sommer wesentlich erhöhtere Konzentrationen dort vorkommen müssen."

Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag stellten eine Kleine Anfrage zum Thema an die Landesregierung und kritisieren, anstatt die landwirtschaftliche Praxis vor Ort als Ursache für die Vergiftung verantwortlich zu machen, schiebe das Amt die Schuld auf den zu feuchten Sommer. Das tut auch Landwirt Fürstenau:

"Gerade im Juni nachher und im Juli waren sehr hohe Niederschläge, und dadurch wurde eben ein Teil der Pflanzenschutzmittel, die da ausgebracht wurden, eben abgeschwemmt und ins Soll eingetragen."

Einzige Konsequenz bisher die Auflage an den Landwirt: rund um den Soll muss er einen zusätzlichen Randstreifen von neun Metern anlegen.