Universität UCLA

Wo das Internet geboren wurde

Leonard Kleinrock, a computer science professor who on October 29, 1969 headed a team that sent the first message over the ARPANET
Leonard Kleinrock hat mit seinen Studenten 1969 eine erste Nachricht über den Vorgänger des Internets gesendet © AFP PHOTO / Robyn Beck
Von Moritz Metz · 30.10.2014
Die erste Nachricht, die übers Netz übertragen wurde, war also "LO"! Leonard Kleinrock muss es wissen, denn er und sein Team haben vor 45 Jahren die allererste Internet-Verbindung der Welt hergestellt.
Die UCLA in Los Angeles ist eine riesige Universität – aber dass sie auch der Geburtsort des Internets ist, das wissen die wenigsten Studenten.
Moritz: "Weißt du, wo das Internet geboren wurde?"
Studentin: "Wann es geboren wurde? Ich weiß nicht."
Moritz: "Hier. Wusstest du das?"
Studentin: "Nein!"
Moritz: "Hast Du davon gehört?"
Student 1: "Nein, das hat mir noch niemand erzählt."
Moritz: "Das war 1969!"
Student 1: "Interessant, wusste ich nicht."
Student 2: "Ja, hier an der UCLA, da drüben an der Buelter Hall."
Die Studenten erleben das Internet als Selbstverständlichkeit - es ist einfach so gut wie immer da. Auch in den gelblichen Gängen des Buelter-Gebäudes, die aussehen, als wäre dort die Zeit stehen geblieben.
Kleinrock: "Ich bin Leonard Kleinrock. Wir sind in meinem Büro an der UCLA-Informatikfakultät.Ich arbeite hier seit 50 Jahren."
Kleinrock ist im "Hall of Fame" des Internets
Professor Kleinrock ist bald 80 Jahre alt - aber wach und drahtig wie in den 1960ern. Der Mann aus Harlem, New York ist eigentlich schon pensioniert, betreibt aber noch sein vollgestopftes Büro an der Universität. Kleinrock ist Autor von über 250 wissenschaftlichen Papieren und hält 17 Patente. Er ist Mitglied der "Internet Hall of Fame" und George W. Bush hat ihm die "National Medal of Science" der USA umgehängt.
Kleinrock: "Meine Diplome hängen hier gar nicht hier - das sind alles die Preise."
Der Hauptverdienst von Leonard Kleinrock ist seine Doktorarbeit von 1961. Darin beschrieb er, dass Daten in Datenpaketen durchs Netz wandern sollten - das ist noch heute so. Und 1969 hat Prof. Kleinrock mit seinem Team die erste Internetverbindung der Welt hergestellt.
Kleinrock: "1969 sind ein paar wichtige Dinge passiert, der erste Mann auf dem Mond, Woodstock, Charles Manson, die New York Mets haben die World Series gewonnen - und das Internet. Das damals Unterbewertetste war das Internet!"
Kleinrock führt über den Flur von seinem Büro in das Geburtszimmer des Netzes, seit Kurzem das "Kleinrock Internet History Center, ein Mini-Museum für Internetgeschichte.
Kleinrock: "So, Sie sind gerade direkt in die 60er-Jahre eingetreten, fühlen sie es? Die Farben sind so, wie als ich noch jung war. Und diese Maschine da drüben ist das erste Internet-Gerät der Welt! Ich will mal fragen: Wieviele Revolutionen kennen Sie, wo sie genau sagen können, wann und wo sie ihren Anfang nahmen, innerhalb von einem Quadratmeter. Nicht allzu viele! Aber hier gehts. 29. Oktober 1969, genau hier stand sie!"
Der Geruch des Internets
Bedeutend für die Internet-Revolution war der Internet Message Processor, kurz IMP, eine Art prähistorischer DSL-Router im Kühlschrankformat, der die damaligen Supercomputer der Universitäten verbinden sollte. Heute ist er ein Ausstellungsstück:
Kleinrock: "Wenn ich hier öffne, vorsichtig, weil dieses Scharnier schwächtelt - sieht man wie unvorstellbar hässlich der IMP ist. Es ist eine wunderbar hässliche Maschine!"
Der weltweit erste IMP ging am 30. August 1969 zum Team von Professor Kleinrock. Aufwändig wurde der tonnenschwere Router in den 3 Stock gehoben. Der Geruch ist der Maschine geblieben:
Kleinrock: "Das Einzigartige ist der Geruch - den hat nur diese tolle Maschine, den kriegt man nicht ins Radio aber riechen sie mal! Ich würde ihn gerne in Flaschen verpacken und durchs Netz schicken."
Was hier in diesem Raum vor 44 Jahren geschah, war der Grundstein des damaligen ARPA- und des heutigen Internets.
Kleinrock: "Es war nachts, es gab schon zwei IMPs, einen hier an der UCLA und einen in Stanford, 400 Meilen nördlich von hier. Und die erste Hochgeschwindigkeits-Internetleitung, die diese beiden Geräte verband. Mit 50.000 Bits pro Sekunde, das war damals richtig schnell!"
Die Verbindung ging zum Stanford Research Institute, einem Forschungstandort im späteren Silicon Valley, das auch einen IMP besaß. Die Studenten Charlie Kline und Bill Duvall bedienten die Terminals an den jeweilgen Endstellen.
Kleinrock: "Unser Universitätscomputer "Sigma 7" war mit dem IMP verbunden. Und der über den IMP in Stanford mit deren Hauptcomputer. Wir wollten uns einfach über ein Teletype-Terminal, das an unseren Hauptcomputer angeschlossen war, in den Stanford-Rechner einloggen. Um sicher zu sein, dass es funktioniert, hingen wir währendessen am Telefon! Charlie telefonierte mit Bill. Charlie tippte L und sagte: L gekriegt? Bill sagte: L gekriegt! - O gekriegt? - O da! - G? Dann ist es abgestürzt. Was war also die erste Nachricht, die übers Netz geschickt wurde? Lo, so wie Lo and Behold! Sie müssen wissen: Wir hatten keine Kamera, kein Aufnahmegerät. Nur einen schriftlichen Eintrag in einem Protokoll. Aber auch keine gute Nachricht! Denken sie an Samuel Morse. Der hatte ne gute Nachricht. 'Was hat Gott bewirkt?' Oder Alexander Graham Bell 'Komm rüber, Watson'. Oder Amstrong 'großer Schritt für die Menschheit.'"
Lo and Behold ist ein mittelenglischer Ausspruch, aus dem 18. Jahrhundert für "Sehe und staune!" oder "Sieh an!"
Kleinrock: "Aber das ist das Beste! Wir hätten nichts kürzeres, prägnanteres, prophetischeres haben können als 'lo and behold!' Aber es war nur Zufall."

Meine Standardfrage stelle, wo das Internet denn lebt, die gibt der Altvordre weiter an sein Smartphone - und damit ans Netz.
Kleinrock: "Wo lebt das Internet?"
"Schwierig! Lass mich das Internet für dich durchsuchen!"
Kleinrock: "Das ist lustig - aber falsch!"

Programmtipp: Die Reportage ist übrigens Teil eines mehrstündigen Radiofeatures namens "Wo das Internet lebt" von Moritz Metz, das gibt es als aufwändig bebilderte Audioslides auf der Website von ARTE Future - und als Radiofeature bei der Sendung Breitband im Deutschlandradio Kultur.

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