Unerwünscht

Kosovaren in Deutschland und die Arbeit der Schlepper

Ein Kosovo-Albaner schaut am 15.4.1998 kurz vor seiner Abschiebung auf dem Münchner Flughafen durch das Fenster eines Gefangenentransporters der Polizei.
Fast alle Flüchtlinge aus dem Kosovo müssen zurück in ihr Heimatland - wie dieser Kosovo-Albaner, aufgenommen kurz vor seiner Abschiebung auf dem Münchner Flughafen. © picture-alliance / dpa / Jan Nienheysen
Von Susanne Lettenbauer · 23.02.2015
Der Kosovo erlebt seit Wochen eine Ausreisewelle von ungeahntem Ausmaß. Warum die Flüchtlinge alles hinter sich lassen und wie sie – mit fragwürdigen Helfern – nach Deutschland gekommen sind, darüber berichtet Susanne Lettenbauer aus Bayern.
"Sie habe ich mitgenommen von Wien von einer Tankstelle. Sie haben mich gebeten sie mitzunehmen. Dieser Junge ist 16 Jahre."
Autobahn A8 kurz hinter Rosenheim. Ein Kosovare wird von der Bundespolizei verhört. In seinem Mercedes gleich nebenan sitzen vier seiner Landsleute. Er habe sie von Wien mitgenommen, sagt der als Schleuser verdächtige Mann.
"Sie haben mich gebeten, ob ich sie nicht mitnehmen kann, habe gesagt, ja klar, steigt einfach ein, sie reden die gleiche Sprache so wie ich, sie haben mir leidgetan, aber der einzige Fehler war von mir, ich habe sie nicht gefragt nach dem Pass."
Wenn man gefragt werde, ob man nicht helfen könne, dann sagt man doch nicht nein, betont der schlaksige Mann.
Die Bundespolizei Rosenheim kennt das Problem.
9400 Flüchtlinge sind im letzten Jahr von den Rosenheimer Beamten aufgegriffen worden, die meisten kamen aus den Balkanstaaten. Im Februar zählte die Polizei gut 300 unerlaubt Eingereiste aus dem Kosovo. Sie kommen mit Bussen, Autos, in Güterwagons, als Tramper oder per Bahn Richtung Deutschland. Zu Zehntausenden.
Die Situation in der Heimat sei unerträglich für die Menschen. Der Mercedes-Fahrer kann sie verstehen:
"Die Situation im Kosovo ist eine Katastrophe. Die Leute kriegen nur 150 Euro Lohn und so. Ich habe sie aus Mitleid mitgenommen und jetzt schau, was ist passiert."
Fast alle müssen zurück
Weniger als ein Prozent der Flüchtlinge aus dem Kosovo haben die Chance auf ein Asyl in Deutschland. Die anderen – sprich fast alle – müssen zurück, sagt. Christian Pfleger, Leiter des Rückführwesens der Polizeiinspektion Rosenheim. So will es das Gesetz, ergänzt er entschuldigend.
Für ein, zwei Tage bietet Deutschland den Kosovaren eine Unterkunft. Dann bringen die Bundespolizisten sie zurück an die österreichische Grenze.
Viele gehen freiwillig und kommen dann eine Zeit später wieder.
"Also wir sind mit einem Auto gekommen, wir wussten nicht richtig wie hierher kommen. Dann waren wir in Austria, haben da einen Bus genommen und sind hergekommen."
Einmal muss es doch klappen, sagt diese Kosovarin in München im Erstaufnahmelager Bayernkaserne. Die Situation in der Heimat sei gerade für ihre fünfjährige Tochter inakzeptabel:
"Die Tochter von uns ist das nicht gut. Es gibt Korruption. Wenn du in Arbeit bist, sie respektieren dich nicht, wenn du arbeitest gibt es keine Dokumente. Wofür arbeiten wir da? Für gar nichts."
In den 1990er-Jahren lebte die junge Frau in der Nähe von Passau, lernte Deutsch und musste dann nach dem Balkankrieg mit ihrer Familie wieder in den Kosovo ausreisen. Seitdem wollte sie immer wieder zurück nach Deutschland.
Versprechen auf Arbeit in Deutschland
Man habe ihnen im Kosovo versprochen, dass es in Deutschland Arbeit gäbe. Es ginge ihr und ihrem Mann gar nicht um die Sozialhilfe, die Flüchtlingen zusteht. Jetzt wieder zurückkehren zu müssen, wäre für sie unvorstellbar:
"Ich habe gehört, dass ein Monat oder zwei Wochen, was für eine Katastrophe. Das ist nicht ok, wir haben gespart, um hierher zu kommen. Es gibt Menschen, die alles verkauft haben. Wenn wir nach zwei Wochen wieder zurückmüssen, dann haben wir gar nichts. Wir sind null."
Die Asylsozialarbeiterin Elisabeth Ramzews will der kosovarischen Familie keine Hoffnung machen, auch wenn es ihr schwerfällt. Sie betreut in der Münchner Bayernkaserne die Asylbewerber aus Syrien, aus dem Irak, aus Eritrea, aber die Perspektiven für Menschen aus dem Kosovo – schwierig:
"Wir haben ja bei den Kosovaren das Phänomen, dass die Mittelschicht geflohen ist, die Kinder wurden wohl aus der Schule genommen, Arbeitsplätze wurden verlassen. Denn man ist ja sichtlich auf irgendwelche Versprechen durch Schlepper hereingefallen, das wird den Menschen hier nichts bringen."
Viele Mittelsmänner verdienen an ihrer Sehnsucht nach einer heilen Welt, das weiß die kosovarische Familie – Schmuggler im Kosovo, in Serbien, in Ungarn. Trotzdem haben sie einen Kredit aufgenommen für die Reise nach Deutschland, den müssen sie jetzt abbezahlen. Nur wie?
"Natürlich die Merkel oder so, also mindestens, mindestens ein Jahr sollen sie uns lassen, dass wir etwas machen, bisschen, bisschen Geld sparen, dass wir in unser Land gehen, aber so, mit null Cent? In unser Land? Das ist nicht okay."
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