Umweltskandal 2006 in Afrika

Der giftige Schlamm und die Folgen

Eine Frau aus der Elfenbeinküste hält einen Scheck hoch, mit dem sie für Gesundheitsschäden durch die illegale Abladung von Giftmüll in Abidjan entschädigt wird.
Eine Frau aus der Elfenbeinküste hält einen Scheck hoch, mit dem sie für Gesundheitsschäden durch die illegale Abladung von Giftmüll in Abijan entschädigt wird. © AFP/ Sia Kambou
Von Bettina Rühl · 19.08.2016
Am 19. August 2006 wurden rund 500 Tonnen Giftmüll in der westafrikanischen Elfenbeinküste abgeladen. Das Unternehmen, das den Tanker mit der Fracht gechartert hat, war die Entsorgung zu teuer. Das bisher größte Umweltverbrechen Afrikas beschäftigt bis heute die Justiz.
2. Juli 2006. Im Hafen von Amsterdam wird der Tanker "Probo Koala" bis zum späten Abend entladen. Am nächsten Morgen weht der Wind beißenden Gestank in die benachbarten Wohnviertel. Eine der Anwohnerinnen erklärte später vor einem Gericht in Amsterdam:
"Es war ein sehr chemischer, ekelhafter Geruch. Mir wurde übel, ich spürte einen starken Hustenreiz und bekam furchtbare Kopfschmerzen. Gegen elf Uhr riefen wir die Polizei an. Zu diesem Zeitpunkt war der Gestank schon sehr intensiv, als würde er in einer dichten Wolke vorbeistreichen. Ich hatte während des ganzen Tages keinen Appetit. Als ich um fünf Uhr von der Arbeit nach Hause fuhr, war mir immer noch übel und schwindlig, und ich hatte Kopfschmerzen."

Unweltverbrechen bisher unbekannten Ausmaßes in Afrika

Wie sich durch die Analyse von Proben herausstellt, hat die "Probo Koala" giftigen Ölschlamm geladen, und nicht, wie deklariert, harmlosen Abfall. Für 544.000 Euro, so das Angebot, könnte der toxische Schlamm fachgerecht entsorgt werden. Dem niederländischen Unternehmen Trafigura, das den Tanker gechartert hat, ist das zu viel. Der bereits gelöschte, giftige Schlamm wird wieder geladen, die "Probo Koala" verlässt Amsterdam.
Warum die Behörden das Auslaufen gegen die Gesetzeslage erlauben, ist unklar. So beginnt eines der größten Umweltverbrechen in Afrika.
Am 19. August 2006 macht die "Probo Koala" im Hafen von Abidjan fest, der größten Stadt des westafrikanischen Staates Elfenbeinküste. Vorher hat die Mannschaft vergeblich versucht, die giftige Ladung in Estland, Togo oder Nigeria loszuwerden. Am nächsten Morgen werden die Bewohner von Abidjan auf unangenehme Weise geweckt.
"Es war furchtbar, plötzlich hat es so süßlich gerochen, und bald darauf haben wir keine Luft mehr bekommen. Im Haus war es fast unmöglich zu atmen, wir sind dann raus auf die Straße, aber da war es noch viel schlimmer. Also sind wir wieder rein und haben durch Stofftücher geatmet, die ganze Nacht und in großer Angst. Wir haben sehr gelitten."

Illegale Entsorgung

Zehntausende hatten ähnliche Symptome, suchten Hilfe in medizinischen Zentren in der ganzen Stadt. Sie litten unter Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmerzen, Unterleibschmerzen, Reizungen der Haut und der Augen sowie Lungen- und Magenproblemen. Wie Ermittler später herausfanden, hatte Trafigura eine neu lizenzierte Firma aus der Elfenbeinküste damit beauftragt, die rund 500 Tonnen Giftmüll aus der "Probo Koala" zu entsorgen. Am Abend des 19. August wollten LKW-Fahrer den stinkenden Schlamm auf einer offenen Mülldeponie loswerden.
Nach der ersten Fuhre wurde die Deponie geschlossen, wohl wegen des beißenden Gestanks. In Panik luden die LKW–Fahrer den dickflüssigen, rot-braunen Schlamm-Brei daraufhin an mehreren Stellen in der Stadt aus. Spätere Analysen ergaben, dass der Abfall giftige Schwefelverbindungen enthielt, in hoher Konzentration sind sie tödlich.
Lucy Graham von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International:
"Etwa 100.000 Menschen brauchten medizinische Hilfe. Die Orte, an denen der giftige Schlamm entladen worden war, mussten aufwendig gesäubert und entgiftet werden. Nach Angaben der Behörden starben 15 Menschen."

Andauernder Kampf um Entschädigung

Seitdem kämpfen die Opfer um Entschädigung. Erst im März dieses Jahres hat eine Organisation der Opfer in Amsterdam Klage gegen Trafigura eingereicht. Sie wollen Schadenersatz für körperliche Folgen der Vergiftung. Das Rohstoff-Handelsunternehmen hat bereits an die Elfenbeinküste rund 150 Millionen Euro bezahlt, dabei aber jegliche Verantwortung zurückgewiesen. Nach einem Verfahren in Großbritannien bekamen außerdem rund 31.000 Opfer insgesamt 33 Millionen Euro Schadenersatz. Damit erhielt rechnerisch jeder Geschädigte etwa 1.150 Euro.
"Zehn Jahre nach dem Umweltskandal leiden die Opfer noch immer unter den langfristigen Folgen dieser illegalen Giftmüllentsorgung. Niemand weiß, wie viele Menschen betroffen sind, weil die Regierung der Elfenbeinküste nicht überwacht, welche Langzeitfolgen die Vergiftung möglicherweise hat. Und erst in diesem Jahr wird das Umweltprogramm der Vereinten Nationen überprüfen, ob die Orte, an denen der Giftmüll illegal abgeladen wurde, wirklich komplett de-kontaminiert worden sind."
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