Umweltpolitik

"Das macht die Systematik der Energiewende kaputt"

Robert Habeck im Gespräch mit Nana Brink · 21.01.2014
Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck hat Pläne von Wirtschaftsminister Gabriel kritisiert, die Windkraftförderung zu reduzieren. Eine Deckelung, die den Zubau bremse, mache die Energiewende kaputt, sagt Habeck im Deutschlandradio Kultur.
Nana Brink: Komplett umstellen will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Förderung erneuerbarer Energien. Das soll bei der Kabinettsklausur in Meseberg beschlossen werden, schon diese Woche. Was steht drin in dem Papier? Auf jeden Fall stehen die erneuerbaren Energien nicht mehr auf der Sonnenseite, wie eine Tageszeitung fantasievoll formulierte. Zumindest nicht mehr so wie früher, denn Gabriel will die Förderkosten für neue Ökostromanlagen deutlich senken. Warum will er das? Um den Preisanstieg beim Strom zu bremsen. Wie will er das? Statt bisher durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde für Windräder, Solar- und Biogasanlagen soll die Vergütung im Jahr 2015 im Schnitt nur noch zwölf Cent betragen. Und windstarke Standorte sollen weniger gefördert werden als bisher. Klar, dass diese Absichten vor allem in Ländern mit viel Windkraft für einen Sturm der Entrüstung sorgen. Robert Habeck ist grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein und jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Habeck!
Robert Habeck: Guten Morgen, grüß Sie!
Brink: Die Pläne von Wirtschaftsminister Gabriel hat Ihr Chef, Ministerpräsident Torsten Albig, volkswirtschaftlich unsinnig genannt, weil gerade der Ökostrom von Windrädern an Land, wie in Schleswig-Holstein, besonders günstig sei. Wie sehen Sie das?
Habeck: Das sehe ich natürlich ganz genauso. Das ist auch keine überraschende Nachricht, das sagen wir im Grunde, seitdem diese Debatte Fahrt aufgenommen hat. Aber wir sagen es nicht, weil wir in Schleswig-Holstein wohnen und die Dinger vor der Tür haben – für viele Menschen sind die ja auch eine Belastung. Sondern wir sagen es, weil das Verhältnis gewahrt sein muss, dass wir viel von dem günstigen Strom haben, und zwar für Deutschland, nicht für Schleswig-Holstein, und möglichst wenig vom teuren Strom. Und was Gabriel macht, ist, er deckelt, er bremst den Ausbau des günstigen Stroms. Wir kriegen aber möglicherweise dann mehr von dem teuren, und das hat mein Ministerpräsident völlig zu Recht als Quatsch bezeichnet.
"In dem Papier sind Anknüpfungspunkte"
Brink: Aber sind die Überlegungen von Gabriel nicht eine gute Grundlage? Denn die Grünen plädieren doch selbst für eine geringere Vergütung von Wind- und Sonnenstrom, weil es sonst ja keiner mehr bezahlen kann.

Windräder und Stromleitungen
Habeck: Gabriels Pläne drosseln Windenergie© picture alliance / dpa / Bernd Settnik
Habeck: In der Tat würde ich da mit Jein antworten. Also auch nicht Nein brüllen, so wie ich Altmaier immer widersprochen habe, wenn er mit wirklich komischen Zahlen und so einer Ich-verändere-die-Welt-Attitüde agiert hat und ich immer gesagt habe, Leute, es gibt ein rationales Problem, zu dem müssen wir kommen, aber uns diesen ganzen Bohei sparen. So warne ich auch jetzt davor, zu sagen, das ist der Untergang der Energiewende, was Gabriel da macht. So ist es nicht. In dem Papier sind Anknüpfungspunkte, sind Möglichkeiten, die sich auch mit dem, was die grünen Minister, was Schleswig-Holstein denkt, vertragen oder vertragbar machen lassen. Aber es sind eben auch so viele Schwächen da drin, dass man aufpassen muss, dass die Summe der Schwächen nicht das ganze System zum Einsturz bringt.
Brink: Ja, okay, dann klamüsern wir das noch mal auseinander. Was ist denn in Ihrem Sinne positiv?
Habeck: Positiv ist, dass es in Punkten eine Preissteuerung geben soll, die auch sich mit den Vorschlägen von uns deckt. Also dass die Boni abgeschafft werden bei vielen Bereichen, dass die Netzentgelte stärker berücksichtigt werden, dass man insgesamt die Kosten senken will. Bei Solar sind wir uns relativ einig, bei Offshore sind wir uns relativ einig. Es bleibt eigentlich vor allem der allgemeine Punkt, und da reden wir eigentlich nur über Zahlen. Das ist dieser Deckel, der eingeführt werden soll. Und da wird eben nicht über den Preis gesteuert, sondern über die Menge gesteuert, sondern über die Menge gesteuert. Und dann kommen wir zu dieser wirklich quatschigen Schlaufe, dass, wenn man die günstigen Energien deckelt, man automatisch, wenn man die Ziele einhalten will, die teuren mehr ausbauen will. Also, es gibt Anknüpfungspunkte, es ist eine Rationalisierung der Debatte. Es ist ein Fortschritt in der Debatte, der allerdings noch nicht so gut ist, dass man sicher sein kann, dass es eine gute Reform gibt.
Brink: Aber Sie sind auch für eine Deckelung, weil man eben sagt, der Strompreis darf nicht durch die Decke gehen? Wenn man sich überlegt, schon 52 Prozent sind ja Steuern und Abgaben. Also, in dem prinzipiellen Ziel stimmen Sie dann aber überein?
"Preissteuerung ist in Ordnung - auch wenn es wehtut"
Habeck: Ja, aber der Weg ist falsch beschrieben. Ich bin eben nicht über eine Deckelung – und auch, wenn ich das sagen darf, mit Verlaub: In der Anmoderation haben Sie Gabriel ja noch mal zusammengefasst, wo Sie gesagt haben, er will den Preis senken durch eine Mengensteuerung. Und das ist nun eben nicht eine Preissteuerung. Sondern wir sagen, man muss tatsächlich beim Preis ansetzen, mehr von den Günstigen, weniger von den Teuren. Und das macht er nun gerade nicht. Deswegen bin ich nicht für eine Deckelung. Eine Deckelung, die den Zubau bremst, macht die Systematik der Energiewende kaputt. Ich bin für eine Preissteuerung. Da kann man dann auch radikalere Schritte gehen. Man muss aufpassen, dass man nicht dafür sorgt, dass die schlechten Standorte günstiger oder attraktiver werden als die guten Standorte. Dann macht man volkswirtschaftlich auch wieder Quatsch, aber eine Preissteuerung ist in Ordnung. Auch, wenn es wehtut, auch wenn Branchen sagen, das schmälert die Margen. Das ist in Ordnung. Aber die Energiewende als politische Idee, die darf nicht über eine Mengensteuerung kaputtgemacht werden. Und das ist das Problem, das ist das, was der Koalitionsvertrag fälschlicherweise eingeschlagen hat, und das sollte sich nicht in diesen Nuancen der Eckpunkte wiederfinden.
Brink: Was sind denn für Sie dann radikale Schnitte, die wehtun?
Habeck: Man kann in der Tat bei der Förderung bei windstarken Standorten runtergehen. Das sage ich auch ein bisschen gegen Ihre Anmoderation als Schleswig-Holsteiner. Das trifft natürlich Schleswig-Holstein. Man kann bei Offshore dafür sorgen, genau, da sind wir relativ gleich beieinander, dass die Technik –
Brink: Aber da höre ich Ihren Ministerpräsidenten schon aufheulen.
Habeck: Bei Offshore?
Brink: Nein, auch bei Inshore sozusagen, wenn man das so –
Habeck: Nein. Onshore. Nein, überhaupt nicht. Sondern er sagt, die Deckelung des Ausbaus, der Menge, der Strommenge, die Zahl der Windräder, die aufgestellt werden soll, die als Maßgabe zu nehmen, das ist falsch. Den Preis zu nehmen – da darf man natürlich kritische Massen nicht überschreiten – aber den Preis zu nehmen und zu schauen, gibt es dort Fortschritt im System, und muss der vergütet werden. Da sind wir völlig beieinander. Gabriel, Albig, Habeck, alle sind da beieinander. Das ist okay. Aber es ist eben nicht das Gleiche wie zu sagen, wenn so und so viele Anlagen pro Jahr gebaut sind, dann hören wir auf damit. Das macht letztlich das System kaputt, weil dann die Einzigen, die noch eine Sicherheit in ihre Investitionen haben, Kohlekraftwerke sind. Und da hat der Ministerpräsident zu Recht widersprochen.
Brink: Was macht denn aus Ihrer Sicht Sinn, um das ehrgeizige Ziel zu schaffen, 45 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien bis 2025 zu gewinnen.
Habeck: Das ist eben nicht das ehrgeizige Ziel. Das ist zum ersten Mal eine Umkehr der bisherigen Zielvorgaben, und eine Umkehr, die noch nicht mal reichen wird, dass wir die Abschaltung des Atomstroms bis 2021 durch erneuerbaren Strom ersetzen. Diese 45 Prozent sind ein Deckel. Davon haben wir immer von Mindestzielen gesprochen. Also, es gibt keinen Anreiz mehr, darüber hinauszugehen. Das ist keine Einladung mehr, sich an der Energiewende zu beteiligen, sondern eine Drohung. Jeder, der mitmacht, muss damit rechnen, dass er nichts mehr kriegt, weil er darüber hinausgeht. Das ist der grundlegende Denkfehler, der sich seit dem Koalitionsvertrag ein Stück weit durchzieht. Deswegen sind die 45 Prozent zu niedrig angesetzt, um den Atomstrom zu ersetzen, und als Grenze sozusagen auch die falsche Logik. Der muss weg. Wenn der weg ist, dann kann man wieder über – 50 Prozent wollen wir erreichen bis 2025. Das ist dann ehrgeizig. Wenn es mehr sein soll, umso besser, dann können wir nämlich noch ein paar Autos mit Strom betanken und müssen nicht mit Öl fahren. Wir reden ja immer nur über den Strommarkt, wir reden ja überhaupt nicht über die Gesamtsysteme. Und dann kommen wir auch einen Schritt weiter.
Brink: Sagt Robert Habeck, grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein. Schönen Dank, Herr Habeck, für das Gespräch!
Habeck: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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