Umweltexpertin: Flugbenzin besteuern

Moderation: Birgit Kolkmann · 10.05.2007
Die Ökonomin Renate Schubert hat sich für eine Besteuerung von Flugbenzin ausgesprochen. Es müsse endlich berücksichtigt werden, dass Flugtickets durch die Steuerfreiheit viel zu billig seien im Vergleich zu Bahn- und Autofahrten, sagte die Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung "Globale Umweltveränderungen" anlässlich der UN-Klimakonferenz in Bonn.
Birgit Kolkmann: Alarmierende Zahlen vor allem über die Kosten des Klimawandels hat der Weltklimarat im neusten Teil seines Berichts vorgelegt, und die sorgten teilweise für eine hysterische Diskussion. Ist die Erde noch zu retten? Und wenn ja, wie lange dauert das und wie geht das? Gerne werden die Warnungen der Klimaforscher buchstäblich in den Wind geschlagen oder als zu ungenau oder alarmistisch beiseite gewischt. Die Bundesregierung möchte sich während der EU-Ratspräsidentschaft für den Klimaschutz stark machen, der soll nach Möglichkeit auch in der EU-Verfassung verankert werden. Seit Montag tagt in Bonn die UN-Konferenz zum internationalen Klimaschutz. 2000 Experten sitzen zwei Wochen zusammen, vor allem um die nächste Klimaschutzkonferenz auf Bali im Dezember vorzubereiten. Die Züricher Ökonomin Renate Schubert ist Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung. Schönen guten Morgen in der Ortszeit.

Renate Schubert: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Frau Schubert, was bringen denn die alljährlichen gigantischen Klimakonferenzen in Bonn für das Weltklima? Außer Spesen nichts gewesen?

Schubert: Ja, das ist natürlich im Prinzip erstmal eine berechtigte Frage. Wenn man sich auch die letzten Konferenzen anschaut, dann kommt man ganz schnell auf diese Frage. Aber ich glaube, jetzt mit den neuesten IPCC-Berichten haben wir doch die Aussichten, dass sich allmählich ein bisschen was bewegt, weil doch nicht nur gezeigt wurde, dass die Menschen einen ganz, ganz wesentlichen Einfluss auf die Veränderung des Klimas haben, sondern auch, dass es gute Aussichten gibt, wie man noch die ganz schlimmen Veränderungen des Klimas vermeiden kann und dass das doch etwas ist, was auch mit einigermaßen vertretbaren Kosten machbar sein müsste. Ich glaube, mit dieser Aussicht haben auch die internationalen Konferenzen vielleicht wieder einen neuen Schub bekommen.

Kolkmann: Sind denn die Warnungen der Forscher überzogen oder angemessen?

Schubert: Darüber streiten sich manche. Ich habe den Eindruck, wenn ich mit meinen naturwissenschaftlichen Kollegen spreche, dass die Warnungen doch sehr berechtigt sind. Wir müssen vor allem sehen, dass diese ganzen Klimadinge natürlich einen Langfristeffekt haben, das heißt, wenn wir heute handeln, dann wirkt sich das im Hinblick auf CO2 und Klima erst in einigen Jahrzehnten wirklich aus. Und das macht auch hier den Kern des Problems aus. Wir können nicht unmittelbar reagieren, sondern wir müssen heute etwas tun und Kosten auf uns nehmen, wofür wir Erträge erst in relativ weiter Zukunft haben werden.

Kolkmann: Nun wird sich die Bundesregierung mit diesem Thema ja auch profilieren. Die Union als Partei übrigens auch, was das Grundsatzprogramm angeht. Geht das aber gar nicht ohne die EU, muss so etwas eigentlich in dieser EU-Verfassung, die ja dann noch zu modifizieren ist, festgeschrieben werden?

Schubert: Ob man das jetzt in die Verfassung hinein tun muss oder nicht, darüber kann man sich auch wieder streiten. Aber sicherlich ist wichtig, dass faktisch die EU natürlich eine wichtige Rolle hier hat. Nicht zuletzt auch eine Rolle im Sinne eines Leaders in diesem ganzen Prozess, der immer wieder darauf dringt, dass hier etwas unternommen werden muss. Ich persönlich denke, dass so eine Festsschreibung in der Verfassung sicherlich nützlich ist, um alle immer wieder daran zu erinnern, dass das ein wichtiges Ziel ist.

Kolkmann: Alle reden ja nun über den Autoverkehr, den Verbrauch, die Abgase. Sie als Expertin, was raten Sie der Bundesregierung? Ist es denn viel wichtiger unsere Gebäude energieeffizienter zu gestalten, also sprich mit Wärmeschutz und modernen Heizungen auszurüsten?

Schubert: Es sind sicherlich beide Bereiche ganz wichtige Bereiche, in denen jetzt relativ rasch etwas getan werden sollte und auch gut getan werden kann. Gebäude können mit relativ unaufwendigen Maßnahmen – zum Teil sparsamere Beleuchtung, effizientere Heizungen, Klimaanlagen, bessere Wärmedämmung und so weiter – schon einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Aber natürlich ist auch der Verkehrsbereich ein wichtiger Bereich. Also da geht es einerseits um effizientere Autofahrzeuge, um effizientere Flugzeuge. Es geht auch darum, dass man endlich mal berücksichtigt, dass zum Beispiel das Flugbenzin bisher anders als der Autosprit steuerfrei ist, weshalb Flugtickets zum Teil viel zu billig sind verglichen mit den Auto- und Bahntickets. Hier ist in beiden Bereichen eigentlich viel Potenzial drin.

Kolkmann: Und ein Tempolimit, macht das Sinn?

Schubert: Es gibt eine neue Studie des Umweltbundesamtes, die herausgefunden hat, dass ein Tempolimit auf 120 Kilometer den Kohlendioxidausstoß sofort um mindestens zehn Prozent reduzieren würde. Das ist natürlich schon mal etwas. Aber es scheint so zu sein, dass doch die technischen Maßnahmen, also Veränderung der Automotoren, eine viel wichtigere Rolle spielt und dass andererseits das Tempolimit nicht die Hauptfunktion hat, einen wichtigen Beitrag zum Klima zu leisten, sondern – das zeigen auch die Erfahrungen in der Schweiz – dass ein Tempolimit vor allem wichtig ist, um die Unfälle zu reduzieren, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Tempolimit kann man auch machen, aber ist sicherlich nicht in zentraler Position.

Kolkmann: Wenn wir noch mal auf die Energieeffizienz eingehen, sollte die Bundesregierung anstatt sich an dieser Diskussion über Tempolimits zu beteiligen, vielleicht einfach mal darüber nachdenken, ob sie mehr Investitionsanreize gibt?

Schubert: Das ist sicherlich ein ganz, ganz guter Vorschlag. Also hier müsste viel getan werden. Es ist auch so, dass natürlich schon relativ viel an technologischen Vorschlägen in den Schubladen liegt. Hier müsste nun auch durch entsprechende Anreize dafür gesorgt werden, dass das endlich nicht nur in Prototypen, sondern wirklich auch in Massenproduktion umgesetzt werden kann.

Kolkmann: An was denken Sie da konkret?

Schubert: Also zum Beispiel an Fahrzeuge, die viel weniger Benzin verbrauchen als das im Moment noch der Fall ist. Also das Zwei-Liter-Auto, das ist etwas, was noch nicht sicherlich für die totale Massenproduktion fertig ist, aber wo wir schon ziemlich weit sind. Und entsprechende Anreize, das dann noch mal vorwärts zu treiben, sind sicherlich was ganz wichtiges.

Kolkmann: Also auch bei Heizungen, Gebäuden zum Beispiel, Brennstoffzelle im Keller, alternative Energien finden…

Schubert: Auch bei Klimaanlagen – wenn es im Sommer bei uns auch wärmer wird, dann spielen Klimaanlagen natürlich eine zunehmend wichtigere Rolle. Und da muss man auch darauf achten, dass die nicht einfach noch zusätzliche Stromfresser sind, sondern dass man das auch so aufgleist, dass da nicht zusätzlich CO2 emittiert wird.

Kolkmann: Vielen Dank. Das war die Züricher Ökonomin Renate Schubert. Sie ist Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung. Danke für das Gespräch in der Ortszeit, Frau Schubert.