Umweltexperte: "Koalition der Unwilligen" im Klimaschutz

22.02.2012
Seit diesem Jahr gilt in der EU ein Gesetz, dass auch im Flugverkehr Zertifikate für Emissionen verlangt. Eine "Koalition der Unwilligen" nennt der Umweltexperte Manfred Treber Fluggesellschaften aus Russland, China oder USA. Sie beraten derzeit in Moskau, wie sie sich dem Gesetz verweigern können.
Liane von Billerbeck: In Moskau treffen sich derzeit Vertreter von Ländern und Fluglinien, die verhindern wollen, was in der EU seit Januar Gesetz ist: dass nämlich auf Fluggesellschaften für die Verschmutzung zahlen sollen, die sie verursachen, wenn sie in oder von Ländern der Europäischen Union fliegen. Länder sind das, die sich wehren wie Russland, China, Indien oder die USA. Wie aber soll dieses europäische Recht auf Zahlung im Streitfalle durchgesetzt werden, wie wichtig ist es, dass auch Fluggesellschaften in diesen Emissionshandel eingeschlossen werden? Bevor wir über dieses Thema mit Manfred Treber von der Organisation Germanwatch sprechen, erklärt Phillip Banse, was es mit dem Emissionshandel auf sich hat. In Bonn bin ich jetzt verbunden mit Manfred Treber, er ist bei Germanwatch verantwortlich für die Bereiche Klima und Verkehr. Ich grüße Sie!

Manfred Treber: Guten Morgen!

von Billerbeck: In Moskau beratschlagen derzeit Vertreter von Fluggesellschaften und Ländern wie China, den USA, Russland und Indien, was zu tun ist, um, wie es seit Januar geltendes Recht in der EU ist, eben nicht für den Ausstoß von CO2 aus Flugzeugen zahlen zu müssen. Wäre das denn so schlimm, wenn Fluglinien dieser Länder nicht zahlen?

Treber: Das wäre ganz, ganz schlimm. Wir haben seit 15 Jahren Verhandlungen im Flugverkehr, dass etwas passiert. An sich gehen die schon 20 Jahre, und nichts ist beschlossen worden, keine Wirkung erzielt worden. Jetzt hat die EU – da ist der Geduldsfaden gerissen –, sie hat vor Jahren gesagt, wir machen selbst was, sie hat mit allen anderen diskutiert, sie hat die Regeln der internationalen Zivilluftorganisation übernommen, ihre Vorgaben sind völlig umgesetzt worden, und seit 1. Januar ist der Emissionshandel im Flugverkehr wirksam. Und wenn das nicht klappen würde, wenn diese Länder, diese Koalition der Unwilligen, nicht mitmacht, dann wäre das ein riesiger Rückschlag, es hätte riesigen Symbolcharakter, weil dann das zeigt, der Klimaschutz wird nicht ernst genommen. Dann kann man gleich leicht aushebeln.

von Billerbeck: Welchen Anteil hat denn die Luftfahrt an den Klimaschäden?

Treber: Die Zahl, wenn ich sie jetzt nenne, die zwei Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen, klingt harmlos und klein, aber wenn man schaut, Deutschland macht nur zwei Prozent der Emissionen weltweit aus – wir sagen ja nicht, Deutschland muss nichts machen. Wenn wir sagen, wenn es eine Schwelle wäre, dann würden ja 150 Länder nichts machen müssen. Deshalb, die zwei Prozent ist die CO2-Zahl, wenn man die Erwärmungswirkung der Flugzeuge nimmt, sind es sogar schon fünf Prozent, und das Schlimme ist, dieser Sektor hat ein großes, großes Wachstum. Wir haben Globalisierung, deshalb haben wir jährlich vier bis sechs Prozent Verkehrswachstum – die Emissionen wachsen etwas geringer –, das kann man hochrechnen auf das Jahr 2050, das für die Klimaschützer eine Maßgabe ist. Und wenn das so weitergeht, wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, hieße es, wenn wir die Temperatur unter zwei Grad Erwärmung belassen wollen, müssten, könnten wir dann außer fliegen kaum noch was anderes machen, weil wir müssen drastisch weltweit runtergehen mit den Emissionen um 80 Prozent.

von Billerbeck: Nun wird ja dieses EU-Gesetz, dass seit Januar gilt, als sehr modern gelobt, aber auch in diesem Gesetz ist es ja so, dass 85 Prozent der Kosten für den Ausstoß klimaschädlicher Gase aus Flugzeugen nicht bezahlt werden müssen, sondern nur für 15 Prozent. Ist das nicht viel zu wenig?

Treber: Da waren wir auch sehr unzufrieden. Wie im Vorspann gehört, es wurde bei der Pilotphase von Emissionshandel, wurde am Anfang alles verschenkt. Das hat die negativen Folgen gehabt, dass die Konzerne Geld geschenkt bekamen, und das ihre Bilanzen gut verbessert hat. Jetzt ist ja Emissionshandel normalerweise bei den Stromversorgern, die müssen 100 Prozent kaufen, beim Flugverkehr hätten wir das auch gewollt. Aber das war leider politisch nicht durchsetzbar, und so bekommen die 85 Prozent geschenkt. Das hat aber jetzt bei der Umsetzung doch einen gewissen Vorteil, sodass der Widerstand dieser Länder, dass sie jammern, zu sagen, oh, das kommt viel zu teuer für unsere armen Fluggäste, dass dieser Widerstand noch weniger glaubwürdig ist als sonst.

von Billerbeck: Nun haben wir mal nachgeguckt: Ein Flug nach Peking, den bekommt man schon für 500 Euro, nach Dubai für 400. Ist das betrachtet auf die Klimaschäden ein angemessener Preis?

Treber: Gut, der Preis, da ist das Klima noch überhaupt nicht eingepreist. Es gibt ja noch keinen Klimaschutz, und auch wenn der EU-Emissionshandel jetzt wirkt und jetzt umgesetzt wird bei den derzeitigen Preisen, sind das nur ein paar Euro. Also das war leider auch das Ziel des EU-Emissionshandels, dass die Nachfrage nach Flugreisen nicht zurückgehen soll. Der einzige große Fortschritt ist, da ist endlich ein Deckel eingezogen worden, dass die Emissionen nicht noch mehr steigen. Nämlich wie gesagt, der Flugverkehr ist so angelegt, dass er sich bis zum Jahr 2050 vermutlich sogar verdreifachen wird.

von Billerbeck: Seit Januar gilt in der EU ein Gesetz. Wie soll denn dieses Gesetz im Zweifel durchgesetzt werden? Also es gilt seit Januar 2012, das erste Mal gezahlt werden muss 2013. Angenommen, diese Länder – es sind ja große Länder darunter, Russland, China, Indien, die USA – versuchen, sich dagegen zu wehren. Wie müssen wir uns das praktisch vorstellen?

Treber: Ich will erst mal ganz klar unterscheiden. Dieser Emissionshandel, dem unterliegen ja nicht die Länder, sondern die Fluggesellschaften. Also die Länder sind jetzt da außen vor. Die Fluggesellschaften müssen das umsetzen, und sie müssen diese Emissionserlaubnisse vorweisen am 30. April 2013. Und wenn sie das nicht machen – also, sie haben ja welche geschenkt bekommen, sie müssen andere Emissionserlaubnisse zukaufen –, wenn zum 30. April 2013 noch Lücken sind, dann müssten sie pro Tonne, die sie nicht vorweisen können, müssen sie 100 Euro zahlen. Also, das ist schon recht schmerzhaft. Da müsste man sich ganz klar überlegen, ob ich diesen Schritt gehen will. Und wenn sie dann das immer noch nicht machen, dann greift der Gesetzgeber weiter: Er wird wahrscheinlich den Staatsanwalt schicken, und versuchen, das Geld einzugreifen.

von Billerbeck: Das heißt, der taucht dann auf dem Flugfeld auf bei einer chinesischen Maschine und sagt jetzt: ich brauche so und so viel hundert Euro von Ihnen, sonst kein Start?

Treber: Ich denke, er tritt eher dann da in den Büros der Niederlassung in Deutschland auf, wo diese Fluggesellschaft gemeldet ist. Was natürlich im letzten Schritt passieren könnte – aber das ist rechtlich noch nicht ganz klar, dass diese Fluggesellschaften überhaupt keine Start- oder Landeerlaubnis mehr bekommen. Das heißt, wenn sie ein Flugzeug gelandet haben am 30. April, am 1. Mai rausfliegen wollen, bekommen sie keine Starterlaubnis mehr, und die wird erst wieder erteilt, wenn das Geld bezahlt ist.

von Billerbeck: Nun haben Sie gesagt, es geht ja um die Fluggesellschaften und nicht um die Länder. Nun wissen wir aber, dass beispielsweise chinesische Fluggesellschaften schon mal vorsichtshalber solche Emissionen gekauft hatten, solche Zertifikate, und dann von China zurückgepfiffen wurden. Heißt das nicht, uns droht da möglicherweise ein Handelskrieg über den Wolken?

Treber: Das ist sehr zu befürchten, aber ich will ein bisschen Zeit reingeben, wir haben bis zum 30. April nächstes Jahr Verhandlungszeit für die EU mit diesen Ländern. Und die EU sagt, wir wollen natürlich am liebsten ein weltweites System, und sie macht jetzt Druck auf diese UN-Zivilluftfahrtorganisation, dass sie sich sputet. Die hat 15 Jahre kaum was zustande gebracht, sodass innerhalb vom nächsten Jahr was vereinbart wird, sodass am besten weltweit was passiert.

von Billerbeck: Wie sind Ihre Hoffnungen auf diese Zeit, wird da was passieren bis 2013?

Treber: Es werden sicherlich Verhandlungen passieren, wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, ich wette nicht darauf, dass da eine Vereinbarung zustande kommt. Es könnte wiederum sein, dass ein paar Willige zusammenkommen, die sagen, wir machen da mit. Aber mehr erwarte ich nicht, weil ich ja die entsprechenden Kandidaten kenne, speziell auch die USA, die ja sich im Klimaschutz sehr verweigern, und deswegen ist es angebracht, dass die EU so auftritt und verhandelt, aber ich würde da nicht erwarten, dass was bei rauskommt.

von Billerbeck: Das sagt Manfred Treber von der Umweltorganisation Germanwatch. Danke für das Gespräch!

Treber: Gern geschehen!

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