Umwelt

Gen-Mikroben auf unserer Haut

Eine Frau hält eine rosafarbene Boxershort, die Gefangene in einem US-Gefängnis tragen müssen.
Nur dank Gentechnik auch bei 40 Grad sauber: bunte Unterwäsche © AFP
Von Udo Pollmer · 29.08.2014
Beim Thema Genmais und Gensoja sehen Umweltschützer rot. Doch Gentechnik steckt längst in unzähligen Produkten des täglichen Bedarfs – worüber sich kaum jemand aufregt. Die Kritik der Gengegner ist scheinheilig, sagt daher Udo Pollmer.
Lange stand die Gentechnik pauschal wegen "unbeherrschbarer Risiken" in der Kritik. Das hat sich klammheimlich geändert. Die Gentechnik stört überhaupt nicht mehr – außer auf dem Acker. Bei einer Genmanipulation zum Zwecke der Herstellung von Leder, von Socken oder von Papier zucken die Kritiker mit der Achsel. Wird sie für Lebensmittel genutzt, kommt es drauf an: Gentechnik zur Gewinnung von Glutamat, Zitronensäure oder Vitaminen juckt niemanden – eine Deklaration ist überflüssig. Taucht aber irgendwo "Genmais" oder "Gensoja" auf, schwillt den Kritikern der Kamm und sie steigen auf die Barrikaden.
Gentechnik bestimmt längst unseren Alltag
Wieder unten angekommen gehen sie zum Kühlschrank und löffeln als Belohnung einen Fruchtjoghurt, der gewöhnlich einige Zusätze enthält, die gentechnischen Ursprungs sind, wie natürliche Aromen oder Süßstoffe – ja selbst bei der Urproduktion von Milch, Zucker und Obst hat die Gentechnik ihre manipulativen Finger im Spiel. Deshalb sind die Produkte so billig und schmecken trotzdem irgendwie. Das Einzige, woran sich die Gentechnikgegner beim Joghurt noch stören, ist das Plastik, aus dem der Becher besteht. Das kann sich schnell ändern: Dank Genmanipulation wird auch der bald aus nachwachsenden Rohstoffen synthetisiert. Die Deklaration auf dem Gen-Plastik ahne ich bereits: "frei von Gentechnik".
Umweltfreundliche Produkte dank Gentechnik
Gentechnik bestimmt längst unseren Alltag. In der Textilindustrie erlauben Enzyme aus genveränderten Mikroben den Verzicht auf giftige Chemikalien. Die Zukunft der "grünen" Energie vom Acker hängt von den Fortschritten der Genlabors ab. Selbst beim Recyclingpapier leisten Enzyme aus manipulierten Mikroben unschätzbare Dienste. Das Designen des Erbgutes von Bakterien und Schimmelpilzen ist aktuell die wichtigste Methode, mit der unsere Warenwelt ohne Aufhebens umweltfreundlicher wird.
Nicht dass dies in den Kreisen der Gentechnikgegner unbekannt wäre, schließlich akzeptieren sie nahezu alle gentechnischen Verfahren und Produkte durch beredtes Schweigen. Aber warum? Gibt es etwa bei der Herstellung von Joghurt, Plastik oder T-Shirts keine Risiken, bei einem Emulgator aus Sojaöl aber schon? Die Antwort auf diese Frage findet man an einem Ort, der vielleicht wenig zielführend erscheint. Die Antwort liegt im Schlüpfer. Ja, im Slip. Früher war der Kauf von Unterwäsche eine einfache Sache: Feinripp in Weiß, weil nur Kochwäsche infrage kam. Heute ist die Unterwäsche bunt und kann bei lauwarmen 40 Grad gewaschen werden – und sie sieht trotzdem sauber aus.
Gentechnik wäscht bunte Schlüpfer sauber
Ohne Gentechnik bliebe bunte Wäsche für das bloße Auge erkennbar schmuddelig. Moderne Waschmittel enthalten Enzyme, also biologische Katalysatoren, die all die waschtechnisch schwer zu beherrschenden körperlichen Ausscheidungen komplett zerlegen. Diese Enzyme sind ohne Genmanipulation nicht zu haben.
Natürlich verbleiben vom Waschmittel und damit von den Enzymen immer Rückstände in der Kleidung, vor allem bei Öko-Waschmaschinen, die Wasser sparen. So tragen wir die Gentechnik anstandslos auf unserer Haut. Würde ein Politiker vor "unkalkulierbaren Gen-Gefahren aus der Unterhose" warnen und fordern, fürderhin nur noch weißen Feinripp zu tragen, würden seine Bedenken bestenfalls Heiterkeit auslösen. Die farbenfrohe Wäsche zeigt damit einer ewiggestrigen Ideologie die Rote Karte.
Das Theater um Genmais und Gensoja ist nur eine Kulisse, vor der scheinheilige Umweltschützer so tun können, als würde auf dem Acker die Schöpfung bedroht, während die Mahner selbst Tag für Tag die Leistungen der Gentechnik wissentlich genießen und selbstverständlich nicht darauf verzichten wollen.
Also: Wenn Sie wieder mal vor den Gen-Gefahren, die unsere Nahrung bedrohen, gewarnt werden, lassen Sie sich doch nicht von Heuchlern ins Bockshorn jagen, denken Sie lieber an modische, farbenfrohe Kleidung und das schmuddelige Gengespenst wird von Ihnen weichen. Mahlzeit!
Literatur:
Gray N: EFSA rejects French move to ban GM crop in Europe. Food Navigator Pressemeldung vom 4. August 2014
Keckl G: Klargelegt: Gentechnik grün, rot, weiß. dlz Ausgabe Mai 2014
Arnaud CH: Enzyme by design. Chemical & Engineering News 19.8.2013; S.26-27
Gupta VK, Tuohi MG: Applications of Microbial Genes in Enzyme Technology. Nova Science Publishers 2013
Li et al: Technology Prospecting on Enzymes: Application, Marketing and Engineering. Computional and Structural Biotechnology Journal 2012; 2: e201209017