Umwelt

Die Anfänge des modernen Protests

Von Philipp Schnee · 12.03.2014
Durch Greenpeace wurde Umweltschutz aufregend: mit starken Bilder von gefährlichen Protest-Aktionen. Die Geschichte von Greenpeace hat der US-amerikanische Umweltwissenschaftler Frank Zelko aufgeschrieben.
Greenpeace hat noch heute das Image, die coole unter den Umweltschutzorganisationen zu sein. Durch Greenpeace wurde Umweltschutz plötzlich aufregend. Starke Bilder von gefährlichem Protest, die um die Welt gehen. Perfekt medial inszeniert, zu recht immer wieder auch als zu machohaft-draufgängerisch kritisiert. Eine PR-glänzende Elite-Einheit des Umweltschutz-Aktivismus, die wenig gemein hat mit Vogelschutz in Kniebundhosen, für manchen Naturliebhaber zu unternehmerisch und hierarchisch organisiert.
Woher diese weltweit operierende Organisation kommt und aus welchen Quellen dieses heutige NGO-Schwergewicht im kanadischen Vancouver der 70er-Jahre entsprang: Das beschreibt der Umwelthistoriker Frank Zelko in "Greenpeace - Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern."
Tief in der Friedensbewegung verankert
Greenpeace begann als Anti-Atomwaffen-Kampagne im speziellen subkulturellen Klima der kanadischen Westküsten-Stadt Vancouver. Tief in der Friedensbewegung verankerte US-Exilanten und einige junge kanadische Studenten beschlossen eine draufgängerische Protestaktion gegen US-amerikanische Atomwaffentests vor der Küste Alaskas. Der Test sollte durch das Eindringen eines Bootes ins Testgebiet verhindert werden. Die Stimmung an Bord schilderte der frühe Greenpeacer Ben Metcalfe so:
"Die Greenpeace-Crew war die perfekte Metapher für den modernen Protest: Wir waren die klassisch absurde Mischung unserer Zeit; machtlose Nobodys, die alle Frustrationen moderner Zeiten repräsentierten. Junge Zyniker und alte Romantiker, Quichottes und Panzas, kompatibel durch eine Art paranoider Großartigkeit, die in unserem anmaßenden Glauben gipfelte, wir könnten einfach so unter den Kanonen der Mega-Maschine hindurchfahren und sie zerstören."
Politische Teilnahme durch hinschauen
Der Protest scheiterte letztendlich, der Test fand statt. Dennoch verbuchte Greenpeace erste mediale Aufmerksamkeit. Und, so schreibt Frank Zelko, es zeigt sich schon in dieser frühen Phase vieles, was die Kampagnen von Greenpeace prägen sollte. Die Veteranen der US-Friedensbewegung speisten ihre radikalpazifistische Einstellung ein - das Mittel der Wahl wurde die gewaltfreie, direkte Aktion. Beeinflusst vom Quäkertum kam das Konzept des "Zeugnis ablegen" hinzu - politische Teilnahme durch hinschauen und berichten. Vermengt wurde dies mit einer am Medienphilosophen Marshall McLuhan angelehnten offensiven Medienstrategie - der Glaube an die Macht der Massenkommunikation und Massenmedien.
Insbesondere der junge Kanadier und spätere Vorsitzende Bob Hunter wünschte sich durch Aktion provozierte starke Bilder für die Berichterstattung, "Gedankenbomben", wie er sie nannte, um damit eine weltweite "Bewusstseinsrevolution" auszulösen. Aber auch der Ausweis neutraler Professionalität und Expertise durch eine wissenschafts-gestützte Abhandlung gegen die Atomwaffentests gehört schon zum ersten Kampagnen-Werkzeugkasten. Dazu kam eine gute Note hippiesker Gegenkultur.
Esoterik und New-Age-Exzentrik
Verstärkt wurde dieser Trend, als sich Greenpeace nach weiteren Anti-Atomtest Protesten, einem neuen Betätigungsfeld widmete: dem Schutz der Wale. Schon an Bord der Anti-Atom-Schiffe gab es eine Fraktionierung in "Mechaniker und Mystiker". Jetzt wurde die Kluft zwischen nüchternen Aktivisten und spirituell-versponnenen Hippies immer deutlicher. Wale waren ein ideales Sinnbild der friedlichen, aber bedrohten Umwelt: Sie wurden zu "Buddhas der Meere" stilisiert. Und so vollzog, schreibt Frank Zelko, Greenpeace "unter Einbeziehung einer eklektischen Mischung aus Ökologie, New-Age-Romantik und umstrittenen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen" eine Wende hin zu mehr Esoterik und New-Age-Exzentrik. Die Schiffsbesatzung der ersten Anti-Walfang-Kampagne fällte Entscheidungen auch schon mal mithilfe des altchinesischen Orakel-Buchs "I Ging".
Clevere Medienstrategie
Frank Zelkos Buch ist keine Greenpeace-Gesamtgeschichte. Er spürt vielmehr sehr ausführlich der Frühgeschichte nach. Er schafft es, anhand der detailreich geschilderten Biografien der frühen Aktivisten eine Art Milieustudie zu schreiben. Die vielen Anekdoten und auch häufig fast ironisch, mit Spitzer Feder geschilderten versponnenen Einzelheiten sind nicht belanglos, da sie zielgerichtet der Beantwortung seiner Fragestellungen dienen: Wie bildeten die prägenden Gründungsgestalten ihre Einstellung zu Umwelt und Aktivismus aus? Wie wurde Greenpeace zu diesem umweltpolitischen Schwergewicht, gerühmt für seine clevere Medienstrategie?
Durch seinen Detailreichtum wird das Buch zwar nicht zu einer umfassenden Institutionengeschichte der Umweltschutzorganisation, aber zu einer mit viel Witz geschriebenen Reise ins Protestmilieu der 70er-Jahre, die die Erfolge und Widersprüche von Greenpeace aufzeigt.

Frank Zelko: "Greenpeace. Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern"
Aus dem Englischen von Birgit Brandau
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014
340 Seiten, 34,99 Euro

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