Umstritten

Neueröffnung des Schlesischen Museums in Kattowitz

Blick auf das Schlesische Museum in Kattowitz
Blick auf den Neubau in Kattowitz © Deutschlandradio - Martin Sander
Von Martin Sander · 26.06.2015
Wie viel deutsche Kultur verträgt eine polnische Dauerausstellung zur Geschichte Oberschlesiens? Über diese Frage wurde in den vergangenen Jahren im Schlesischen Museum in Kattowitz so heftig gestritten, dass mehrere Museumsdirektoren gehen mussten. Jetzt ist Eröffnung.
Das neue Schlesische Museum ist ein weitläufiger Campus. Verschnörkelte Industriebauten kontrastieren mit den gläsernen Quadern des Büro- und Verwaltungstraktes. Alles überragt ein knapp 50 Meter hoher, dem neuen Zweck angepasster Förderturm mit Aussichtsplattform. Die Ausstellungsräume liegen allesamt unter der Erde. Gezeigt wird polnische Kunst, Bildhauerei von Bergleuten. Es gibt eine Galerie des Bühnenbaus. Kernstück aber bildet die neu konzipierte Dauerausstellung zur Geschichte Oberschlesiens.
"Diese Ausstellung war eigentlich eine große Chance. Es gab keine Ausstellung der oberschlesischen Geschichte in einem polnischen Museum. Das war der erste Versuch, und meiner Meinung nach wurde diese Chance verspielt. In diesem Falle wurde die Unabhängigkeit oder Autonomie einer Institution angegriffen, und zwar im Namen der Geschichtspolitik, die im Geiste des polnischen Nationalismus geführt wird. Das ist die Diagnose ..."
… sagt der Kunsthistoriker Jerzy Gorzelik, zugleich Anführer der in Oberschlesien seit Jahren einflussreichen Autonomiebewegung "RAS", die im Landesparlament vertreten ist. Gorzelik spricht aber nicht über die heute eröffnete Ausstellung, sondern über deren ursprüngliches Konzept. Demnach sollte die Geschichte Oberschlesiens multikulturell erzählt werden – mit allen polnischen, tschechischen und deutschen Verzweigungen. Und diese Geschichte sollte sich auf die industrielle Revolution der Region konzentrieren.
Zu viel Multikulturalität, zu wenig polnischer Patriotismus
Doch dieses ursprüngliche Konzept wurde von Politikern torpediert. Zu viel Multikulturalität, zu wenig polnischer Patriotismus, das meinten paradoxerweise die proeuropäischen Vertreter der liberalen Bürgerplattform, darunter Polens noch amtierender Staatspräsident Bronisław Komorowski, von den Nationalkonservativen ganz zu schweigen. Leszek Jodliński, damals Museumsdirektor und am gescheiterten Ausstellungskonzept maßgeblich beteiligt, erinnert sich:
"In der Gazeta Polska wurde mir vorgeworfen, wir hätten für polnisches Geld eine antipolnische Ausstellung entworfen. Da muss man schon anfügen, dass 85 Prozent des Geldes aus EU-Mitteln stammt, und natürlich sollte das ein europäisches Projekt sein, gestaltet im Geist von Minderheitenrechten und Multikulturalität."
Nach dem Konzept des inzwischen abgesetzten Direktors Jodliński sollte am Beginn der Ausstellung ein Modell der ersten Dampfmaschine Oberschlesiens stehen – samt Kommentar von Johann Wolfgang von Goethe, der eigens anreiste, um die Maschine in Augenschein zu nehmen. In der Ausstellung, wie sie sich heute präsentiert, ist die Dampfmaschine irgendwo im multimedialen Geschehen untergetaucht. Am Anfang steht stattdessen der Arbeitsalltag von Bergarbeitern, wie in vielen Zechenmuseen üblich.
Die Ausstellung vermerkt die Anwesenheit der Slawen in Oberschlesien seit der Völkerwanderung. Eine Guillotine, mit der die Nazis viele Polen in Kattowitz hinrichten ließen, steht für das Leiden der Polen unter deutscher Gewaltherrschaft. Die schlesischen Aufstände gegen die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg wird mit dem Satz gewürdigt: "Die Zeit war gekommen, um diplomatische Bemühungen durch bewaffnete Argumente zu unterstützen." Der multikulturelle, industriegeschichtliche Ansatz lässt sich kaum noch erkennen. Leszek Jodliński, der geschasste Ex-Direktor, lehnte eine Teilnahme an der Eröffnung ab:
"Ich glaube nicht, das diese Ausstellung in einer freien Arbeitsatmosphäre vorbereitet wurde. Ich weiß, dass es politischen Druck und Einflussnahme gab. Das ist Geschichtspolitik nach Art des kommunistischen Ancien Regime, nach der Methode: Unbemerkt ändern wir ein paar Dinge und tun dabei so, als ob es niemand merkt."
Museumsdirektorin sieht keine politische Beeinflussung
Die derzeitige Museumsdirektorin weist solche Vorwürfe von sich. Alicja Knast ist erfahren in der Organisation zeitgeistgemäßer musealer Eventkultur. Beobachter sprechen ihr Geschick in der geräuschlosen Umsetzung politischer Vorgaben zu. Allein die Frage nach dem Einfluss der hohen Politik auf ihre Arbeit empört Alicja Knast.
"Ich bin Direktorin einer Kulturinstitution. In meiner Zeit gab es keinerlei politische Beeinflussung. Deshalb beantworte ich Ihre Frage nicht. Hinter der Kritik der Medien an unserem Konzept steht eine grobe Vereinfachung der Dinge."
So bleibt die Anerkennung für ein architektonisch beeindruckendes Werk. Die historische Daueraustellung des Schlesischen Museums in Kattowitz dürfte viel Publikum anziehen und manche Debatte befeuern.
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