Ulrich Peltzer: "Das bessere Leben"

Verheddert im Wirtschaftsgeflecht

Der Autor Ulrich Peltzer
Der Autor Ulrich Peltzer © picture-alliance/ dpa / Uwe Anspach
Von Knut Cordsen · 24.07.2015
Im Wirtschaftsroman "Das bessere Leben" hat sich Ulrich Peltzer viel vorgenommen: Er schreibt vom Verrat der Ideale und vom Penetrieren der Märkte, von Kommunisten und Risk-Managern. Sein Roman lebt aber letztlich nur von einem: dem Ressentiment.
Was ist das nun? Ein "Wirtschaftsroman", heißt es. Ein "metaphysischer Thriller über das 21. Jahrhundert und die Gespenster der Vergangenheit", tönt der Verlag. Womit das Hauptproblem dieses Buches schon benannt ist: Ulrich Peltzer hat sich mit "Das bessere Leben" eindeutig zu viel vorgenommen. Er will von viel zu viel erzählen: vom Verrat der Ideale und vom Penetrieren der Märkte, vom Kent-State-Massaker 1970, bei dem die Nationalgarde von Ohio auf einer Anti-Vietnamkriegsdemonstration vier Studenten tötete, von deutschen Kommunisten, die in den 30er-Jahren in Moskau die "Deutsche Zentral-Zeitung" herausgaben, von dubiosen Risk-Managern, die 2006 in Luxushotels absteigen und von linkssentimentalen Cineasten, die zur selben Zeit in Berlin-Neukölln einem Gestern nachtrauern, das es so vermutlich nie gegeben hat.
Damit ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen benannt, worum es in Peltzers megalomanem Roman geht. In Turin, São Paulo, Amsterdam und Carmel-by-the-sea spielt die Handlung unter anderem, auch am Niederrhein, wo Heidegret Schettler in einem umgebauten Bauernhof nach buddhistischen Regeln meditiert. Sie ist die Ex-Frau der Hauptfigur dieses Romans, des 51-jährigen Jochen Brockmann, "Head of Sales South East" bei einer italienischen Maschinenbaufirma, "Teil einer Bruderschaft, die in klimatisierten Lounges auf den Aufruf ihrer Flüge wartet".
Aus China droht "die Geisterarmee aus dem Osten"
Um ihn zentriert sich das Geschehen und Pelzers schier unüberschaubares Personal: darunter Brockmanns hochpolitisierter Jugendfreund Peter Möhle, ein unermüdlicher Ankläger der "Verblendung des kapitalistischen Apparats"; Angelika Volkhart, die 45 Jahre alte "Bevollmächtigte einer Reedereifiliale", die Brockmann kennen und lieben lernt; und Sylvester Lee Fleming, ein sinistrer Investment-Berater, der gern über "das gute Leben" sinniert, und Brockmann schließlich den Titel gebenden Satz sagt: "Und alle streben nach einem besseren Leben". Pardauz, möchte man da in Peltzers unfreiwillig komischer Figurenrede sagen ("Was hätte sein können, wenn ... und pardauz wärst du Chefvolkswirt der Deutschen Bank geworden") – pardauz, wie banal ist das denn? Und wieso braucht es für derlei Feststellungen 446 Seiten?
Dieser Roman lebt in weiten Teilen vom Ressentiment. Da sind einerseits in den Vereinigten Staaten "die feinen Herren in ihren Valleys", und anderseits droht aus China "die Geisterarmee aus dem Osten" anzurücken. Man hätte auch von der "gelben Gefahr" sprechen können, das wäre ähnlich subtil. Immerzu deutet Peltzer nur an, führt nie aus, und man muss wohl über jene im Roman einmal erwähnten "Verschwörungssynapsen" im Gehirn verfügen, um den Gesamtzusammenhang seiner zäh sich hinziehenden Geschichte goutieren zu können.
Brav arbeitet der Autor den Schlagwortkatalog des auch nicht mehr taufrischen intellektuellen Jargons ab ("Sozialimperialismus", "Psychogeographie"), zitiert hier T. S. Eliot, da Thomas Pynchon und auch schon mal sich selbst mit Halbsätzen aus seinem Roman "Stefan Martinez" von 1995. Das wird spätere Germanistik-Doktoranden sicherlich erfreuen, den Leser aber langweilt, ja ärgert es: Muss ich mir jetzt wirklich Gedanken machen darüber, ob der Lyrik liebende Sylvester Lee Fleming verwandt ist mit dem vermutlich mit Bedacht erwähnten Barockdichter Paul Fleming? Solchen Rätselspielen soll nachgehen, wer mag. Warum aber so viel Aufwand treiben für so wenig Ertrag?

Ulrich Peltzer: Das bessere Leben
Roman
S. Fischer, Frankfurt a.M. 2015
446 Seiten, 22,99 Euro

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