Donnerstag, 18. April 2024

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Handgreiflichkeiten in Washington
Der türkische Präsident und die Meinungsfreiheit

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bleibt wegen seiner Haltung in Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit in den Schlagzeilen. Bei einem Besuch Erdogans in Washington kam es zu tumultartigen Szenen zwischen seinen Bodyguards, Demonstranten und Reportern. Der Versuch, einen Journalisten vor einer Rede Erdogans aus dem Raum zu entfernen, scheiterte.

01.04.2016
    Eine Demonstrantin und US-Polizisten in Washington bei einer Demonstration für und gegen den türkischen Präsidenten Erdogan am 31.03.2016.
    Aufgeheizte Stimmung vor der Brookings Institution in Washington vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan. (afp / Andrew Biraj)
    Wenige Tage nachdem Erdogan mit seiner Kritik an einem Satirevideo der NDR-Sendung "extra 3" in Deutschland die Schlagzeilen geriet, hat er nun die nächsten produziert. Erdogan ist zu Besuch in der US-Hauptstadt Washington, wo er gestern unter anderem einen Vortrag an der Brookings Institution hielt.
    Was sich im Vorfeld der Rede dort abspielte, lässt sich in vielen Videos und Fotos beim Kurznachrichtendienst Twitter nachvollziehen. Vor der Ankunft des türkischen Staatspräsidenten versammelten sich vor dem Gebäude Demonstranten, die Erdogan unter anderem als Terroristen der Terrormiliz IS bezeichneten. Auch pro-türkische Demonstranten waren vor Ort. Sie trugen Banner mit der Aufschrift "Kein Unterschied zwischen PKK und IS". Dabei gerieten die Pro- und Contra-Erdogan-Demonstranten aneinander. Ein Mitarbeiter der Brookings Institution filmte die Szenen aus dem Fenster des Gebäudes.
    Wortgefechte und Handgreiflichkeiten
    Mehrfach, so berichten Reporter, ist es dabei auch zu Wortgefechten mit den Bodyguards Erdogans gekommen. Man habe sie als "PKK Hure" bezeichnet, sagte die türkisch-stämmige Journalistin Amberin Zaman auf Twitter.
    Security-Leute haben unter anderem versucht, einem Demonstranten ein Spruchtransparent wegzunehmen. Auch andere Handgreiflichkeiten sind auf Videos zu sehen.
    "Benehmen Sie sich wie Erwachsene"
    Ein offenbar für die Sicherheit am Ort verantwortlicher US-Sicherheitsbeamter forderte die Gruppe auf "sich wie Erwachsene" zu benehmen. "Das hier ist Amerika", sagt der Mann zu den türkischen Securitys in dem Video.
    Bodyguards gingen auch gegen Journalisten vor
    Doch auch in dem Gebäude, in dem Präsident Erdogan später seine Rede hielt, kam es zu Protesten. Ein offenbar unliebsamer Journalist sollte nach Aufforderung von türkischen Sicherheitsleuten den Raum verlassen. Mitarbeiter der Brookings Institution verhinderten dies jedoch. "Das wird nicht passieren", so einer der Mitarbeiter zu den Bodyguards. Der Mann sei eingeladen. "Sie müssen jetzt gehen", sagte er weiter zu Erdogans Security.
    Journalisten-Vereinigungen sind empört
    Der National Press Club, eine Vereinigung von Journalisten in Washington, zeigte sich nach den Ereignissen besorgt. Man beobachte in der Türkei eine wachsende Missachtung gegenüber grundlegenden Menschenrechten und der Pressefreiheit, heißt es in einer Stellungnahme des NPC. Man lasse Erdogan diese Haltung aber nicht exportieren. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem inakzeptablen Verhalten des Sicherheitspersonals von Erdogan. Auf Twitter benutzte die Organisation dazu das Hashtag #JournalismisnotaCrime, Journalismus ist kein Verbrechen.
    Zuletzt hatten mehrere Entwicklungen in der Türkei Sorge über den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in dem Land ausgelöst. Anfang März war die größte Oppositionszeitung in der Türkei, "Zaman", unter staatliche Zwangsaufsicht gestellt worden, ebenso wie die Nachrichtenagentur Cihan. Ein Reporter des Magazins "Der Spiegel" bekam sein Visum nicht verlängert und mehreren Journalisten wird der Prozess gemacht.
    Erdogan: "Habe kein Problem mit Kritik"
    Erdogan selbst ging bei seinem Vortrag und einer anschließenden Diskussionsrunde im Brookings Institute auch auf sein Verhältnis zu Journalisten ein, berichtet ARD-Korrespondent Martin Ganslmeier im DLF. Die Journalisten in türkischen Gefängnissen - so Erdogan - säßen dort, weil sie Mitglieder einer terroristischen Vereinigung seien. Und er ergänzte später in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN: "Wir haben nie etwas getan, um die Medienfreiheit einzuschränken."
    Was Kritik an seiner Person angehe, habe er damit kein Problem - mit Beleidigungen schon. "Satire, die einen Staatspräsidenten als Thema hat, resultiert in einer Diffamierung", so Erdogan in dem Gespräch. Auch für Satire muss es seiner Meinung nach Grenzen geben. Es sei nur natürlich, dass er in so einer Situation Rechtsanwälte einsetze, um zu seinem Recht zu kommen.
    Das rechtliche Vorgehen gegen Journalisten in seinem Land rechtfertigte Erdogan damit, dass sie Spionage betrieben hätten und dies rechtswidrig sei - so wie in jedem anderen Land.
    (pr/fwa)