Ukraine

Rücktritt vom Rücktritt

Arseni Jazeniuk verlässt den Plenarsaal der Verchovna Rada.
Rücktritt des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Janzeniuk © picture alliance / dpa / Andrew Kravchenko/Government Pre
Von Sabine Adler · 29.07.2014
Mitten im Krieg, der im Osten des Landes tobt, hat Ende vergangener Woche der Regierungschef Arseni Jazeniuk sein Amt niedergelegt. Denn die Regierungskoalition war zerbrochen - um vorgezogene Wahlen zu ermöglichen. Jazeniuk fand das völlig falsch. Doch alle Zeichen stehen auf Neuwahlen.
Das politische Kiew erwartet einen Rücktritt vom Rücktritt. Premier Arseni Jazeniuk hat sich wieder beruhigt, ist nicht mehr so empört wie am Donnerstag, als die Parteien UDAR und Swoboda die Koalition aufgekündigt haben und damit Petro Poroschenkos Wunsch entgegenkamen, vorgezogene Parlamentswahlen am 26. Oktober abzuhalten.
Dennoch will Jazeniuk das alte Parlament nicht aus der Verantwortung lassen und verlangt noch in dieser Woche, dass es einen Nachtragshaushalt, also Steuererhöhungen verabschiedet:
"Im Osten ist Krieg, wir müssen die Finanzierung der Armee sicherstellen, damit Panzer betankt werden, Waffen gekauft und Slawiansk, Lugansk und Donezk wieder aufgebaut werden können. Diese Fragen müssen schon heute gelöst werden."
Hinter der Regierung Jazeniuk steht keine Parlamentsmehrheit
Jazeniuk hatte Wahlen zu Kriegszeiten als unverantwortlich, sogar als Verbrechen bezeichnet. Der Politologe Oleg Rybatschuk, der in mit seiner Nichtregierungsorganisation "Tschesnok" die Ehrlichkeit von Politikern im Fokus hat, hält vorgezogene Parlamentswahlen dagegen für unausweichlich:
"Sie sind unumgänglich. Wir wissen doch, wer in diesem Parlament sitzt. Sie sollen die europäische Integration vorantreiben? Vielleicht einige. Sie haben am 16. Januar für die Diskriminierung von politischer Opposition gestimmt. Sie repräsentieren nicht mehr die Gesellschaft. Wer sagt, dass es erst dann Wahlen geben soll, wenn der Krieg vorbei ist, dem sage ich, dann wird er nie vorbei sein. Denn dann werden sie ihn hinauszögern, um so lange wie möglich an der Macht zu bleiben. Sie haben gegen die Beteiligung von europäischen und amerikanischen Firmen bei der Modernisierung des Gassektors gestimmt, weil da kein Platz für Gasprom war."
Auch der Politologe Juri Ruban lässt nicht gelten, dass jetzt die Finanzierung der Armee wichtiger ist als die von Wahlen. Das Gegenteil sei der Fall. Es komme das Land teurer zu stehen, wenn es weiter auf Reformen verzichte:
"Alles, was die Korruption bekämpft, ist dringend nötig. Staatliche Ausschreibungen müssen geregelt werden. Der Gas- und Ölsektor muss reformiert werden. Alle staatlichen Monopole. Es müssen ein öffentliches Kontrollsystem und Transparenz geschaffen werden. Das ist eine große Quelle für den Haushalt."
Petro Poroschenko möchte die Forderung der Menschen auf dem Maidan erfüllen: Der Präsident, die Regierung, das Parlament sollen eine neue Politik durchsetzen. Doch hinter der neuen Regierung Jazeniuk steht keine parlamentarische Mehrheit.
"Er hat schon lange keine Mehrheit mehr - was er weiß, was alle wissen. In den fünf Monaten ihres Bestehens hat diese Übergangsregierung keine Mehrheit."
Erfolg für zwei Parteien, die es heute noch nicht gibt
Juri Ruban findet Wahlen auch deshalb nötig, weil der Pro-Russland-Block im Parlament sich immer noch zu einer Mehrheit zusammenschließen kann. Er hofft auf das Verbot der Kommunisten bis zur Wahl und darauf, dass sich die Partei der Regionen von Ex-Präsident Janukowitsch bis dahin selbst zerlegt hat.
Miriam Kosmehl, die Leiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Ukraine, geht davon aus, dass zwei Parteien die erfolgreichsten sein werden, die es heute faktisch noch gar nicht gibt:
"Das eine ist 'Solidarnosch' von Poroschenko und das andere die 'Radikale Partei' von Oleh Laschko. Das sind zum Teil sehr markige Sprüche, mit denen er Erfolg hat. Dieses Publikum, das früher Swoboda abgeschöpft hat- ich will nicht unbedingt sagen, nationalistisch. Weil das sind zum Teil sehr einfache Äußerungen, die er macht. Oder er erzeugt Wirkung durch Bilder, also indem er sich im Osten in Uniform an Straßensperren filmen lässt. Es ist so, dass ein Teil der ehemaligen Swoboda-Wähler jetzt von dieser Partei bedient werden."
Die Parlamentswahl wird wohl vorgezogen werden, von den Gründen, die dafür sprechen, wird sich auch Premier Jazeniuk überzeugen lassen.
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