Ukraine-Krise

Der Krieg um die Schlager

Der russische Schlagersänger Oleg Gasmanov zusammen mit der Folkloreband "Buranowsky Babushki" beim Eurovision Song Contest 2012 in Baku.
Der russische Schlagersänger Oleg Gasmanov zusammen mit der Folkloreband "Buranowsky Babushki" beim Eurovision Song Contest 2012 in Baku. © dpa / picture alliance / Korolyova Kristina
Von Tim Krohn, ARD-Korrespondent Stockholm  · 30.07.2014
Das Schlagerfestival im lettischen Kurort Jurmala ist das größte Pop-Event auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Die Regierung verweigerte in diesem Jahr drei Popstars aus Russland die Einreise. Grund ist deren Haltung in der Ukraine-Krise.
In Lettland leben bis zu 30 Prozent Russen. Für sie ist das russische Schlagerfestival im Kurort Jurmala eines der Highlights des Jahres. Das Festival ist das größte Pop Event auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und wird live im russischen Fernsehen übertragen. Den Letten sind die Schlager von Jurmala aber längst ein Dorn im Auge. Das Außenministerium verweigerte gleich drei Popstars aus Russland die Einreise. Grund ist deren Haltung in der Ukraine-Krise. Der Krieg um die Schlager – ein Paradebeispiel für die neue Eiszeit zwischen Ost und West.
Schlagerglück und Trommelwirbel, Marschmusik und Uniform: Oleg Gasmanow liebt die ganz große Bühne. Klingt fast ein bisschen wie das Traumschiff und ist, mit russischen Augen betrachtet, auch ganz genauso harmlos. Gasmanow musiziert mit Big Band und Armeechor aus Moskau. Über der Bühne prangt der goldene Doppeladler, das russische Wappen. Na und?
Gasmanow und noch zwei andere Schlagerstars aus Russland seien ab sofort "Persona Non Grata", verkünden die lettischen Nachrichten in russischer Sprache. Den Grund für das Einreiseverbot liefert die Sprecherin gleich mit. Es ginge, heißt es da, um die aktive Unterstützung der Sänger für die russische Politik auf der Krim. Lettlands Außenminister Rinkevics wird deutlicher:
"Wir haben gesehen, dass diese Menschen die Grenze der künstlerischen Freiheit überschritten haben. Wir haben es hier mit politischen Figuren zu tun. Sie haben in diesem Sommer immer wieder Aussagen getätigt, die dem internationalen Recht widersprechen – insbesondere, was die Annektion der Krim angeht."
Loblieder auf die Sowjetunion
Tatsächlich: Gasmanow und Co. sind immer da, wenn Putin sie ruft. Und sie besingen gerne die guten alten Zeiten der UdSSR. Gasmanows Gassenhauer heißt "Ich bin geboren in der Sowjetunion." Und dann zählt er auf, was alles einmal dazu gehörte: Die Ukraine, die Krim, Weißrussland und Moldau - und natürlich auch das Baltikum.
Da hört der Spaß auf. Viele Letten wollen sich so etwas zu Hause im eigenen Land nicht mehr anhören.
Lette in Souvenirladen:
"Wenn sie hier singen und sich erholen, okay. Aber sie sollten sich bitte nicht in die Politik einmischen. Und diese Loblieder auf die Sowjetunion – für sie mag das ja eine große Freude gewesen sein. Für uns ist das anders gewesen."
Das russische Schlagerfestival im lettischen Kurort Jurmala ist zum Politikum geworden. Moskau bestellt den lettischen Botschafter ein. Die russischstämmigen Schlagerfans in Jurmala sind fassungslos:
"Ich denke, das ist nicht richtig! Diese drei Personen können doch Lettland nichts antun ... Was haben die denn Schlimmes verbrochen? Wenn Gasmanow über die UdSSR singt, ja, soll er denn seine Biografie ändern? ... Das mit dem Einreiseverbot ist doch eine schreckliche Entscheidung, Lettlands Politiker sind doch völlig realitätsfern geworden."
Die Realität in Lettland – 25 Jahre nach Unabhängigkeit - scheint etwas komplizierter. Die Letten misstrauen den Russen. Trotzdem spricht fast jeder dritte Einwohner des Landes eben nur russisch.
Neue Eiszeit Russen und Balten
Der Krieg um den Schlager – er ist ein Paradebeispiel für die neue Eiszeit zwischen Ost und West, Russen und Balten. Putins Pop als Propaganda? Immerhin: Das Festival in Jurmala wird live im russischen Fernsehen übertragen. Es ist das größte Pop-Spektakel auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.
Festivalchef Igor Krutoj: "Was der lettische Außenminister da macht ... na ja, das ist Politik. Aber unser Festival wird nicht verschwinden. Und wenn nicht hier, dann halt in Sotschi oder Moskau!"
Igor Krutoj, der Festivalchef, will weitermachen. "Soll er doch", sagen seine Gegner in Riga, "nur bitte nicht hier." Die Russen hätten ja jetzt ihren eigenen Kurort , "da unten im Süden, auf der Krim".
Mehr zum Thema