Ukraine

Krimtataren unter Druck

Mehrere vermummte Soldaten in grünen Uniformen mit Helmen und Maschinengewehren stehen vor einem Panzer
Fast alle Krimtataren erkennen die Annexion der Halbinsel nicht an und sind gegen die russische Okkupation. © picture alliance / dpa / Andrey Stenin
Von Gesine Dornblüth  · 08.10.2014
Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland haben viele Menschen die Halbinsel verlassen. Jetzt werden die Krimtataren bedroht. In den letzten Wochen sind mehrere von ihnen verschwunden. Einer der Vermissten wurde Anfang der Woche tot aufgefunden. Nun geht die Angst um.
Ein Restaurant in Bachtschisaraj, dem Zentrum der Krimtataren. Teppiche schmücken Wände und Holzbänke. Die Kellnerin serviert Kaffee in heißen Tiegeln und orientalisches Gebäck. Möglicherweise wird das Restaurant bald geschlossen. Die Behörden haben ein Gerichtsverfahren eingeleitet, der Vorwurf lautet: Illegale Geschäftstätigkeit. Für die Besitzerin, Dilara Seid-Velijeva, ist klar: Es handelt sich um eine gezielte Aktion gegen sie und ihre Familie. Sie sind politisch aktiv und protestieren offen gegen die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland.
"Letztes Jahr noch hat uns die Stadt als bestes Restaurant von Bachtschisaraj ausgezeichnet. Aber dann kamen auf einmal fünf, sechs Uniformierte herein, mit vorgehaltenen Waffen, und noch sieben Justizbeamte in Zivil. Mit einem Durchsuchungsbefehl. Sie haben alle Gäste verschreckt."
Das war im Sommer. Mittlerweile hat sich die Situation weiter verschärft. Allein in der letzten Woche sollen vier junge Krimtataren auf der Halbinsel spurlos verschwunden sein. Das berichten ukrainische Medien. Seit der Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr sollen es insgesamt 18 sein. Einer der Verschwundenen, ein 25jähriger, ist nun aufgefunden worden, erhängt in einem stillgelegten Sanatorium auf der Krim. Die Umstände des Todes sind noch unklar. Seid-Velijewa per Telefon aus Bachtschisaraj:
"Die Ereignisse zeigen, dass der Druck auf die Krimtataren insgesamt steigt. Fast alle Krimtataren erkennen die Annexion der Krim nicht an, fast alle sind gegen die russische Okkupation. Jetzt wird versucht, Angst zu verbreiten."
Repressionen gegen Krim-Tataren
Die Krimtataren haben eine eigene politische Vertretung, die Medschlis. Auch sie ist unter Druck. Mitte September durchsuchten Maskierte das Gebäude der Medschlis in Simferopol, der Hauptstadt der Krim, riegelten es ab und beschlagnahmten Computer. Kurz darauf zwang ein Gericht die Krimtataren, das Gebäude zu räumen. Der Anführer der Medschlis, Mustafa Dschemiljew, darf bereits seit dem Frühjahr nicht mehr auf die Krim reisen, die russischen Behörden lassen ihn nicht herein, er hält sich in Kiew auf. Dschemiljew spricht von Repressionen gegen sein Volk. Die russische Regierung weist das zurück. Der stellvertretende Außenminister Russlands, Gennadij Gatilow, sagte kürzlich auf einer UN-Konferenz mit Vertretern indigener Völker sogar, Russland habe in den vergangenen Monaten mehr für die Krimtataren getan, als die Ukraine in zwanzig Jahren. Und der stellvertretende Premierminister der Krim, Michail Scheremet, meint:
"Wir haben Stabilität, Ruhe und nicht den kleinsten interethnischen Konflikt. Mich ärgert schon das Wort Minderheit. Wir haben bestimmte nationale Gruppen, aber wir unterteilen sie nicht in Minderheiten und Mehrheiten. Bei uns haben alle gleiche Rechte und Möglichkeiten. Wir sind zu allen verständnisvoll und herzlich."
Die krimtatarische Restaurantbesitzerin Seid-Velijeva kann darüber nur lächeln. Sie verweist auf die Geschichte ihres Volkes. Die Krimtataren wurden unter Stalin nach Zentralasien zwangsumgesiedelt. Viele kamen dabei ums Leben. Auf die Krim durften die Tataren erst gegen Ende der Sowjetunion zurückkehren.
"Vielleicht werden sie versuchen, uns erneut von der Krim zu vertreiben. Aber wir werden das überstehen. Und wir sind sogar ein bisschen optimistisch. Fast die ganze Welt verurteilt Russland wegen der Annexion der Krim. Deshalb hoffen wir, dass sich die Situation irgendwann ändert. Denn im 21. Jahrhundert kann es doch nicht sein, dass Russland mit seiner Aggression durchkommt."
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