Ukraine-Gipfel

    Putin verkündet Waffenstillstand

    Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt die Ergebnisse des Ukraine-Krisengipfels in Minsk.
    Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt die Ergebnisse des Ukraine-Krisengipfels in Minsk. © AFP / Alexander Zemlianichenko
    12.02.2015
    In der Ost-Ukraine sollen ab Sonntag die Waffen ruhen. Das erklärte der russische Präsident Wladimir Putin zum Abschluss eines Krisengipfels in Minsk. Er akzeptierte auch den Abzug schwerer Kriegsgeräte. In Russland fand unterdessen eine große Militärübung statt.
    Nach einem siebzehnstündigen Verhandlungsmarathon haben sich die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands laut Putin "auf wesentliche Punkte" für eine Ende der Kämpfe in der Ukraine geeinigt. Bei dem Vierergipfel im weißrussischen Minsk wurde vereinbart:
    - Ab Sonntag gilt eine Waffenruhe
    - Ab Dienstag werden schwere Waffen abgezogen; das soll nicht länger als zwei Wochen dauern
    - Alle Gefangenen sollen binnen 19 Tagen freigelassen werden
    - Die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine wird von allen Seiten respektiert
    Diese Punkte seien in einem Dokument festgehalten, das laut Putin bereits unterschrieben wurde. Auch die prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine hätten dem zugestimmt. In einem zweiten Dokument erklärten Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine ihre Unterstützung für den Friedensprozess. Dieses Dokument solle aber nicht von den Teilnehmern des Gipfels unterschrieben werden, erklärte Putin. Die vier Staats- und Regierungschefs wollen sich künftig regelmäßig treffen, um zu überwachen, dass die Vereinbarung eingehalten wird, erklärte der deutsche Regierungssprecher.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem Hoffnungsschimmer.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, links) und Frankreichs Staatschef François Hollande in Minsk.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, links) und Frankreichs Staatschef François Hollande in Minsk.© AFP / Kirill Kudryavtsev
    Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Minsk: "Wir haben erstmals klare zeitliche Vorgaben für die Umsetzung von Minsker Verpflichtungen - zu Wahlen, Grenzkontrollen, Gefangenenaustausch, um nur einige zu nennen." Der SPD-Politiker machte deutlich, dass er sich mehr von dem Vierer-Gipfel erhofft hat. "Manchem wird das nicht reichen. Auch wir hätten uns mehr gewünscht. Aber es ist das, auf das sich heute Nacht die Präsidenten der Ukraine und Russlands einigen konnten." Es sei keine umfassende Lösung erzielt worden, "und schon gar kein Durchbruch", sagte Steinmeier. "Aber Minsk II könnte nach Wochen der Gewalt ein Schritt sein, der uns von einer militärischen Eskalationsspirale weg und hin zu politischem Momentum führen könnte."
    "Erleichterung für Europa und Hoffnung für die Ukraine"
    Der russische Präsident Putin sagte weiter, die Ukraine müsse eine Verfassungsreform vornehmen, damit die Rechte der Menschen in den östlichen Landesteilen respektiert würden. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte, es gebe noch viel zu tun. Er sprach von einer "umfassenden politischen" Lösung des Konflikts. Die Einigung sei eine "Erleichterung für Europa und Hoffnung für die Ukraine", sagte Hollande. "Dieser Text, der von der Kontaktgruppe und den Separatisten unterzeichnet worden ist, behandelt alle Fragen."
    Bundeskanzlerin Merkel betonte im Vorfeld des Gipfeltreffens immer wieder, dass in Minsk auch die Friedensordnung in Europa auf dem Spiel stehe - bei einem Diktator als Gastgeber. Euphorisch war Merkel nicht; sie wollte das Treffen aber nicht mit leeren Händen verlassen.
    In dem Papier wird die "konkrete Umsetzung" des Friedensplans von Minsk von vergangenem September verlangt. Das Minsk-II-Abkommen hat nach Ansicht des Russlandbeauftragten der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), mehr politisches Gewicht. "Es wird eine andere Autorität dahinter stecken, nämlich die Unterschrift von den vier Staats- und Regierungschefs" der Ukraine, von Russland, Frankreich und Deutschland, sagte Erler im Deutschlandfunk.
    Im umkämpften Osten der Ukraine gilt seit der Unterzeichnung des Minsk-I-Abkommens formal eine Waffenruhe, die jedoch immer wieder gebrochen wurde. Der Friedensplan von Minsk sieht außerdem die Einrichtung einer 30 Kilometer breiten entmilitarisierten Pufferzone entlang der Frontlinie vor. In dem seit zehn Monaten andauernden Konflikt wurden bereits mehr als 5300 Menschen getötet.
    Poroschenko: Putin stellt "inakzeptable Bedingungen"
    Der ukrainische Präsident Poroschenko dämpfte jedoch Hoffnungen eine baldige Einigung. Russland stelle einige "inakzeptable Bedingungen", sagte Poroschenko. Er könne "noch keine guten Nachrichten" verkünden.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ist bei den nächtlichen Gesprächen in Minsk über eine Befriedung der Ost-Ukraine sichtlich müde.
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ist bei den nächtlichen Gesprächen in Minsk über eine Befriedung der Ost-Ukraine sichtlich müde.© AFP / Kirill Kudryavtsev
    In der Nacht waren erste positive Anzeichen aus den verschlossenen Türen in die Außenwelt gedrungen. Auch das gemeinsame Gruppenfoto pünktlich zu den Abend-Nachrichtensendungen im Fernsehen wurde so gewertet. Die russische Seite verbreitete erst Zuversicht, dann verlautete aus anderen Delegationen, Kremlchef Putin stelle sich quer.
    Zwischenzeitlich holten alle vier Staatschefs ihre Außenminister hinzu. Später sprach auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow von einem Abschlussdokument. Die Gespräche verliefen "aktiv". Dies bedeute "besser als super". Lawrows Verhandlungspartnern sind seine zynische Kommentare bekannt.
    Separatisten dämpfen Erwartungen
    Die prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine dämpften Hoffnungen auf eine rasche Waffenruhe. "Eine vollständige Feuerpause sofort an der ganzen Front umzusetzen, ist unmöglich", sagte Separatistenführer Andrej Purgin dem russischen Staatsfernsehen. Dafür seien mindestens anderthalb Tage nötig. Vertreter der prorussischen Rebellen trafen sich an einem anderen Ort in Minsk mit Vertretern aus Kiew, Moskau und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
    Neue russische Panzer in der Ukraine
    Überschattet wurden die Verhandlungen in Minsk von neuer Gewalt in der Ost-Ukraine. Während der Verhandlungen über den Friedensfahrplan in Minsk haben nach Angaben Kiews rund 50 russische Panzer die Grenze überquert. In der Nacht zu Donnerstag hätten die Truppen zudem etwa 40 Raketensysteme sowie ebenso viele gepanzerte Fahrzeuge über den Kontrollpunkt Iswarine in die Region Lugansk gebracht, erklärte der ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko.
    Die russische Armee hatte eine Militärübung außerdem in zwölf Regionen gestartet. Schon am Dienstag waren 2000 Soldaten in Südrussland an der Grenze zur Ukraine und einem Manöver auf der Krim beteiligt.
    Poroschenko drohte trotz der Diplomatie-Bemühungen auf höchster Ebene mit Verhängung des Kriegsrechts, sollten die Gespräche scheitern. Russland wurde vorgeworfen, am Wochenende weitere Soldaten in die Ukraine verlegt zu haben. Kremlchef Putin erklärte, Soldaten würden dort lediglich "Urlaub" machen. Außerdem seien russische Freiwillige in den Donbass gereist.
    sdö/tön

    Im Deutschlandradio Kultur hat der Grünen-Politiker Ludger Volmer "eine große Ukraine-Konferenz" gefordert. Er monierte, dass der Westen hat das außenpolitische Konfliktpotenzial der Ukraine zu lange ausgeblendet habe. Man hätte mit der Ukraine und Russland viel früher eine Konzeption verhandeln müssen, die die Ukraine als "Brückenstaat zwischen Ost und West" definiert, sagte Volmer - "mit besten Beziehungen zur EU, mit besten Beziehungen zu Russland und durch interne Kompromisse zwischen der westlichen und der russischen Bevölkerung der Ukraine ausbalanciert".

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