Ukraine

Folter als Antwort auf Protest

Ein Demonstrant steht in Kiew hinter einer Barrikade aus alten Autoreifen.
Ein Mann demonstriert am 28.01.2014 in Kiew © dpa/picture-alliance/Maxim Shipenkov
Von Sabine Adler · 31.01.2014
Die Gewalt in der Ukraine hat ein neues Opfer gefordert. Der Organisator des sogenannten Auto-Maidan, einer Protestaktion im Autokorso, wurde entführt und gefoltert. Oppositionsführer Vitali Klitschko warnt vor einer Verhängung des Ausnahmezustands.
Die Schüler der Ukraine haben kältefrei. Doch trotz strahlenden Sonnenscheins ist bei Temperaturen von mehr als 20 Grad minus niemandem nach Spielen im Schnee zumute.
Im ganzen Land fordert der Frost Opfer. Stromausfälle werden gemeldet, Autofahrten werden zur Gefahr, über 600 Wagen wurden in den vergangenen Stunden abgeschleppt, denn wer bei diesen Temperaturen liegen bleibt, droht zu erfrieren. Umso größer der Schrecken als der Organisator des sogenannten "Auto-Maidan", Dmitri Bulatow jetzt in der Nähe von Kiew in einem Dorf auftauchte, einer von Dutzenden Personen, von denen seit Tagen jede Spur fehlt.
Er hatte sich trotz Kälte und Verwundungen bis dort hin geschleppt, ist übel zugerichtet: Das Gesicht, der ganze Kopf verklebt mit Blut und schorfigen Wunden. Sein fülliger Bauch ein riesiger Bluterguss. Folge von Schlägen und Tritten.
Blutergüsse und Schnittwunden
Sergej Pojarkow, ein Freund und Mitstreiter sagt, dass Dmitri Bulatow gefoltert wurde, weil seine Peiniger wissen wollten, wer die Protestaktion mit den Autos finanziert.
Seine Entführer hatten ihm Teile seines Ohrs abgetrennt, ihm Schnittwunden an der Wange und in der Kopfhaut zugefügt, ihn gefesselt.
Die Behörden ermitteln inzwischen, wer den Mann entführt und derart gefoltert hat. Waleri Masan von der Kiewer Polizei:
"Am 22. Januar wurde er nach einem Schlag auf den Kopf bewusstlos an einen unbekannten Ort gebracht und dort 8 Tage lang festgehalten. Als man ihn fand, ging bei der Polizei parallel ein Anruf ein, dass an anderer Stelle auch das Auto gefunden wurde, in dem er entführt wurde."
Bulatow wird derzeit in der Klinik behandelt.
Angesichts des Schicksals von Dmitri Bulatow wirkt die Erklärung des Leibarztes des Präsidenten, Viktor Janukowitsch befinde sich im Krankenhaus mit einer Entzündung der Atemwege und Fieber, umso kontrastreicher und bringt die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz weiter gegen die Staatsführung auf.
Janukowitsch "politisch" erkrankt
Von einer politischen Erkrankung sprechen sie. Der Präsident verstecke sich, während seine Sicherheitskräfte wieder gewaltsam vorgehen, so ihre Mutmaßungen. Parteichef Vitali Klitschko von UDAR unterstellt seinem wichtigsten Gegner, den Ausnahmezustand auszurufen, um so den Maidan gewaltsam zu räumen.
Für Empörung sorgt zudem eine Meldung am Vormittag, dass ein junger Arzt verhaftet, geschlagen und schließlich zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden ist, weil er Verletzten geholfen hat. Oleksi Tutow war in der Nacht vom 22. Januar als einer von Dutzenden freiwilligen Medizinern im Einsatz. Denn bei den schweren Kämpfen auf der Gruschewski-Straße wurden Schüsse auf Demonstranten abgefeuert, waren die ersten Todesopfer zu beklagen. Der junge Arzt war deutlich als solcher gekennzeichnet: mit rotem Kreuz auf dem Helm und seinem T-Shirt.
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