Ukraine

Antrittsrede weckt Hoffnungen

Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko.
Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko. © dpa/Rainer Jensen
Von Florian Kellermann  · 07.06.2014
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat bei seiner Amtseinführung einen schlichten Auftritt hingelegt. Als entschieden und klar bewertet Florian Kellermann im Deutschlandradio Kultur Poroschenkos Antrittsrede.
Petro Poroschenko hat die Präsidentenwahl schon im ersten Wahlgang gewonnen - ein enormer Vertrauensbeweis der Ukrainer. Dementsprechend groß ist seine Verantwortung. Die heutige Amtseinführung hat berechtigte Hoffnungen geweckt, dass er ihr gerecht werden kann. Der 48-Jährige hat eine betont schlichte, emotionslose Form gewählt - kein Bad in der Menge, kein Zeichen des Triumphs, und das war der Lage hundertprozentig angemessen. Denn im Osten des Landes sterben beinahe täglich ukrainische Soldaten. Schwer bewaffnete Banden, die sich irreführend als Volkswehr bezeichnen, verschleppen und foltern Andersdenkende. Poroschenko hat durch die Art der Amtseinführung gezeigt: Ob seine Entscheidungen populär sein werden, interessiert ihn nicht, er will Ergebnisse vorweisen.
Vage war er nur im Wahlkampf
So vage er im Wahlkampf blieb, so entschieden und klar fiel seine Antrittsrede aus. Sie hatte vor allem zwei Adressaten: die Menschen in den umkämpften Bezirken Donezk und Luhansk - und den russischen Präsidenten Vladimir Putin. Den Ostukrainern sagte Poroschenko, dass sie einer russischen Propagandalüge aufsitzen, wenn sie die Separatisten für ihre Interessenvertreter halten. Er appellierte an ihre alltäglichen Erfahrungen: an Kriminelle mit Maschinengewehren, die plündernd durch Städte ziehen und die bevorzugt aus Wohnungen und Krankenhäusern heraus auf die ukrainische Armee schießen. Seine Botschaft an die Menschen im Osten: Die ukrainischen Soldaten sterben für Euch.
Wie Poroschenko damit im Osten ankommt, ist bisher schwer zu sagen. Die meisten Menschen im Donezk-Becken konnten nicht an der Präsidentenwahl teilnehmen. Allerdings klagen viele dort, dass die Ukraine doch ein schwacher Staat sei, der seine Bürger nicht schützen kann. Das werde er ändern, versprach der neue Präsident. Ernst nehmen werden das die Menschen im Osten allerdings nur, wenn er sie wirklich bald besucht, wie Poroschenko in der Rede versprach. Kein leichtes Unterfangen, haben die Separatisten doch schon mehrere Hubschrauber der ukrainischen Armee abgeschossen.
Deutliche Worte an Putin
Die an Putin gerichteten Worte waren nicht weniger deutlich. Die Ukraine werde sich unter seiner Führung endgültig vom großen Nachbarn lösen - und zur Europäischen Union hinbewegen. Die Schaukelpolitik, die über so viele Jahre und zuletzt von Janukowytsch betrieben wurde ist vorbei. Das Wort „Nato" vermied Poroschenko geflissentlich, dennoch stellte er klar, dass sich die Ukrainer in ihrer Verteidigungsstrategie an den westlichen Partnern ausrichten wird. Er erteilte den Versuchen des Kreml, die ukrainische Innenpolitik mitzubestimmen, eine Absage: Mit ihm werde die Ukraine nicht in einen Bundesstaat verwandelt, indem die östlichen Bundesländer dann sehr wahrscheinlich unter starken russischen Einfluss kämen.
Poroschenkos einziges wohlwollendes Signal an Moskau: Die Ukraine bleibt stets gesprächsbereit. Deshalb war immerhin der russische Botschafter zur heutigen Zeremonie eingeladen.
Furchtbarer Blutzoll für den Wunsch nach Demokratie
Hoffnung auf einen Neuanfang in der Ukraine machten nicht nur Poroschenkos Worte und Gesten, sondern auch der dreimalige stehende Applaus der Abgeordneten. Die ostukrainisch geprägte Partei der Regionen erschien ebenso zur Amtseinführung wie die Kommunisten. Und Poroschenkos Widersacherin im Wahlkampf Julia Tymoschenko rang sich die Worte ab, der neue Präsident werde das Land stabilisieren. Angesichts der Bilder von raufenden Abgeordneten, die seit Jahren aus dem ukrainischen Parlament kommen, war die Zeremonie heute eine Demonstration der Geschlossenheit.
Die Ukrainer haben in den vergangenen Monaten für ihren Wunsch, ein demokratisches Land in Europa zu werden, einen furchtbare Blutzoll gezahlt. Die dramatischen Ereignisse haben jedoch auch eine historische Chance eröffnet: Tiefgreifende Reformen, die bisher kaum durchsetzbar waren, sind jetzt möglich. Das Land baut derzeit rasend schnell eine schlagkräftige Armee auf. Im gleichen Tempo kann Poroschenko jetzt auch eine faire, unabhängige Justiz schaffen, eine Polizei, die Bürger schützt und Steuerbehörden, die nicht bestechlich sind. Schon jetzt sollte die Europäische Union das mit einem kräftigen Signal unterstützen: Wenn dem neuen Präsidenten das alles gelingt, natürlich im Verein mit der Nation, dann hat die Ukraine einen EU-Beitritt verdient.