Ukraine

Angst in Odessa

Prorussische Demonstranten in Odessa
Prorussische Demonstranten zeigen ihre Trauer um die Toten von Odessa. © dpa / picture alliance / Artem Zhitenev / RIA Novosti
Von Sabine Adler · 06.05.2014
Während die Kämpfe in Slawjansk andauern und der Flughafen von Donezk geschlossen bleibt, berät das Parlament in Kiew über die Militäraktion im Osten des Landes. Sie wird in den Medien als "ineffizient" kritisiert.
In Slawjansk dauern die Kämpfe an. Der ukrainische Innenminister Abakov berichtete von 30 getöteten Kämpfern der prorussischen Milizen und vier ukrainischen Soldaten. Dutzende seien verletzt, darunter auch die Besatzung eines abgeschossenen Armeehubschraubers.
Der Flughafen von Donezk wurde am Morgen für zunächst zwölf Stunden vollständig geschlossen. Die ukrainische Regierung hatte gestern verkündet, Flüge aus Russland nach Donezk und Charkow vorerst nicht mehr zu erlauben. Straßen, die von der Krim auf ukrainisches Territorium führen, werden streng kontrolliert.
In Donezk sind für das illegale Referendum am kommenden Sonntag über drei Millionen Wahlzettel gedruckt worden, die in der von den prorussischen Milizen besetzten Gouverneursverwaltung gelagert werden.
Das russische Fernsehen macht den Westen für die Gewalt in Odessa verantwortlich. In der Nachrichtensendung "Westi" hieß es:
"Viele Experten im Westen halten die Tragödie in Odessa für eine Provokation, an der die Kiewer Regierung Schuld trägt, mit Unterstützung der USA und der Europäischen Union."
Ein sogenannter Experte in den USA erklärt in dieser russischen Fernsehsendung, dass es sich um eine Provokation handelt, einen vom Westen geplanten Massenmord. Nach Bosnien und dem Kosovo käme jetzt die Ukraine an die Reihe, heißt es in der Nachrichtensendung "Westi".
Behörden schweigen zu der Katastrophe von Odessa
In Odessa, wo die Menschen vor allem Russisch sprechen und die ukrainischen Fernsehkanäle größtenteils Ukrainisch senden, fallen derartige Verschwörungstheorien auf fruchtbaren Boden. Zu alledem schweigen die ukrainischen Behörden, nehmen sich des Leids der Menschen nach der Katastrophe vom Freitag nicht an, kritisiert die Publizistin Zoja Kasanschi:
"Es gibt immer noch keine Angaben über die Zahl der Vermissten, die Behörden haben noch immer keine Stelle eingerichtet, an die sich suchende Angehörige wenden können. Weil es das Gerücht gab, dass im Keller des ausgebrannten Gewerkschaftshauses immer noch hunderte Leichen liegen sollen, ist eine Journalistin hinunter gestiegen, um nachzusehen. In der Stadt herrscht Angst. Warum hat sich bisher kein einziger Präsidentschaftskandidat mal auf den Weg nach Odessa gemacht? Und die Verantwortlichen in Odessa haben bislang überhaupt noch nichts gesagt! Es herrscht ein Informationsvakuum. Keiner weiß, wie viele Tote es tatsächlich gibt, ob 106 oder 116 oder noch mehr Menschen vermisst werden."
In der Hafenstadt werden heute weitere Opfer beerdigt. 37 der insgesamt 46 Toten wurden identifiziert.
In Kiew lassen sich die Abgeordneten des Parlaments heute hinter verschlossenen Türen von den Sicherheitskräften über den Verlauf der Anti-Terror-Operation informieren, die in den Medien als "ineffizient" abqualifiziert wird. Der Chef der Nationalgarde, Stepan Poltorak, weist die Kritiker in die Schranken:
"Der Gegner provoziert uns, damit wir immer schwerere Waffen einsetzen und es zu Opfern in der Bevölkerung kommt. Diejenigen, die sagen, dass die Anti-Terror-Operation langsam oder schlecht verläuft, denen sagen wir: Denken Sie nach, bevor Sie Unsinn reden."
Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte dafür, dass die Vertreter der Kommunistischen Partei den Parlamentssaal verlassen müssen. Sie wurden ausgeschlossen. Zudem kursieren einmal mehr Gerüchte darüber, den Parlamentspräsidenten Oleksandr Turtschinow abzusetzen. Er gilt als schwach.
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