Überzüchtung

Warum die Bienen wirklich sterben

Eine Honigwabe mit Arbeitsbienen
Eine Honigwabe mit Arbeitsbienen. © picture-alliance/ ZB
Von Udo Pollmer · 30.09.2016
Seit Jahren beobachten Forscher den weltweiten Rückgang der Bienenpopulation mit Sorge. Oftmals werden Pestizide für das Sterben verantwortlich gemacht. Falsch, meint Udo Pollmer. Schuld seien die Imker selbst.
Weltweit sterben die Bienen. Bald täglich erreichen uns Meldungen, Pestizide würden der allseits beliebten Biene Maja ein schmähliches Ende bereiten. Seltsam nur, früher haben die Bauern regelmäßig Insektengifte versprüht, für die Bienen hat sich niemand interessiert.
Die Prüfung der Pflanzenschutzmittel auf Bienengefährlichkeit vor der Zulassung ist eine Errungenschaft neueren Datums. Zudem arbeiten Landwirt und Imker längst zusammen. Um die Bestäubung der Kulturen zu sichern, sprechen sie die Mittel und den Zeitpunkt der Ausbringung ab. Doch seit auf die Bienen Rücksicht genommen wird, jagt ein Bienensterben das nächste. Was ist da los?
Es stimmt, heute sind mehr Bienenverluste zu beklagen als früher. Doch die wichtigste Ursache wird gar nicht erst erwähnt: Es ist die Überzüchtung. Obwohl sich zum Imkern mehrere Bienenarten eignen, kommt weltweit praktisch nur noch eine Art zum Zuge.
Dieser Hochleistungs-Imme musste auch unsere Nordbiene weichen. Diese war robust, kam mit schlechtem Wetter ebenso klar wie mit mieser Tracht, also einem unbefriedigenden Angebot an Nektar und Pollen.

Nordbienen waren nur mäßige Honigsammler

Zum Leidwesen der Imker waren diese Tierchen stechlustig aber nur mäßige Honigsammler. Deshalb begannen unsere Bienenväter um 1950 die heimischen Nordbienen auszurotten. So wollten sie verhindern, dass sich deren Drohnen an die reinrassigen Hochleistungs-Königinnen ranwanzen und die ehrgeizigen Zuchtziele gefährden.
Abgelöst wurde die Nordbiene von der Kärntner Biene, die vom Donaubecken bis zum Balkan heimisch ist. Dank intensiver züchterischer Bearbeitung ist es heute das ideale Nutzvieh: bienenfleißig, mit gutem Orientierungssinn, sie sitzt ruhig auf der Wabe, sticht nicht, schwärmt nur selten, ist im Winter billig im Unterhalt und entwickelt sich im Frühjahr schnell.
Ein Biene aus Stoff mit Gasmaske ist während einer Demonstration in Berlin hinter einer Autoscheibe zu sehen.
Ein Biene aus Stoff mit Gasmaske ist während einer Demonstration in Berlin hinter einer Autoscheibe zu sehen.© dpa / picture alliance / Paul Zinken
Die Imker haben ihre Kärntner Hochleistungsbiene gedankenlos in ferne Ökosysteme verpflanzt, und damit begann das Elend. Denn Nektar und Pollen haben je nach Tracht ganz unterschiedlichen Nährwert. Manche sind sogar giftig. Natürlich meiden die Bienen, wenn möglich, giftige Trachten. Aber wenn sie in riesigen Monokulturen ausschwärmen sollen, haben sie keine Wahl.
Nicht zufällig sind die größten Völkerverluste bei der kalifornischen Mandelblüte zu beklagen. Der Baum liefert blausäurehaltiges Amygdalin, und das ist für Bienen ziemlich giftig. Gehen davon die Bienenvölker ein, verdächtigen alle reflexartig die Pestizide.

Danach sucht kein Labor

Gewöhnlich übernimmt die Darmflora der Biene das Entgiften pflanzlicher Abwehrstoffe. Aber es reicht halt nicht immer. Vor allem dann, wenn sie durch Antibiotika wie Tylosin geschädigt ist oder durch Streptomycin, mit dem Obstbäume behandelt werden. Danach sucht kein Labor.
Stattdessen werden Pestizide analysiert und wenn man so gut wie nichts findet, erklären Umweltschützer, daran könne man sehen, wie riskant bereits Ultraspuren seien.
Dummerweise hat die Kärntner Biene eine Engelsgeduld. Sanfte Immen sind nicht nur zu den Menschen lieb, sondern auch zur Varroamilbe. Diesen Parasiten haben die Bienenzüchter vor einigen Jahrzehnten aus Asien eingeschleppt.
Der dort heimischen Honigbiene wird der Parasit nicht gefährlich, sie bekämpft Milben im Stock konsequent. Ihre Völker sind gesünder, aber sie liefern zu wenig Honig.

Neue Bienen braucht das Land

Die Varroa ist nicht nur eine Blutsaugerin, sie verbreitet auch Krankheiten. Vor den Zeiten der Milbe kam das Immunsystem der Kärntner Biene mit den meisten Erregern zurecht. Aber seit einige Viren herausgefunden haben, dass sich die Milbe gewissermaßen als Injektionsnadel eignet, hat sich das Blatt gewendet.
Die Erreger gelangen inzwischen durch den Stich der Milbe in die Blutbahn der Biene. Die neuen Viren wie das DWV bewirken genau das, was man den Pestiziden unterstellt: Die Bienen verlieren ihre Orientierung, verirren sich in fremde Stöcke und tragen so die Krankheit weiter.
Wir brauchen eine Kehrtwende in der Züchtung, wir brauchen Bienen, die an das jeweilige Ökosystem angepasst sind, auch wenn die Stechlust steigt und die Honigernte sinkt. Mahlzeit!
Literatur
London-Shafir I et al: Amygdalin in almond nectar and pollen – facts and possible roles. Plant Systematics and Evolution 2003; 238: 87-95
Ayestaran A et al: Toxic but drank: gustatory aversive compounds induce post-ingestional malaise in harnessed honeybees. PloS One 2010; 5: e15000
Hurst V et al: Toxins induce ‘malaise’ behaviour in the honeybee (Apis mellifera). Journal of Comparative Physiology A 2014; 200: 881–890
Maurizio A: Über ein Massensterben von Bienen, verursacht durch Pollen von Ranunculus puberulus Koch. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1941; 149-150
Pfuhl A, Pollmer U: Natürliche Gifte in Pollen und Nektar. EU.L.E.nspiegel 2014; H.1-2: 21-27
Stafford CA et al: Infection with a plant virus modifies vector feeding behavior. PNAS 2011; 108: 9350-9255
Pfuhl A: Die Globalisierung der Krankheiten. Natürliche Gifte in Pollen und Nektar. EU.L.E.nspiegel 2014; H.1-2: 28-34
Oliver R: Sick Bees – Part 18F2-Colony collapse revisited - plant allelochemicals. American Bee Journal 2013; 153: 179-186
Shah KS et al: Localization of deformed wing virus (DMV) in the brains oft he honeybee Apid mellifera Linaeus. Virology Journal 2009; 6: e182
Bowen-Walker PL et al: The transmission of deformed wing virus between honeybees (Apis melllifera L) by the ectoparastic mite Varroa jacobsoni Oud. Journal of Invertebrate Pathology 1999; 73: 101-106
Comman RS et al: Pathogen webs in collapsing honey bee colonies. PLoS One 2012; 7: e43562
Mehr zum Thema