Übersetzung

Endlich mal was Heiteres

Arno Schmidt
Der Schriftsteller Arno Schmidt © dpa
Von Jürgen Hanefeld · 26.11.2014
Den Humor und die Leichtigkeit schätzt Jun Wanda an Arno Schmidts Literatur am meisten. Der Germanist arbeitet in der Tokioter Stadtverwaltung, doch seine Leidenschaft gilt dem deutschen Autor. In seiner Freizeit hat er eine seiner Erzählungen übersetzt - und sich sogar auf Recherchereise nach Niedersachsen begeben.
"Zunächst einmal schätze ich seinen Humor und seinen Witz."
Sagt Jun Wada über Arno Schmidt. Eine erstaunliche Aussage, wenn man bedenkt, dass der deutsche Schriftsteller eher als sperrig und verschroben gilt, und der junge Japaner eher schüchtern wirkt als heiter.
Aber das ist nicht die einzige Überraschung:
"Ich bin 27 Jahre alt und arbeite jetzt in der Stadtverwaltung Tokio."
Als Stadtplaner verdient Jun Wada sein Geld, doch seine Leidenschaft gilt Arno Schmidt. Und weil es von dem in Japan - von einem kurzen Essay abgesehen - noch keine Übersetzung gab, hat sich der Germanist daran gesetzt, in seiner Freizeit einen Roman seines Idols zu übertragen. In seinem Studium an der renommierten Waseda-Unversität hatte Jun Wada sich zunächst Alfred Döblin gewidmet, aber der war ihm nicht exotisch genug.
"Häufig empfinde ich beim Lesen von Romanen Langeweile. Aber bei Arno Schmidt ist das ganz anders. Da ist jede Zeile, jeder Satz spannend."
Drei Zeichensysteme der japanischen Sprache genutzt
So kam er auf die Idee, dessen Erzählung "Seelandschaft mit Pocahontas" ins Japanische zu übersetzen. Es handele sich, so Jan-Philipp Reemstma bei der Verleihung des Merck-Kakehashi-Preises kürzlich in Tokio, um eine der "schönsten, traurigsten und wildesten Liebesgeschichten der deutschen Literatur".
"In meiner Übersetzung habe ich mich vor allem bemüht, Schmidts Humor und seine Leichtigkeit in japanischen Worten auszudrücken. Diese ungezwungene Leichtigkeit habe ich den japanischen Lesern zu vermitteln versucht."
Aber wie kann das funktionieren bei so unterschiedlichen Sprachen? Und bei einem Autor wie Arno Schmidt, der mit Worten spielt und sogar neue erfindet? Jun Wada hat alle Register gezogen, zum Beispiel die drei Zeichensysteme der japanischen Sprache genutzt, um Schmidts Variationen nachzubilden. Beispiel: die Wortschöpfung "Mitflüstern".
"Es gab ein Wort 'Mitflüstern' in dem Text. Das habe ich 'aisasayake' übersetzt. 'ai' bedeutet 'mit' und 'sasayake' bedeutet "flüstern". Das sind also neue Wörter."
Bei diesen Finessen hat sich der junge Übersetzer von seiner Frau unterstützen lassen, die auch eine japanische Germanistin ist. Und dann blieb es natürlich nicht aus, die Wirkungsstätte des Meisters zu besuchen.
"Wir sind Ende September an den Dümmer in Niedersachsen gereist. Damals war es schon kalt, aber trotzdem war es sehr schön dort. Wir haben einerseits das eigentümliche launische Wetter zu spüren bekommen, aber andererseits auch die Möglichkeit gehabt, die Landschaft zu genießen. Wir haben einheimische Vögel beobachtet, so wie es vielleicht auch Arno Schmidt getan hat."
Nicht vielleicht, sondern ganz bestimmt.
Eine Nacht im Gasthof Schomaker
Die Wadas haben sich sogar im Gasthof Schomaker einquartiert, der in Arno Schmidts Erzählung "Holkenbrinks" heißt. Man stelle sich vor: Zwei junge Japaner aus Tokio im Gasthaus von Dümmerlohausen, wie das Dorf heißt. Eine Szene, die vielleicht auch Arno Schmidt gefallen hätte. Zu gerne hätte Jun Wada dort den Wirt getroffen, der den Autor noch persönlich gekannt hat.
"Chef Schomaker war sehr nett, aber er sagte, dass er nicht mehr Schmidt gesehen hat. Aber sein Vater hat ihn noch getroffen."
Sie hätten sich trotzdem wohlgefühlt. Aal und Hering hätten ihnen gut geschmeckt, nur die Kommunikation war gelegentlich ... schwierig:
"Unser Deutsch war nicht gut. Wir haben oft nichts verstanden, ihr Dialekt, aber..." (lacht)
Jun Wada will nicht ewig bei der Stadtverwaltung Tokio arbeiten. Er sitzt bereits an seiner Dissertation, weil er hofft, als Dozent an der Universität mehr Zeit für Übersetzungen zu haben. Die anderen drei Stücke aus dem Sammelband "Rosen und Porree" hat er sich vorgenommen und später den "Leviathan". Das heißt: Jun Wada bleibt dem Genius Arno Schmidt treu.
"Ich glaube, sein Werk ist für japanische Leser ein literarisches Abenteuer. Ich habe den Eindruck, dass - was die deutsche Literatur betrifft - nur ernsthafte Bildungsromane oder phantastische Romane in Übersetzung vorliegen."
Das wird sich ändern.