Übernahmeschlacht

Von Martin Hartwig · 04.02.2010
Unterhaltsam war die sogenannte "New Economy" allemal. lhre Protagonisten traten auf wie Showstars und Geld schien gar keine Rolle zu spielen. Einer der Höhepunkte dieser Zeit war die Auseinandersetzung zwischen Mannesmann und Vodafone, die vor zehn Jahren zu Ende ging.
"Er hat sich viel vorgenommen",

stand unter der seitenfüllenden Fotografie eines Babys, die im Dezember 2000 in vielen deutschen Zeitungen zu finden war. Darunter das Logo der Firma Mannesmann. Der Konzern wollte der Öffentlichkeit und vor allem seinen Aktionären so mitteilen, dass auch ihm eine große Zukunft bevorstände – wenn man ihn nur ließe. Klaus Esser, Vorstandsvorsitzender von Mannesmann:

"Wir sind der Innovator, wir laufen vor der Welle, nicht hinter der Welle, daher der Erfolg von Mannesmann in seinem Bereich Telekommunikation, der in Europa der beste Erfolg ist."

"Jeder Mann weiß: Wer groß werden will, braucht eine gute Mutter."

So hieß es kurz darauf in einer Gegenanzeige. Zu sehen war ein Baby, das gerade gestillt wird. Auftraggeber in diesem Fall: die Firma Vodafone Airtouch, die sich so für die Rolle der nährenden Mutter empfahl – was konkret hieß, dass sie Mannesmann aufkaufen wollte. Vodafone Chef Chris Gent:

"Vodafone Airtouch glaubt, dass die Konsolidierung unserer eigenen Telekommunikationsbereiche und jener von Mannesmann in einer Gesellschaft ein europäisches aber global führendes Telekommunikationsunternehmen ergeben wird."

Die aufwendigen Kampagnen und Gegenkampagnen gingen über mehrere Wochen und bildeten den Höhepunkt einer Übernahmeschlacht zwischen zwei Unternehmen, wie sie die Bundesrepublik noch nicht erlebt hatte. Staunend sah das Publikum einem nach allen Regeln der Unterhaltungskunst inszenierten Drama zu – New Economy. Angefangen hatten die Feindseligkeiten zwischen den bisherigen Geschäftspartnern im Oktober 1999, als Mannesmann das Telekommunikationsunternehmen Orange erwarb und sich damit in den britischen Markt einkaufte. Chris Gent.

"Wir waren enttäuscht, als unsere Partnerschaft mit Mannesmann infrage gestellt wurde, als Mannesmann ein Angebot zum Kauf von Orange vorlegte, ohne vorher mit uns gesprochen zu haben."

Vodafone beschloss darauf hin, den deutschen Konkurrenten gleich ganz aufzukaufen. Am 14. November unterbreitete Chris Gent den Aktionären von Mannesmann ein entsprechendes Angebot - gegen den erklärten Willen der Mannesmann-Führung. Klaus Esser:

"Der Aufsichtsrat stimmt zu, dass wir nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider, das angekündigte Angebot von Vodafone Airtouch an die Mannesmann Aktionäre auf Übernahme der Mannesmann-Aktien ablehnen."

Das war etwas, was man in Deutschland nicht kannte. Zum ersten Mal versuchte sich ein ausländisches Unternehmen an einer feindlichen Übernahme. Die Öffentlichkeit reagierte empört. Kritiker sprachen von einem Kulturbruch und vom Einzug des angelsächsischen Börsenkapitalismus in Deutschland. Das britische Unternehmen focht dies nicht an. Aggressiv verfolgte es seine weltweite Expansionsstrategie – mit dem erklärten Ziel, auf allen wichtigen Mobilfunkmärkten der Welt vertreten zu sein. Chris Gent:

"Wir glauben, dass die Zukunft der Telekommunikation mobil aussehen wird. Die Fusion bringt uns diese Realität näher."

Demgegenüber verfolgte das Management von Mannesmann ein prinzipiell anderes Konzept, dass es als "integrierte Strategie" bezeichnete. Gemeint war damit die Sammlung verschiedener Telekommunikationsaktivitäten unter einem Dach – vor allem das Anbieten sowohl von Festnetz- als auch Mobilkommunikation.

"Wenn die Aktionäre reicher werden wollen, dann schaffen sie das mit der besseren Strategie, mit der integrierten Strategie. Sie macht ihre Aktien wertvoller."

In Deutschland konnte Esser damit überzeugen. Die Manager der internationalen Investmentfonds, bei denen die Mehrheit der Aktien lag, neigten jedoch eher zu Vodafone. Alle Versuche von Mannesmann, in letzter Minute noch andere Partner zu gewinnen, scheiterten. Allerdings musste Vodafone am Ende einen hohen Preis zahlen. Als der Mannesmannvorstand am 4. Februar 2000 öffentlich erklärte, dass er aufgebe und seinen Aktionären empfahl, die jüngste Offerte von Vodafone zu akzeptieren, war der Kaufpreis auf knapp 180 Milliarden Euro hochgetrieben. Dementsprechend fielen dann auch die Prämien aus, die sich der Mannesmann-Vorstand trotz verlorener Schlacht genehmigte. Sie beschäftigten die Gerichte und die Öffentlichkeit noch über Jahre. 2006 wurde das Verfahren wegen Veruntreuung von Firmengeldern gegen hohe Geldauflagen eingestellt.