Donnerstag, 25. April 2024

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Duisburger Filmwoche
„Wir müssen diesem Land seine Bilder geben“

Werner Ružička leitete über 30 Jahre die "Duisburger Filmwoche“. Das Dokumentarfilmfestival war eng mit dem Geist der 68er verbunden, weil es versuchte, eine Gegenöffentlichkeit mit neuen Themen und ungewöhnlichen filmischen Mitteln herzustellen. Heute fristet der politische Dokumentarfilm im Fernsehen häufig ein Schattendasein.

Werner Ružička im Gespräch mit Rüdiger Suchsland | 25.11.2018
    Lichter spiegeln sich in einer Kameralinse im Berlinale Palast am 10.02.2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele. Foto: Felix Hörhager/dpad
    "Aufklären, Sichtbarmachen, transparent machen - das ist eine Aufgabe des Dokumentarfilms als sehr sinnliches Medium", sagt Werner Ružička, der über 30 Jahre das Dokumentarfilmfestival "Duisburger Filmwoche" leitete (picture alliance / dpa / Felix Hörhager)
    Den Arbeitern eine Stimme geben, war in der Nachfolge des Dokumentarfilmers Klaus Wildenhahn das erklärte Ziel der Duisburger Filmwoche. Es gehört neben dem Leipziger Dokumentarfilmfestival zu den wichtigsten Festivals dieses Genres. Dabei gab es in den Anfängen, Ende der 70er-Jahre, kaum Filme zu sehen, die Sachthemen verhandelten und dabei nicht journalistisch vorgingen, meint Werner Ružička, der das Festival seit 1985 leitete. Außerdem stand der Mainstream dem linksintellektuellen Geist von Duisburg entgegen:
    "Es war eher so, dass in der öffentlichen Meinung und auch im Fernsehen ein gewisser Gegenwind gegen die 68er wehte und es war für viele Leute befreiend, dass auf der Filmwoche offen darüber gesprochen werden konnte. Politik war bei uns kein Un-Thema, ganz im Gegenteil, wir legten großen Wert darauf, dass Sachen zur Sprache kamen, die sonst eher beschwiegen wurden."
    Hybride Formen auf dem Rückzug
    In den letzten Jahren gibt es zunehmend den Trend, die rein sachliche Ebene zu verlassen und den Dokumentarfilm nicht mehr nur als Medium der Information zu begreifen. Es entstanden Filme, die auf der Grenze zwischen Dokumentar-und Spielfilm liegen, weil sie versuchten, Wirklichkeit durch fiktionale Momente anzureichern, die man ohne eine Inszenierung nicht hätte erreichen können. Werner Ružička sieht allerdings auch die Gefahren:
    "Wir haben solche Versuche immer auch gezeigt und diskutiert, um die Trennschärfe zu lernen. Inzwischen sind Mockumentarys oder die hybriden Formen wieder etwas im Rückgang, weil man gemerkt hat, dass man in dieses Fahrwasser der gefährlichen Vermengung von Fiktion und Nicht-Fiktion gerät. Die Filmwoche und andere Festivals sind angehalten, als eine Art ‚Schule des Sehens‘ zu fungieren und Distinktion zu lernen, das ist eine Art von Alphabetisierung auch im Filmischen."
    Aufklärung ist das Ziel
    Seine letzte Ausgabe der Duisburger Filmwoche hat Werner Ružička mit dem Film "Kulenkampffs Schuhe" von Regina Schilling eröffnet, einem Essayfilm, der die Showmaster der 60er- und 70er-Jahre mit ihrer Kriegsvergangenheit genauer betrachtet und unter der aufgesetzten Fernsehfröhlichkeit, den Wunsch des Verdrängens entdeckt. Auch dieser Film will aufklären über Geschichte und Machtverhältnisse. Werner Ružička:
    "Wenn man den Begriff Aufklärung einfach mal etymologisch nimmt, es ist ein Auf-Klären, ein Sichtbarmachen und transparent machen. Der Nebel ist weg über der Geschichte und das ist eine Aufgabe des Dokumentarfilms als sehr sinnliches Medium, das die Sinne mehr erreichen kann als Lektüre oder Ähnliches. Es ist ja nicht nur ein Appell, den man aussprechen kann und sollte, sondern auch die Realität in der dokumentarischen Produktion im letzten Jahr. Man kümmert sich um die Geschichte und man will, die Nebel der Verdrängung, des verdrucksten Beiseitesprechens weghaben. Das ist letztlich zum Besten des Zuschauers und eines Diskurses, der heißt: Man kann aus Geschichte lernen. Man muss lernen und das Bewegtbild ist wirklich der Königsweg das zu tun."