U3000 aus Hannover

Das Gegenstück zum Grübel-Deutschpop

Hannes Wesendonk von der Band U3000
Hannes Wesendonk von der Band U3000 © Imago
Von Christoph Reimann  · 04.11.2015
Bloß nicht erwachsen werden: Mit lässiger Punkattitüde beschwören U3000 auf ihrem Debütalbum "Wir haben euch belogen" die ewige Jugend. Ein wohltuender Gegenentwurf zum deutschen Diskurspop.
"Ich habe noch nie gehört, dass Hannover uncool ist, musikalisch. Keine Ahnung, wo du das her hast. Also, es gibt total coole Leute in Hannover, die Musik machen."
Klar, die gibt es. Auch. Aber überregional ist Niedersachsens Hauptstadt dann doch eher fürMusiker wie Mousse T., Lena Meyer-Landrut oder die Scorpions bekannt. Sie haben die Stadt auf die Landkarte des deutschen Pop-Mainstreams befördert. Aber auch unter Oberfläche passiert etwas, meint Hannes Wesendonk:
"Es gibt eine große Punkszene immer noch in Hannover. Da waren die Chaos-Tage ganz groß. Und es gibt Bands wie Hans-A-Plast, die auch für Hannover stehen."
Und jetzt gibt es U3000. Wesendonk ist eines der Mitglieder dieser vierköpfigen Band, die sich mit ihrer lässigen Rotzigkeit zwar auf das Punkerbe der Stadt beruft, aber doch viel poppiger klingt. Ihre Zutaten: Ekstase, Überfluss und Euphorie.
Diskurspop lehnen die vier Musiker von U3000 ab
Das Credo des Debütalbums "Wir haben euch belogen": bloß nicht erwachsen werden, bloß kein bürgerliches Leben anfangen – darin steckt tatsächlich Punk-Attitüde. U3000 sind Beschwörer der ewigen Jugend, und zwar mit Ende 20. Wie passend zu einer Zeit, in der Jung-Sein weniger über Altersgrenzen definiert wird als über das Milieu, in dem man sich bewegt. Und das wird im Fall von U3000 eben bestimmt von Partys, Mädchen, Tanz und Leichtigkeit:
"Das ist auf jeden Fall das, was wir fühlen. Wahrscheinlich kann man gar nichts anderes transportieren als das, was man irgendwie selber fühlt. Vielleicht ist diese Leichtigkeit … Ich fühle das gar nicht so als Leichtigkeit. Aber vielleicht kommt das dann so rüber und dann finde ich das gut."
U3000 sind der wohltuende Gegenentwurf zum Grübel-Deutschpop der Gegenwart, der oft Melancholie mit inhaltlicher Tiefe verwechselt. Diskurspop lehnen die vier Musiker ab, denn der, so die Begründung, ist ihnen "zu besserwisserisch". Das allerdings führt dazu, dass die elf Songs des Debüts zwar an der Oberfläche verführerisch blitzen, aber auch leicht als banal abgetan werden können. Der Song "Gewinner" zum Beispiel, eine Freibaderinnerung: Die Großen springen vom Sprungbrett, und die kleinen Jungs gucken bewundernd von unten zu ihnen auf.
U3000 haben keine Angst vor der großen Geste, keine Scheu, vermeintlich kleine Dinge als große Wahrheiten zu feiern. In einer auf kühle Effizienz getrimmten Welt ist das bewundernswert, manchmal aber auch unangenehm pathetisch. Eine Kitschgrenze jedenfalls kennen sie nicht, erklärt Hannes Wesendonk:
"Ich glaube, die kann man gar nicht überschreiten. Es muss halt immer ein bisschen lustig sein auch. Dann ist es cool. Uns macht es einfach Spaß, irgendwelche Sachen auszureizen. Und diese Fanfare, die klingt so deutsch zum Beispiel, dass wir uns darüber kaputtgelacht haben, als wir das aufgenommen haben."
Zur Schau getragene Lässigkeit allein trägt noch keine Platte
Gelb gefärbte Haare, einstudierte laszive Blicke und coole Klamotten. U3000 suchen nicht nach Authentizität, sondern umarmen die Künstlichkeit des Pop. Passend dazu tragen sie auch musikalisch dick auf - besonders mit ihrem Synthesizer. Mika Amsterdam:
"Ich stehe da erst mal an sich drauf. Diese Sounds … Du machst so eine Kiste an, dann kannst du da erst mal die Pre-Sets durchdrücken. Ich habe nicht viel Ahnung von den Dingern, aber ich bastle mir dann einen zusammen. Und du drückst drauf und denkst dir: So klingt die Welt."
Mit ihren knappen Slogans treffen U3000 oft genau ins Schwarze, aber zur Schau getragene Lässigkeit allein trägt noch keine Platte. Das Debüt der vier Musiker ist insgesamt gut, aber nicht alle Songs überzeugen. Übrigens: Aufgenommen haben U3000 das Album in Berlin. Und wo sie schon mal da waren, sind sie auch gleich in der Hauptstadt geblieben. An Hannover denken sie aber trotzdem noch manchmal wehmütig zurück. Etwa an den Hauptbahnhof:
"Man wird ja nur vollgestopft mit Essen da. Und da gibt es hinten so einen kleinen Raucherraum, den kennt niemand. Aber wenn man da reingeht, da macht man die Tür zu, sitzt da zu zweit oder dritt, raucht eine, es ist Totenstille und trinkt einen Espresso. Und man denkt sich so: Okay. Und draußen fährt die Welt vorbei. Kennt keiner, ist der beste Platz, mit in Hannover, auf jeden Fall."
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