''Typisch deutsch?"

Was die Deutschen am Sonntag so treiben

Tatort-Skizze einer Leiche anlässlich einer Lesung.
Millionen Deutsche schauen sonntags "Tatort" © imago
Von Matthias Baxmann · 13.04.2017
Was Ausländern am deutschen Sonntag besonders auffällt: Ruhig ist es, die meisten Geschäfte auch heute noch geschlossen, die Straßen wie ausgestorben. Und die besondere Vorliebe der Deutschen für sonntägliche Morde.
Hany Ghanem, Ägypten:
"Es war eine gewaltige Überraschung für mich, dass es am Sonntag so schön ruhig ist in Deutschland. Die Geschäfte sind geschlossen. Die Menschen sind irgendwie entspannter. Das kannte ich aus meiner Heimat nicht. Da ist der Freitag der freie Tag, trotzdem sind die Geschäfte offen. Hier muss man am Sonntag zur Tankstelle gehen, wenn man etwas einkaufen will. Das war für mich in der ersten Zeit sehr schwer zu verstehen. Der Sonntag scheint für die Deutschen heilig zu sein. Man darf auch beispielsweise in beruflichen Zusammenhängen niemanden anrufen. Das gehört sich nicht."
Benedict Neff, Schweiz:
"Am Sonntag habe ich in Deutschland immer ein komisches Gefühl. Es ist da überall so leer. Vor 10 Uhr morgens trifft man gar niemanden auf der Straße. Es gibt nur das kleine Zeitfenster von zwölf bis sechs, wo sich die Menschen zeigen, aber ansonsten sind sie zu Hause. Ich kenne Deutsche, die sagen, sie würden sich nicht wohlfühlen, wenn sie am Sonntag um sechs noch nicht zu Hause seien. Abends schauen auch viele Deutsche diesen 'Tatort', der eigentlich eine so fürchterlich langweilige Sendung ist. Aber in dieser Beziehung unterscheiden sich die Deutschen und die Schweizer kaum. Auch die Schweizer schauen am Sonntagabend zu Hause den langweiligen 'Tatort'."
Derek Scally, Irland:
"Der Sonntag in Deutschland erinnert mich an den irischen Sonntag meiner Kindheit in den 80er-Jahren. Die Geschäfte sind alle geschlossen. In Irland wurde dieses Sonntagsöffnungsverbot bereits Mitte der 1990er-Jahre gekippt. Ich finde das in Deutschland ganz gut, denn so ist man zumindest am Sonntag gezwungen, etwas anderes zu machen als zu konsumieren. Da sieht man dann auch Familien, die zusammen etwas unternehmen. Das ist schon etwas Besonderes. Auf der anderen Seite sehe ich schon immer wieder verwunderte Touristen, die nicht verstehen, warum die Geschäfte am Sonntag zu sind."
Tatjana Firsova, Russland:
"Der Sonntag ist wirklich etwas Besonderes in Deutschland. Es ist sehr schön ruhig. In den kleineren Städten gibt es so gut wie gar kein öffentliches Leben. Manchmal kommt es mir vor, als sei es gesetzlich vorgeschrieben, dass Eltern mit ihren Kindern etwas unternehmen. Das machen die dann auch ganz brav. Das finde ich lustig. Außerdem gibt es noch weitere Rituale. Man steht später auf. Frühstückt gemütlich. Nur in die Kirche geht man nur noch selten. Und abends gucken die Deutschen 'Tatort'. Ich weiß nicht, worum es da geht, ich weiß nur, dass Till Schweiger, der in Russland sehr beliebt ist, dort mitgespielt hat. Bei mir in der Straße gibt es ein Café, da steht jeden Sonntag auf einer großen Tafel: '20:15 Uhr, Tatort'. Ich weiß nicht, wie man so viel Geduld aufbringen kann. Diese Serie gibt es ja seit vielen Jahren."
Fatima Lacerda, Brasilien:
"Zu Sonntag fällt mir immer sofort der 'Tatort' ein. Ohne 'Tatort' ist es kein Sonntag! Da habe ich mittlerweile meine Lieblingskommissare. Wenn man auf die Straße geht, wirkt die Stadt an diesem Tag immer merkwürdig verlassen. Als ob alle Bewohner abgehauen wären. Es ist unglaublich ruhig, selbst in den großen deutschen Städten. Das ist für mich ein riesiger Kontrast, wenn ich an Rio denke. Dort sind die Bürgersteige auch am Sonntag brechend voll. Diesen Ruhetag in Deutschland finde ich schön. In diesen so unruhigen, immer schneller werdenden Zeiten ist das ein richtiger Luxus. Da nimmt man sich Zeit, und die ganze Familie frühstückt auch mal zusammen. Das ist ein schönes Ritual."
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