"Typisch deutsch?"

"Die Deutschen sind schon recht freizügig"

Vielleicht liest dieses Ehepaar auf dem FKK-Zeltplatz Prerow auf dem Darß gerade von dem Hickhack, der um die FKK-Strände an der Ostsee entfacht worden ist. Der schon zu DDR-Zeiten heißbegehrte Platz war zu Ferienbeginn ausgebucht gewesen.
Ein Ehepaar auf dem FKK-Zeltplatz Prerow auf dem Darß unter einem Sonnenschirm. © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt · 09.03.2017
Die deutsche FKK-Kultur und das nackte Saunieren erstaunt ausländische Korrespondenten. Die nackte Haut sei eine Reaktion auf den geordneten Alltag, glaubt Hany Ghanem aus Ägypten. Der Ire Derek Scally sieht einen Unterschied in der Freizügigkeit zwischen Ost- und Westdeutschland.
Tatjana Firsova, Russland
"Die Deutschen und Nacktheit passen sehr gut zusammen, vor allem wegen dieser FKK-Kultur, die es meines Wissens ansonsten in keinem anderen Land gibt. Auch die Nacktheit in den öffentlichen Saunen war für mich sehr irritierend. Dass in einer Sauna Frauen und Männer zusammen ohne jegliche Bekleidung zusammensitzen, das kenne ich aus Russland nicht."
Hany Ghanem, Ägypten
"Mit dem Thema Nacktheit habe ich meine eigene Geschichte. Ich habe in den 1990er-Jahren in Ägypten ein Theaterstück inszeniert, in dem nackte Schauspieler auf der Bühne waren. Da war die Hölle los! In dieser Beziehung habe ich Deutschland als sehr frei empfunden. Die viele nackte Haut scheint mir eine Reaktion auf den geordneten Alltag und auf den langen Winter zu sein. Wenn man die Chance hat, frei zu sein, dann macht man das sehr gern. Das beeindruckt mich, denn dabei geht es nicht um Schönheit. Es ist egal, ob das ein junges Mädchen oder eine alte Frau ist. Die zeigen alle ihre nackte Haut. Das finde ich sehr gesund."
Derek Scally, Irland
"Als Ire empfindet man es als ungewöhnlich, dass in der Sauna wirklich alles ausgezogen wird. Für mich ist es typisch deutsch, dass man dann auch nackt sein muss! Da gibt es kein Pardon. Egal, wie lange ich noch in Deutschland leben werde, was mir vom Irischsein immer bleiben wird, ist das Recht darauf, prüde zu sein. Zwar hat die Kirche in Irland viel von ihrer Bedeutung verloren, aber die Ansicht, dass der Körper eigentlich etwas Schmutziges ist, sitzt uns noch tief in den Gliedern. In Deutschland ist das anders. Hier zeigt man generell viel mehr Haut. Wobei ich da auch einen Unterschied zwischen meinen Freunden, die aus Westdeutschland und jenen, die aus der ehemaligen DDR kommen, festgestellt habe. Die Ossis sind beim Thema Nacktheit sehr freizügig, die Wessis gehen da hingegen ein klein wenig in die Richtung der schamhaften Iren. Die Bilder von gebräuntem Hängefleisch von meinen Besuchen an den FKK-Stränden der Ostsee werden mir noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Das ungeheure Selbstbewusstsein dieser Leute ist für mich schon verwunderlich."
Benedict Neff, Schweiz
"Die Deutschen sind schon recht freizügig. In den Wäldern Brandenburgs sollen sich im Sommer ja ganze Nacktkolonien herumtreiben, lese ich. In der Sauna fällt mir vor allem auf, dass sich Männer und Frauen doch sehr unterschiedlich verhalten: Männer sind schnell im Präsentiermodus, latschen überall hemmungslos nackt herum. Die Frauen klammern sich oft noch in der Sauna an ihrem Tuch fest."
Fatima Lacerda, Brasilien
"Als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich mir einen See empfehlen lassen, da ich so schnell wie möglich an den Strand musste. Dort traf mich ein Kulturschock: Mir kam eine nackte Frau entgegen. Das konnte ich gar nicht glauben! Es hat mindestens eine Viertelstunde gedauert, bis ich begreifen konnte: Ja, diese Frau ist nackt und keiner fällt über sie her oder sperrt sie ein. Ich finde es nach wie vor faszinierend, dass man unabhängig davon, wie man aussieht und wie alt man ist, sich ausziehen und die Natur genießen kann. Großartig! Das bedeutete auch für mich eine Befreiung von den ganzen Konventionen, die man so mit sich rumträgt. In Rio wäre das undenkbar."
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